Review

Dass "Die Lady von Shanghai" ursprünglich mal 155 Minuten gedauert hat, glaub ich bei Betrachten des Films sofort. Ich kann auch nicht verstehen, wieso er als solch Klassiker und Meilenstein angesehen wird, weil der Film packt in knapp 83 Minuten so viel Wendungen und undurchsichtige Charaktere, dass man eben jene viel zu wenig beleuchtet und ihre eigentlichen Motive noch nicht einmal andeutet. Klar, es geht mal wieder um das gute liebe Geld, aber für das, dass hier so viel Charaktere auftauchen, ist mir da zu wenig Tiefgang.

Fast schon episodisch erzählt uns ein Erzähler aus dem Off, der gleichzeitig die Hauptperson Michael O'Hara, ein irischer Seemann darstellt, seine Geschichte. Er lernt die Anwaltsfrau Elsa Bannister kennen, indem er ihr eines Abends das Leben rettet. Aus Dank wird er nun von Elsa und deren Mann Arthur ihr Schiff eingeladen. Bald entwickelt sich mehr als nur eine Freundschaft zwischen Michael und Elsa, Michael lernt Bannisters zwielichtigen Arbeitskollegen George Grisby kennen, der ihm auch bald ein seltsames Angebot macht. Nämlich ihn für 5000 Dollar zu töten. Michael steigt darauf ein und findet sich in einem Netz voller Intrigen wieder.

So, die 40er Jahre waren ja voll von diesen Filmen, die Transparenz vermissen ließen und bis zum Hals hin mit undurchsichtigen, gewissenlosen Charakteren vollgestopft waren. Die sogenannte schwarze Serie brachte also eine Vielzahl von Klassikern zum Vorschein, die in ihrer Art sich aber jedoch sehr ähneln, wodurch zumindest bei mir mittlerweile ein etwas gelangweilter Eindruck entsteht, denn der Verlauf ist immer der selbe. Auch in "Die Lady von Shanghai" gibt es keinen wahren Helden. Michael mag zwar der Hauptcharakter sein, doch auch er hat so seine Probleme mit der Moral. Einst hat er einen Mann mit seinen bloßen Händen getötet und auch jetzt schreckt er nicht davor zurück, dieses unmoralische Angebot Grisbys anzunehmen. Sowohl Michael als auch der Zuschauer fragen sich, in was er nun wohl hineingerät, doch O'Hara nimmt, blind vor Liebe zu Elsa, den Auftrag an, um im Handumdrehen festzustellen, dass keiner der ist, den er vorzugaukeln scheint und er in einen großen Komplott geraten ist, der ihn aus Zufall auch noch zum Mörder zweier Menschen macht.

Gestern erst schaute ich mir "Asphalt-Dschungel" von John Huston an und vor ein paar Wochen "Gilda" und ich muss sagen, dass die Filme zwar alle sehr gelungen sind, nur dass es immer auf das Gleiche rauskommt. Nur mit dem Unterschied, dass "Die Lady von Shanghai" sehr gewagt erzählt wird, nämlich mit einem Tempo, das seinesgleichen sucht. Leider werden hierbei die Charaktere zu wenig ausgeleuchtet, man kann stets nur Vermutungen über die Personen anstellen und man merkt schlicht und einfach, dass da einfach der Tiefgang fehlt, welchen die ursprüngliche Version des Films sicherlich mit sich gebracht hätte.

Grandioser Höhepunkt im wahrsten Sinne des Wortes ist jedoch das optisch wie visuell berauschende Ende im Spiegelkabinett. Michael, Arthur und Elsa und deren zahlreiche Ebenbilder duellieren sich. Dabei spricht hier die Symbolik. Elsa und Arthurs Gesichter und Körper werden immer wieder nebeneinander gezeigt. Fast schon collagenartig teilt sich der Bildschirm manchmal in drei Teile und fängt dabei jeweils ein Close-Up eines Gesichtes der Beteiligten ein oder eben den ganzen Körper. Hier wird die Vielschichtigkeit der Personen klar. Eine unschuldig anmutende Anwaltsfrau, deren Ehemann, der auch nicht mit rechten Mitteln spielt und auch der ambivalente Held Michael O'Hara, der eher der Tragische denn Gefeierte ist. Diese Sequenz ist einmalig und bleibt auch wirklich im Gedächtnis.

"Die Lady von Shanghai" überfordert den Zuschauer zu Beginn fast ein wenig, um mit der Zeit wirklich spannend und fesselnd zu werden. Auch die Entwicklung von Grisbys Plan weiß zu gefallen, denn eigentlich weiß weder der Zuschauer noch einer der Personen im Film, was eigentlich wirklich Sache ist und erst nach und nach wird es aufgelöst. Hierbei behilflich ist Michael O'Hara, der den Zuschauer aus dem Off den endgültigen Sachverhalt erklärt. Doch auch diese Auflösung klingt sehr kompliziert und ich musste mir sie schon zwei Mal ansehen bzw. anhören, um den Werdegang des Films einwandfrei verstehen zu können.

Vielleicht tat mir 3 SAT mit seiner Film-Noir-Reihe keinen Gefallen, denn wenn man sich jeden Tag ein Werk dieses Genres zu Gemüte führt, fällt die Ähnlichkeit des jeweiligen Filmverlaufes schon sehr auf und das Ende variiert meistens nur darin, was mit dem Held/Antiheld geschieht. Diese Tatsache ist gegeben und auch nur schwer zu ignorieren und in Anbetracht des sehr holprigen Beginns kann ich persönlich diesem Werk zwar schon Einiges abgewinnen, doch zu einem Klassiker reicht es für mich allerhöchstens wegen dem Schluss. Doch das dürfte eigentlich nicht Grund genug sein.

7/10 Punkte

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