Erst seit 1968 werden die Besucherzahlen in den deutschen Kinos gezählt, da zuvor keine genauen Erhebungen gemacht wurden. Trotzdem steht es unzweifelhaft fest, dass die Zuschauerzahlen, die gerade deutsche Filme in den 50er Jahren erzielten, von zeitgenössischen Film kaum noch erreicht werden können. 1951, als "Grün ist die Heide" von etwa 16 Millionen Menschen gesehen wurde, gab es nur wenige alternative Unterhaltungsmöglichkeiten, aber das allein erklärt nicht den grossen Erfolg dieses Films.
Die Gattung des 50er Jahre "Heimatfilms", die mit "Grün ist die Heide" ihre frühe Blüte erlebte, gilt heute als konservativ veraltet und filmisch uninteressant - quasi ein Relikt aus einer Zeit, mit dem man sich höchstens noch aus historischen Gründen beschäftigt. Auch wenn diese Sichtweise ihre Berechtigung hat, gab es innerhalb dieser Gattung große Qualitätsunterschiede. Besonders an "Grün ist die Heide" wird das erkennbar - ein Film, der viele Nachfolger erzeugte, die nicht annähernd dessen Dichte und Atmosphäre erreichten.
Unabhängig davon, wie man zu der Wilderer-Thematik steht, muss man den Drehbuchautoren gute Arbeit bescheinigen. Sie verbanden aktuelle gesellschaftliche Probleme der Nachkriegszeit mit einer Liebesgeschichte und reicherten dieses Konglomerat mit heimatlicher Musik und Landschaftsbildern an, die in starkem Kontrast zur damaligen Realität in Deutschland standen. Dabei griffen sie auf Motive des 1932 entstandenen Films "Grün ist die Heide" zurück, der auch auf den vom (Grossstädter) Hermann Löns geschriebenen Texten über die Lüneburger Heide fusste.
Doch es sind die Unterschiede zum dramatischen Original, die den Erfolg des 1951 gedrehten Films begründeten. Über der gesamten Handlung steht immer die Vertriebenen-Thematik und der damit verbundene Verlust der Heimat, der nicht nur die Bewohner der ehemaligen Ostgebiete betraf, sondern viele Menschen, die im Krieg ihre Wohnung oder Haus verloren hatten. Das gilt auch für Lüder Lüdersen (Hans Stüwe) und seine Tochter Helga (Sonja Ziemann), die nach der Vertreibung bei seinem Cousin und Gutsbesitzer Gottfried Lüdersen (Otto Gebühr) untergekommen sind.
Der Film macht kein Geheimnis daraus, dass es sich bei Lüder Lüdersen um den Wilderer handelt, der schon lange vom Oberförster ergebnislos verfolgt wird. Doch sein zukünftiger Nachfolger Walter Rainer (Rudolf Prack), der gerade erst die Stelle angetreten hat, erwischt den Wilderer beinahe auf frischer Tat. Als er bei der Verfolgung an den Gutshof gelangt, wird er brüsk zurückgewiesen, angesichts der Unterstellung, es könnte sich bei dem Wilderer Jemand aus dem ehrwürdigen Hause handeln. Zudem begegnet der junge Förster noch Tochter Helga, für die er sich schnell begeistert, weshalb er unverrichteter Dinge wieder davon geht.
Von der Tochter zur Rede gestellt, gesteht ihr Vater, nur beim Jagen glücklich sein zu können, da er dann wieder das Gefühl der Heimatverbundenheit in Erinnerung an die eigenen Wälder empfinden kann. Auch wenn Helga ihm das Gewehr abnimmt und er versprechen muss, es nie wieder zu tun, steht ausser Zweifel, dass Niemand im Publikum ihn deshalb verurteilt haben wird, obwohl es sich bei den Lüdersens um Mitglieder einer priveligierten Klasse handelte, die nur wenig mit den Problemen gemein hatte, die der Durchschnittsbürger damals bewältigen musste.
Die Stimme des Volkes spricht dagegen durch die drei Landstreicher Hannes (Hans Richter), Nachtigall (Kurt Reimann) und Tünnes (Ludwig Schmitz) , die im Film die heimliche Hauptrolle spielen und nicht ohne Grund in gleicher oder ähnlicher Formation in anderen Filmen wieder verwendet wurden. Dank ihrer respektlosen Art, die das Geschehen teilweise auch ironisch kommentiert, verzeiht man die Romantisierung des Landstreichertums. In Anspielungen weisen die Drei mehrfach auf gesellschaftliche Probleme hin (zum Beispiel die Arbeitssituation), um sofort wieder einen Witz darüber zu machen. Die Akzeptanz, die sie bei der bürgerlichen Gesellschaft geniessen, ist unrealistisch, aber da sie für die besten musikalischen Einlagen zuständig sind (bei dem Sänger Kurt Fröhlich handelte es sich um einen bekannten Opern-Tenor) entsteht für das Publikum ein Gleichgewicht zwischen der ärmlichen Grundsituation und der gleichzeitigen Meinungshoheit. Als die Drei Lüdersen gegenüber dem Förster helfen, dessen Gewehr sichern und selbstverständlich kein Wort darüber verraten, ist das positive Urteil über den vertriebenen Landadeligen schon gesprochen.
Dagegen entwickelt sich die eigentliche Story über die langsam entstehenden Gefühle zwischen Helga und dem Förster linear und überraschungsarm und ist als reines Starvehikel für die damals sehr populären Sonja Ziemann und Rudolf Prack zu verstehen. Letztlich erweist sich diese Einfachheit als vorteilhaft für den Film, der vor allem von den vielen kleinen musikalischen und humorigen Einlagen und der optisch sehr schön in Szene gesetzten Lüneburger Heide lebt. Das ein Zirkusmitarbeiter, der dazu keinen gültigen deutschen Pass besitzt, am Ende als Bösewicht herhalten muss, verdeutlicht nur die allgemein verbreitete sehr konservative Stimmung, die auch in der unverhohlenen Haltung verborgen ist, die vom Wiedererhalt der ehemals deutschen Ostgebiete ausgeht. Das gemeinsame Singen des "Riesengebirge"-Liedes war sicherlich ein Höhepunkt des Films.
Aus heutiger Sicht verfügt der Film über viele veraltete, teils reaktionäre Elemente, deren Bedeutung inzwischen entweder überholt oder deren Attraktivität kaum noch vorhanden ist. Nur schwer vorwerfen kann man dem Film, dass er mit seiner Idealisierung des Landlebens, den Betrachter von seinem tristen Alltag ablenken wollte, denn letztlich haben populäre Filme auch heute keine andere Aufgabe. Unter diesem Gesichtspunkt ist "Grün ist die Heide" sehr gelungen, denn selten gelang eine ausgewogenere Mischung aus Starverehrung, dramatischer Geschichte, ironischem Witz und musikalischen Einlagen im deutschen Heimatfilm (6/10).