Review
von Leimbacher-Mario
Spiegelreflexchimäre
Genauso wie bei „The Magnificent Ambersons“ fuschte man auch bei „The Lady From Shanghai“ dem „Wunderkind“ Orson Welles hier von der Studioseite aus ordentlich in's Handwerk. Eine satte Stunde wurde angeblich getrimmt. Außerdem war es dazu noch eh ein eher notgedrungenes Projekt von Welles, das er aus Geldnot versprach und nahezu in Personalunion zügig aus dem Boden stampfen musste. Und natürlich hat all das diesem sonnig-exotischen Film Noir schon geschadet - ihn jedoch beileibe nicht zerstört. Immer noch ist diese zwielichtige Lady (Rita Hayworth in einer Sabberanfälle auslösenden Paraderolle) ein Hochgenuss für Liebhaber der schwarzen Periode. Gerade das raffinierte Finale oder auch einzelne Abschnitte davor sind technische Extraklasse und bis heute unendlich eindrucksvoll, höchste Kunst. Erzählt wird hier von einem plötzlich (und verständlich!) über beide Ohren verknallten Seemann, der auf einem Segeltörn mit einer Traumfrau in ein undurchsichtiges Netz aus Finten, Betrug, Mord und Lügen gezogen wird…
„The Lady From Shanghai“ hat die vielleicht schönste Rita Hayworth aller Zeiten. Vielleicht sogar damit die schönste Frau aller Zeiten. Und das in zum Teil exotischer Kulisse mit einem sowohl on- als auch offscreen mächtig schmachtenden Orson Welles. Das macht schon etwas mit einem. Hinzu spielt Welles hier ganz passabel, wenn auch nicht überragend, und seine Regie- und Kameratricks wie etwa im Aquarium, mit dem ominös groß wirkenden Tieren im Hintergrund, waren wegweisend und damals schlicht unerreicht, noch immer höchst wirkungsvoll und beeindruckend. Und von solcher Leichtigkeit und solchen Spielereien profitiert dieser immer interessante, oft sogar geniale Film Noir natürlich massiv. Das Finale auf der Kirmes bzw. im Spiegelkabinett hat mit Sicherheit sogar Bruce Lee beeindruckt. Da ist’s dann vielleicht sogar fast zu viele Spielerei. Knifflig. Aber audiovisuell hypnotisch gut. Hinzu kommt eine grundsätzlich sehr solide und kurvige Geschichte, nicht nur durch die Hayworth, selbst wenn sie Anlaufzeit braucht und mir etwa die humoreske Gerichtsverhandlung gar nicht gefällt. Aber das sind kleine Hubbel auf einem unterhaltsamen Weg - per Kutsche, per Boot, per Fuß. Flucht vor den eigenen Trieben. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass die originale Langfassung von Welles das Potenzial hat, einer der besten Film Noirs aller Zeiten zu sein. Und im Grunde ist er das sogar hier schon.
Fazit: trotz über einer Stunde Kürzungen durch Columbia - „The Lady From Shanghai“ trägt noch genug Welles, Schönheit, Mystery, Exotik, Stil und Mord(sspass) für einen klasse Film Noir. Kann Spuren von einem Meisterwerk enthalten. Zu gerne hätte ich die volle Fassung gesehen.