Nachdem die "Herr der Ringe"-Trilogie ausgelaufen ist und auch bei der Reihe um "Harry Potter" langsam aber sicher ein Ende abzusehen ist, wird emsig nach neuen vielversprechenden Fantasystoffen Ausschau gehalten. So waren es im Jahr 2007 besonders die Filme "Der Sternwanderer" und "Der goldene Kompass", welche um die Gunst des Publikums buhlten. Überraschenderweise war beiden Streifen aber kein allzu großer Erfolg beschienen, was darauf deuten lässt, dass das Publikum momentan offenbar nicht wirklich Lust auf solche Themen verspürt. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Trendwende mit dem neuen "Narnia"-Film großartig ändern wird. Doch wo man dem liebevoll gemachten Fantasymärchen "Der Sternwanderer" durchaus einen größeren Zuschauerkreis gewünscht hätte, überrascht der Einbruch an den Kinokassen beim "goldenen Kompass" nicht wirklich.
Die Handlung spielt in einem Paralleluniversum. In einer Welt, in der die Menschen von sogenannten Daemonen begleitet werden, welche die Form von Tieren annehmen und ihre Seele repräsentieren. Zudem thront ein mächtiges Magisterium erhaben über allen Dingen, was jedoch nicht verhindern kann, dass dunkle Mächte ihren Einfluss geltend machen. Denn immer mehr Kinder verschwinden spurlos und die Gerüchte um ihren Verbleib werden immer beunruhigender. Noch kümmert dies die junge Lyra Belacqua (das Ärgernis des Films: Dakota Blue Richards) und ihren Freundeskreis nicht allzu sehr, fühlen sie sich in der Umgebung des Jordan College in Oxford doch recht sicher. Als Lyras Onkel Asriel (überzeugend, wenn auch unterfordert: Daniel Craig) von einer Forschungsreise aus dem Norden des Landes zurückkehrt, beginnt das Mädchen die schleichenden Veränderungen um sie herum erstmals richtig wahrzunehmen. So wird Lyra durch einen Zufall Zeugin davon, wie ihr Onkel vergiftet werden soll, was sie natürlich verhindert. Bei einer Vorlesung Asriels erfährt sie zudem von "Staub", Partikeln aus dem Weltall, welche angeblich das Tor zu verborgenen Welten öffnen können. Doch Lyra bleibt gar nicht die Zeit, ihren Onkel weiter darüber auszufragen, da jener schon wieder zu einer neuen Expedition aufbricht. Dafür nimmt sich die undurchsichtige Marisa Coulter (herrlich ambivalent: Nicole Kidman) dem neugierigen Mädchen an. Bald schon muss Lyra feststellen, dass Mrs. Coulter Geheimnisse hat- und offenbar nicht ihr Bestes will. Daraufhin flieht sie- und weiss noch nicht, dass sie erst am Beginn des größten Abenteuers ihres Lebens steht...
Ach ja: es hätte so schön werden können. Eine tolle Romanvorlage, ein talentierter Regisseur und eine aus scheinbar nur talentierten Darstellern bestehende Besetzung ließen die Erwartungen für diese neue, anvisierte Fantasytrilogie in die Höhe schnellen. Doch mit dem Kinostart kam die Ernüchterung: verhaltene Kritiken und ein hinter den Erwartungen zurückbleibendes Einspielergebnis, ließen die Verfilmung der restlichen beiden "His Dark Materials"- Bände von Philip Pullman plötzlich mehr als unwahrscheinlich werden. Noch scheint die Entscheidung diesbezüglich nicht endgültig getroffen zu sein, da der Verleih New Line Cinema wohl noch die DVD-Verkäufe abwartet. Aber selbst wenn die Gewinnzahlen dadurch wieder etwas mehr nach oben korrigiert werden, bleibt immer noch die Frage, ob man wirklich weitermachen sollte!
"Der goldene Kompass" krankt nämlich an so einigen Mängeln und Fehlentscheidungen, über die man nicht so einfach hinwegsehen kann. Das größte Problem ist dabei leider seine Hauptdarstellerin. Was die Casting-Beauftragten geritten hat, dass sie Dakota Blue Richards die Rolle der Lyra gegeben haben, weiss der Teufel! Es mag ja noch einigermaßen nachvollziehbar sein, dass man einen Newcomer engagiert, ein unverbrauchtes Gesicht, das dem Zuschauer nicht schon in unzähligen Produktionen zuvor vor die Nase gehalten wurde. Jemanden, dem man seine (Helden-)Rolle somit leichter abnehmen kann und der aufgrund seiner Frische eine größere Identifikation beim Publikum hervorrufen kann. So geschehen bei "Harry Potter" mit Daniel Radcliffe, der zwar zu Beginn noch etwas überfordert wirkte, mit jedem weiteren Teil der Reihe aber deutlich an seinen Aufgaben wuchs. Und sogar Elijah Wood ("Herr der Ringe") und Tobey Maguire ("Spiderman") waren eher als Charakterdarsteller und weniger für hochbudgetierte Blockbuster bekannt. Man möchte den Verantwortlichen für das "goldene Kompass"-Casting also nicht vorwerfen, dass sie sich ebenfalls dieser bewährten Methode bedient haben. Zumal ihr Film mit Kidman, Craig und Co. ja ohnehin nicht aus No-Names besteht. Doch angesichts der krassen Fehlbesetzung mit Blue Richards, hätte man sich dann doch lieber eine andere Dakota geünscht- nämlich die um Welten bessere Fanning, die schon Spielbergs "Krieg der Welten" und Mike Meyers albernen Comedy-Zirkus "Ein Kater macht Theater" aufgewertet hat. Leider Gottes kommt Dakota Blue Richards nämlich arg unsympathisch herüber und wirkt die ganze Zeit so, als hätte ihr Regisseur Chris Weitz eröffnet, dass ihr die Gage gestrichen wird. Was angesichts ihrer Leistung übrigens keine schlechte Idee gewesen wäre! Tatsächlich wirkt Lyra nun durchgängig zickig, egoistisch und alles andere als liebenswert, was kein Wunder ist, wenn Blue Richards kaum eine andere Mimik zustande bringt, als die einer Flappe von mindestens drei Tagen Regenwetter. Dass "Der goldene Kompass" somit ein echtes Problem hat, dürfte keine Überraschung sein, ist Dakota Blue Richards doch in so gut wie jeder Szene zu sehen und stellt im Endeffekt ja auch die eigentliche Bezugsperson für den Zuschauer dar. Wenn man ihr dann ständig wünscht, doch einem vorzeitigen Tod zum Opfer zu fallen, dürfte deutlich werden, dass beim Casting etwas gehörig schiefgelaufen sein muss.
Das ist aber nicht das einzige Manko, denn leider ist auch das Drehbuch ein Totalausfall geworden. Die Dialoge sind schlicht und ergreifend platt, teils unfreiwillig komisch, dann wieder erschreckend nervtötend und so aufdringlich, als würde es nur darum gehen, dem Zuschauer möglichst schnell alle nötigen Informationen zukommen zulassen. Ein Fehler, denn wer das Buch nicht kennt, dem dürfte gerade zu Beginn gehörig der Kopf schwirren. So gestaltet sich die Exposition recht wirr und zäh, da der Zuschauer erst einmal versuchen muss, bei dem Wust an Infos auch wirklich alles zu behalten.
Hinzu kommt eine Inszenierung, die recht uninspiriert geraten ist (was auch für den Soundtrack gilt) und sich in erster Linie an bekannten Vorbildern orientiert (und da von der Machart her besonders an "Harry Potter" und weniger an "Herr der Ringe", wie es so mancher Schreiberling großspurig herausgeblökt hat), ohne jedoch deren Klasse zu erreichen. Hier zeigt sich, dass Chris Weitz (einer der Co-Regisseure von "American Pie") wohl lieber bei nicht-phantastischen Streifen wie seiner gelungenen "About a boy"- Adaption bleiben und den Rest Jackson, Cuaron, Del Toro und Co. überlassen sollte. Weiterhin lässt sich feststellen, dass sich der Film nicht entscheiden mag, ob er nun lieber Kinder oder Erwachsene ansprechen will. So fällt "Der goldene Kompass" trotz FSK 12-Freigabe über weite Strecken deutlich harmloser aus, als z.B. die "Potter"-Filme. Wenn dann aber doch mal einem Eisbären der Unterkiefer rausgerissen wird oder sich im finalen Showdown einige härtere Momente ergeben, wirkt dies nicht selten reichlich aufgesetzt und nur wie der bemühte Versuch, es auch jedem recht zu machen. In dieser Heischung nach Gefälligkeit scheint sich auch die verhältnismäßig kurze Laufzeit zu begründen, denn gerade mal 105 Minuten sind für ein Epos nun einmal viel zu wenig. Und wenn man bedenkt, dass es sich hierbei immerhin um den Auftakt zu einer Trilogie handelt, darf schon das große Grübeln einsetzen, warum denn nicht etwa eine Stunde mehr zur Verfügung gestellt wurde. Kein Wunder also, dass der Film gerade zu Beginn sehr gehetzt daherkommt und die Zeit für tiefschürfende Charakterzeichnungen fehlt.
Wenn der Streifen aber letzten Endes gerade noch das Prädikat "arg durchschnittlich" erreicht, hat er das vor allem dem restlichen Cast zu verdanken. So ist Nicole Kidman ein echter Glückstreffer als zwielichtige Mrs. Coulter und auch Daniel Craig kann für Wohlwollen sorgen (wenn auch mit deutlich weniger Screen-Time). Seine "Casino Royale"-Partnerin Eva Green (als Anführerin der Hexen) hat sogar noch weniger zu tun als er, macht ihre Sache aber mehr als gut. Auch über Sam Ellitot kann man sich nicht großartig beklagen, obschon er in seinem Cowboy-Part bisweilen etwas dick aufträgt.
Die Effekte wiederum fallen eher durchwachsen aus. Da ist es schon eine echte Überraschung, dass der Film bei den diesjährigen Academy Awards den "Oscar für die besten Spzialeffekte" einheimsen konnte. Fürs Auge wird dennoch einiges geboten, was aber in erster Linie Landschaftsaufnahmen und Bauten betrifft.
Fazit: "Der goldene Kompass" erweist sich leider als recht mäßiges, weil allzu kalkuliertes und seelenloses Fantasy-Adventure, das wohl eher Kinder und anspruchslose Vielseher begeistern dürfte. Allen anderen bleibt ein Film der verschenkten Möglichkeiten, bei dem vor allem das Skript und die Wahl der Hauptdarstellerin verärgern. Schade, dass aus dem interessanten Stoff, einigen opulenten Bildern zum Trotz, nicht mehr gemacht wurde. Sollte tatsächlich eine Fortsetzung angegangen werden, hier nur drei Tipps: 1. Dakota Blue Richards ersetzen, 2. Regisseur und Drehbuchautor Chris Weitz feuern und 3. die Casting-Abteilung austauschen. Dann kann das Ruder möglicherweise doch noch rumgerissen werden!
Ganz knappe 5/10 Punkten