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Michael O’Hara, ein irischer Seemann, begegnet auf Landgang der schönen Elsa Bannister und rettet sie vor ein paar jugendlichen Übeltätern. Ihr Mann Arthur, ein berühmter und stinkreicher, allerdings auch verkrüppelter Anwalt, will ihn dafür auf seiner Yacht anheuern. Michael nimmt das Angebot schliesslich an, wenn auch nur widerwillig. Unterwegs gesellt sich George Grisby, Bannisters schmieriger Geschäftspartner, hinzu und unser Seemann muss mit wachsender Abscheu feststellen, in was für eine verkommene Gesellschaft er da geraten ist. Dennoch kann er nicht verhindern, sich unsterblich in Elsa zu vergucken.

Da macht Grisby ihm ein Angebot: Für fünftausend Dollar bar auf die Kralle soll er diesem helfen, dessen Ermordung vorzutäuschen. Mit der Hoffnung, dass das Geld ihm und Elsa einen Neuanfang fern von Bannister ermöglicht, lässt sich Michael auf den Deal ein. Als Grisby dann aber tatsächlich das Zeitliche segnet, steht er ganz schön blöd da und findet sich zwangsläufig vor Gericht wieder. Seine Verteidigung übernimmt ausgerechnet Bannister…


Die Produktion stand unter keinem guten Stern: Welles schrieb das Skript während den Dreharbeiten laufend um, lebte jüngst von seiner Ehefrau Rita Hayworth, die hier ja eine Hauptrolle spielt, in Trennung (nach Drehschluss folgte die Scheidung) und konnte den Score von Roemheld nicht leiden. Die Produzenten waren mit dem Ergebnis höchst unzufrieden, ordneten Nachdrehs an und hielten den Film schliesslich für zwei Jahre zurück.

In Anbetracht dessen ist THE LADY FROM SHANGHAI ein überraschend guter Streifen geworden, vor allem aber ein kurzweiliger welcher dank der relativ kurzen Laufzeit und einer flüssigen Inszenierung, bei welcher die Geschichte nie auf der Stelle tritt. Insbesondere in der Gerichtsszene (die Bannisters wegen eher eine Farce als was anderes ist, wobei humoristische Element des Filmes am offensichtlichsten hervortritt) überschlagen sich die Ereignisse geradezu.

Unter Welles’ Regie ist nicht nur für ein ordentliches Tempo, sondern auch für visuelle Brillanz gesorgt, vor allem natürlich im grandiosen Finale im „Crazy House“, das stark expressionistische Züge annimmt (die verzerrten Kulissen erinnern sicher nicht zufällig stark an „Das Cabinet des Dr. Caligari“) und im Spiegelkabinett seinen optischen Höhepunkt hat. Muss man gesehen haben. Aber auch vorher gibt es bemerkenswerte Einstellungen, wie die der singenden Elsa auf dem Boot, die dort geradezu eine heilige Aura ausstrahlt, und interessant ist eine gewisse Vorliebe für Grossaufnahmen vor allem menschlicher Gesichter (sehr dynamisch wirken die Shots, in denen sich jemand auf die Kamera zu bewegt und kurz vor der Linse stehen bleibt). Bemerkenswert ist zudem die Sequenz im asiatischen Viertel, die dem Zuschauer gar einen Blick auf eine chinesische Theatervorstellung bietet, und natürlich die die Aquariumsszene, die mit ihren extremen Kontrasten etwas von einem Schattenspiel hat und durch die riesenhaft projizierten Meeresviecher ziemlich bedrohlich rüberkommt. Allerdings wurden hier auch einige stark ausgeleuchtete, „starmässige“ Grossaufnahmen von Hayworths Gesicht eingefügt, die hinten und vorne nicht hineinpassen.
Apropos Kontraste: Ein hartes Aufeinanderprallen von Schwarz und Weiss durchzieht den visuellen Stil des Filmes, selbst unter der prallen Sonne des Südens legen sich Schatten über die Menschen. Extreme Kameraperspektiven zum Beispiel direkt von oben verstärken den Eindruck von Befremdung und Düsterkeit.

Dem entsprechen die psychischen Abgründe, die hier hinter Reichtum, Erfolg und schönem Schein lauern und mehr und mehr offen gelegt werden: Grisby ist ein schmieriger kleiner Perversling, der ständig schwitzt (eine grandiose Leistung von Glenn Anders, der hier durchaus auch komische Züge hat), Arthur Bannister zwar ein impotenter Krüppel, aber so skrupellos wie besitzergreifend (Everett Sloane dreht vor allem in der erwähnten Gerichtsszene voll auf), und Elsa erweist sich als berechnende, eiskalte Killerin (eine Charakterisation, die dem Image der Hayworth entgegengesetzt war wie nur sonst was), mit der O’Hara keinerlei Mitleid mehr hat, als sie langsam im Staub verreckt.
Orson Welles’ O’Hara hält sich zunächst für ziemlich abgebrüht, ist im Vergleich zu den Bösewichtern aber ein ganz kleiner Fisch und handelt in seiner Verliebtheit schon verdammt naiv. Kein Wunder, dass er im schnoddrigen Voice-over, der eine Rücksicht auf die Ereignisse darstellt, derart desillusioniert und zynisch wirkt und sich selbst immer wieder einen Dummkopf schimpft.
Alles in allem machen die fabelhaften Leistungen der Darsteller einen grossen Teil des Reizes des Filmes aus und insbesondere die schnellen, spritzigen Dialoge sind ein echtes Vergnügen.

Das hohe Tempo des Films unterstützt auch der Score von Oscarpreisträger Heinz Roemheld (THE INVISIBLE MAN, DRACULA’S DAUGHTER, YOU CAN’T GET AWAY WITH MURDER, YANKEE DOODLE DANDY), der teils ziemlich abrupt zwischen klassischer Krimimusik, Sambarhythmen und östlich angehauchten Klängen hin und her wechselt. So wirkt der Film auch akustisch sehr vielseitig.

Trotz aller Probleme beim Dreh wurde aus THE LADY FROM SHANGHEI, abgesehen von einigen kleinen Schönheitsfehlern und einer manchmal etwas unübersichtlichen Story, ein unglaublich interessanter Film Noir, der von seinem hohen Tempo, seinem exzessiven Stil und den hervorragenden Darstellern lebt. Auf Welles ist selbst unter den schlimmsten Umständen noch Verlass.

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