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Eines vorweg: Ein wenig habe ich den Eindruck, dass Rachefeldzüge ein gern verwendetes und gesehenes Thema sind, und ich komme nicht umhin zu bemerken, dass der Markt in den letzten Jahren voll davon ist. Oh nein, nein, keine Sorge, auch mir gefällt das Motiv der Rache außerordentlich gut, ist es doch in den meisten Fällen ein Motiv, in das sich ein jeder von uns hinein zu versetzen vermag oder zumindest im Ansatz nachvollziehen kann. Ganz zufällig gewählt ist da wohl auch das Opfer 'Kind' nicht. Wie schon gesagt, ich mag solche Filme. Ob nun 'Faster', 'Man on Fire', '22 Bullets', alles gute Filme. In den meisten Fällen sorgen sie für kurzzeitiges Vergnügen und heben sich nicht besonders von der Masse ab, denn in den wenigsten Fällen regt ein solcher Film zum Nachdenken oder zu Diskussionen an. Dementsprechend entspannt ging ich auch an 96 Hours ran. Die Story las sich wie jede andere, die man schon x Mal auf irgendeinem DVD-Cover gelesen hatte. Ich habe schon den ein oder anderen Film mit Liam Neeson gesehen, aber wirklich wahrgenommen - wie ich zu meiner Schande gestehen muss - hab ich ihn nur in 'Schindlers Liste'. Ich hegte weder Sympathien noch Abneigungen gegen den Mann bis zu diesem Film, also rein mit der DVD, zurücklehnen und gucken.

Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: Bryan Mills (Liam Neeson) ist ein ehemaliger Geheimagent, der nach der Scheidung von seiner Frau (Famke Jansen) in den vorzeitigen Ruhestand getreten ist, um seiner inzwischen 17-jährigen Tochter Kim (Maggie Grace) mehr Zeit widmen zu können. Überrumpelt von Mutter und Tochter stimmt er zu, dass Kim mit ihrer Freundin nach Paris reist. An ihrem ersten Abend muss Bryan mit anhören, wie seine Tochter verschleppt wird, womit der Kreuzzug des Altherren beginnt. In einer wilden Hetzjagd durch Paris setzt Mills alles daran, seine Tochter aufzuspüren und zu versuchen, sie heil wieder nach Hause zu bringen. Natürlich werden ihm hierbei allerlei Steine in den Weg gelegt, die es beiseite zu räumen, schießen, prügeln gilt.

Die meisten dieser Filme leben von den Actionsequenzen. Das verhält sich auch bei 96 Hours nicht anders. Ich würde aber noch einen Schritt weitergehen und behaupten wollen, der Film lebt von einem Liam Neeson, der diese Actionsequenzen durchlebt. Man kauft nämlich einem Veteranen, der nicht nur über die entsprechende Ausbildung verfügt sondern auch noch über die entsprechende Erfahrung gewürzt mit einer guten Portion Wut, durchaus zu, zu einer solchen One Man Army zu mutieren. Besagte Actionsequenzen wirken auch zu keiner Sekunde überzogen, eine Krankheit, die ja hin und wieder gerne mal in diesem Genre auftaucht, nein, sie wirken annehmbar und nachvollziehbar. Liam Neeson ist hier in Hochform. Natürlich ist es am Ende doch ein Actionfilm, dennoch empfinde ich die Motive und den Antrieb sowie den Hintergrund der Figur des Bryan Mills ausreichend durchleuchtet, so dass am Ende keine Fragen offen bleiben. Wenn sie auch nur am Rande auftaucht, so macht doch auch Maggie Grace ihre Sache gut. Man hat gut daran getan, sie mit der Rolle der Tochter statt der oberfächlichen Freundin zu besetzen. Und auch wenn sie unter dem Bett liegend augenscheinlich ruhig Anweisungen ihres Vaters entgegen nimmt, so merkt man ihr doch die Panik an, die jedem in ihrer Situation beinahe den Verstand rauben würde. Dennoch zeugt gerade diese Szene auch vom Vertrauensverhältnis zwischen Vater und Tochter.

Dass ich die Namen von Pierre Morel und Luc Besson im Zusammenhang mit 96 Hours lese, wundert mich nicht wirklich, haben diese beiden doch schon großartiges Kino mit Filmen wie 'The Transporter', 'Léon - Der Profi' und 'Ghettogangz' abgelegt. Ich möchte mir beinahe anmaßen zu sagen, dass sich die Staaten ruhig ein Beispiel an den Franzozen nehmen dürfen, denn Actionfilme machen, das haben sie definitiv drauf. Besonders schön an 96 Hours empfand ich den Verzicht auf heute so beliebte Martial-Arts-Sequenzen, die ja inzwischen in beinahe jedem Streifen eingebaut werden, ob sie nun passen oder nicht (Frei nach dem Motto "Scheißegal, ob es plausibel ist, hauptsache es sieht geil aus."). Die FSK-16-Freigabe erscheint mir gerechtfertigt, auch wenn ich an der ein oder anderen Stelle weggeguckt hab (ich bin eben doch ein zart besaitetes Mädchen). Und am Ende des Films sieht man sogar darüber hinweg, dass Bryan Mills halb Paris in Schutt und Asche gelegt hat und völlig ungestraft, Menschen getötet und gefoltert hat. Denn die elementare Frage, die sich mir am Ende stellte war: Was hätte ich getan, wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre? Oh, ich hätte wahrscheinlich ganz Paris in Schutt und Asche gelegt in Anbetracht der Ausbildung, die mir gefehlt hätte.

Alles in allem war ich begeistert von 96 Hours. Nicht überzogen, nachvollziehbar, mit einer überzeugenderen Leistung des Hauptdarstellers als die eines - beispielsweise - Dwayne 'The Rock' Johnsson. Action und Effekte überzeugten, wirkten nicht übertrieben, und nicht zuletzt hatte die Story den nötigen Tiefgang, um einen zumindest auch in der Hinsicht an den Film zu fesseln. Die Mischung von allen Komponenten war einfach total auf den Punkt getroffen. Eine Perle unter den Rachfeldzug-Actionkrachern, die man gesehen haben sollte, und von der ich nur hoffen kann, dass die geplante Fortsetzung ihr gerecht wird.

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