Cinefacts: "Dies ist ein grundübler Film: sowohl was die ultrareaktionäre Haltung betrifft als auch die ultrabrutale Umsetzung."
Hamburger Abendblatt: "Hanebüchene Actionmär, ohne Ironie, ohne doppelten Boden, ohne Verstand."
Das ist die Art Review, wo ich erst richtig neugierig werde. Kurzer Check: Budget $25 Mio, Gross: $220 Mio, also wirtschaftlich überaus erfolgreich. IMDb 7.9, OFDb sogar 8.2, was sehr gut ist. Rotten Tomatoes immerhin 89 "fresh" von 156 Reviews, das sind 57%. Außerdem, was heißt eigentlich "reaktionär"? Erz-konservativ und fortschritts-feindlich? Dabei dachte ich, Selbstjustiz wäre eher ein kommender Trend, also progressiv? Na, gucken wir mal...
Ach ja, geschrieben und produziert von Luc Besson (Transporter, Das 5. Element). Der Regisseur ist sein langjähriger Kameramann. Liam Neeson kennen wir aus Schindlers Liste, Königreich der Himmel, und über 70 weiteren Filmen.
La Brutalité
Richtig ist, dass es am Ende des Films zu besonders harter Gewalt kommt. Andererseits ist Liam Neeson im zarten Alter von 57 Jahren nicht mehr wirklich zu großen Martial-Arts Einlagen im Stande. Da muss schon mal eine Wagentür aushelfen, mal ist es ein günstig positioniertes Waschbecken. Boing! Meist schießt er einfach trocken auf eine Gruppe Mafiosis, Mercs, oder Leibwächter von skrupellosen Geschäftsleuten, die ihm den Weg zu seiner Tochter versperren. Das ist im Einzelnen nicht brutaler als in jedem Tatort oder im Super RTL Nachmittagsprogramm, nur dass es eben insgesamt 'ne Menge Abgänge sind.
La Qualité
Die Action ist mehr als solide inszeniert. Der Spannungsbogen sitzt perfekt. Die Charaktere werden knapp gezeichnet. Der Frust des Vaters ist klar nachvollziehbar, wenn er auch zum Superhelden stilisiert wird. Das Bild ist etwas dunkel und der Kontrast zu stark, was leider etwas billig wirkt. Der Score ist ruhig und stetig und setzt eine gute Pace.
Nur mal am Rande, Handkameras sind mir ein Gräuel, ich werde davon normalerweise wuschig. Bourne? Schlimm! Aber hier hat mal ein Könner gezeigt, was man mit einer Handkamera machen kann. Aus einer völlig ruhigen Szene entwickelt sich eine Verfolgung auf der Straße, plötzlich kommt Hektik rein, und jetzt wackelt die Kamera kräftig aber nicht unnatürlich. Schnitte im Sekundentakt. Man kann trotzdem alles erkennen, wenn auch schemenhaft. Ein toller Eindruck! (Danach ist das Bild wieder ruhig, also keine Sorge!)
La Moralité
Die Bösen werden sang- und klanglos abgesäbelt. Das will man auch so sehen. Leider beginnt die Action erst nach einer halben Stunde, aber dafür wird man am Ende umso mehr belohnt. Richtig fiese Abmurkserei kommt erst nach etwa einer Stunde (bei einer Gesamtlänge von 1:30h), das hätte ich mir schon früher gewünscht. Wobei "gewünscht" nicht etwa heißen soll, ich mag Quälerei, ganz im Gegenteil, ich fand die Darstellung auf ihre Weise lustig und gelungen. Kopfgeld (mit Mel Gibson) ist eher, was mir in den Sinn kam.
Was ich mich am Anfang gefragt habe war: "Ja, was hättest du denn gemacht?" Kinder, die hier bei uns - nicht irgendwo in Albanien, sondern hier bei uns! Unsere Kinder! - unter Drogen gesetzt und zur Prostitution gezwungen werden, und man hat "zufällig" die nötigen Mittel, die Schweine abzumurksen, hm... Was würdest du tun?