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„Ekel“, nach einer ganzen Reihe von Kurzfilmen und zwei Spielfilmen Regisseur Roman Polanskis („Rosemaries Baby“) erste britische Produktion aus dem Jahre 1965, ist das Psychogramm einer psychotischen jungen Frau, die sich unbemerkt von der Außenwelt immer weiter in ihren letztlich tödlichen Wahn hineinsteigert und damit der Auftakt zu Polanskis loser „Mieter-Trilogie“, die als verbindendes Element das sich schon eine Tür weiter ereignen könnende Grauen in der Anonymität der Großstadt aufweist.

Die französische Schönheit Catherine Deneuve spielt die junge Carol, die wie ein verschüchtertes, naives Schulmädchen mit französischem Akzent wirkt, aber einen immer schlimmer werdenden Verlauf nehmenden Ekel und Verfolgungswahn vor Männern entwickelt, der sie im Alltag, insbesondere nachdem ihre Schwester, in deren Appartement sie lebt, zu einer Urlaubsreise aufgebrochen ist, fast vollständig lähmt und sie zwingt, sich immer mehr in ihre schizophrene, bedrohliche Welt zurückzuziehen.

„Ekel“ ist kein Unterhaltungsfilm im engeren Sinne, kein Film zum Genießen. In Schwarzweiß gedreht, ist er ein eher nüchterner Film, der außer einem beständigen Unwohlsein kaum Emotionen schürt. Man identifiziert sich kaum mit Carol, aus deren Sicht sich der Großteil der Handlung abspielt, man schließt sie weder ins Herz, noch hasst oder verachtet man sie. Man ist vielmehr dazu verdammt, als ungläubiger, ohnmächtiger Beobachter ihren psychischen Teufelskreis zu beobachten. Dabei wählte Polanski ein extrem langsames Erzähltempo, das gerade in Anbetracht heutiger Sehgewohnheiten eine große Bereitschaft von seinem Publikum einfordert, sich auf das Geschehen einzulassen und sich von einer herkömmlichen, gewohnten Dramaturgie zu verabschieden. Wem dies gelingt, wird aber Zeuge eines sorgfältig inszenierten psychischen Derangements, das die Hilflosigkeit seines Opfers nachvollziehbar macht und daraus seinen eigentlichen Schrecken bezieht. Der oberflächliche Umgang ihres Umfeld mit ihr kommt einem auch als psychisch mehr oder weniger intakte Person bekannt vor, die penetranten Annäherungsversuche eines Möchtegern-Don-Juans lassen Carols Ekel fast schon als eine logische Konsequenz erscheinen (aber eben nur fast) und symbolisieren den schmalen Grat zwischen Realitätsbezug und -verlust. Einzelne Szenen, die Carols Wahnvorstellungen grafisch umsetzen, sind zwar effektiv, spielen aber eine untergeordnete Rolle. Deneuves aufs Wesentliche beschränkte Schauspiel fügt sich in dieses Konzept ein.

Ein nicht leicht zu konsumierender Psychotrip; für das, was er sein will und ist, aber sehr gut gelungen. „Ekel“ dürfte zudem einen nicht unbeachtlichen Einfluss auf die Entwicklung des Thrillers und Horrorfilms gehabt haben und ist allein schon deshalb in jedem Falle von historischem Interesse.

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