"Das Messer" im Wasser ist Polanskis erster abendfüllender Spielfilm, und wie das mit den Erstlingswerken in aller Regel der Fall ist, so standen auch dem Meisterregisseur kaum Geldmittel zur Verfügung. Dementsprechend minimalistisch ist sein Debüt dann auch ausgefallen: Drei Menschen und ein Boot, mehr braucht Polanski nicht.
Die Ausgangssituation ist schnell erzählt: Der Sportreporter Andrzej und seine Frau Jolanta planen einen kurzen Bootstrip auf der masurischen Seenplatte. Auf dem Weg dorthin lesen sie einen jungen Studenten auf, den beide kurzentschlossen mit auf ihr Boot nehmen.
Schnell bilden sich Spannungen zwischen beiden Männern, aber wer jetzt nach der Ausgangssituation "Paar nimmt Anhalter mit" und dem im Filmtitel versteckten Messer an einen Vorreiter heutiger Teenie-Schlitzerfilme denkt, der ist gewaltig auf dem Holzweg. Obwohl sich bald unterschwelliges Gewaltpotential aufbaut, ist "Das Messer im Wasser" mehr existenzielles Drama mit Sozialkritik, als ein Thriller.
Betrachtet man die Figuren genauer, erkennt man schnell das wahre Asinnen Polanskis: Andrzej, der Sportredakteur, ist ein Spießbürger wie er im Buche steht. Seine Ideale, die er einst als Student hatte, sind längst über Bord geworfen, sodass er mittlerweile ein Großverdiener mit Machtansprüchen ist, vor allem was seine Frau angeht. Die ist deutlich liberaler und weltoffener eingestellt als ihr Gatte, hat aber keine andere Wahl, als ihn zu tolerieren. Demgegenüber steht nun ein junger, rebellischer Freigeist, der schnell auf Konfrontationskurs mit dem konservativen Andrzej geht.
Nicht umsonst bleibt der Student, den das Ehepaar mitnimmt, ohne Namen. Die Person im Detail ist nicht wichtig, denn sie steht sinnbildlich für die aufstrebende Jugendbewegung im sozialistischen Polen der 60er Jahre, für Rebellentum und Provokation, während Andrzej das Regime verkörpert. Andrzej nimmt den jungen Mann schließlich nur auf sein Boot mit, um sofort seine Macht auszuspielen; er will dem Grünschnabel zeigen, wer in der Hierarchie oben steht. Nicht umsonst nennt er ihn desöfteren einen "Bengel", der von Sachen wie der Schifffahrt sowieso keine Ahnung hat. Der Student lässt sich dennoch nicht einschüchtern, sondern provoziert vielmehr noch weiter. So baut sich immer mehr Konfliktpotential auf, das ca. 25 Minuten vor dem Ende seinen Höhepunkt findet, als der Student von Andrzej über Bord geworfen wird.
Jolanta nutzt dies zunächst, um ihren Gatten als das zu bezeichnen, was er ist (ein Spießer), sie sich jedoch nie richtig zu sagen getraut hat. Und als ob das nicht genug wäre, betrügt sie Andrzej mit dem jungen Mann, der kurze Zeit später wieder auftaucht, als Andrzej schwimmen ist. Seine rebellische Ader, seine Ideale erinnern sie an den jungen Andrzej, und die stets mitschwimmende unterschwellige Erotik, die vor allem von Jolanta ausgeht, mündet in diesem Seitensprung.
Ob diese Zusammenführung dreier Personen etwas am vorherrschenden Zustand geändert hat, lässt Polanski offen. Am Ende steht der Wagen mit Andrzej und Jolanta an einer Wegzweigung und Andrzej muss sich entscheiden, ob er rechts zur Polizei fährt (er hält den Studenten noch immer für ertrunken) oder nach links abbiegt und somit aus seiner Verantwortung flüchtet. Jolanta gibt äußerlich exakt die gleiche unterwürfige Ehefrau ab wie zu Beginn, doch hat sie sich merklich von ihrem Mann emanzipiert, ja, sie gibt sogar ihre Affäre mit dem Studenten zu, was Andrzej jedoch nicht glauben mag.
Bemerkenswert, was Polanski also aus diesem megasimplen Plot alles herauszuholen vermag. Dennoch ist der Film für heutige Verhältnisse enorm sperrig, baut wenig Spannung auf, obwohl man dunkle Vorahnungen hat, was die Konfrontation der beiden Männer und das mehrfach in Großaufnahme ins Bild gerückte Messer angeht. Dass das Drehbuch für 90 Minuten doch recht dürftig ist, zeigen mehrere Lückenfüller, meistens Außenaufnahmen des dahinsegelnden Bootes. Tatsächlich hätte man die ganze Geschichte auch in einer Stunde erzählen können.
Man tut sich mit dem Konsum dieses Streifens sicher leichter, wenn man weiß, was einen erwartet, denn Polanski, der bei uns mit "Rosemarys Baby", "Die neun Pforten", "Chinatown" usw. feuchte Hände verursachte, erweist sich in diesem Fall als Meister der Parabel. Für die Mittel, die ihm zur Verfügung standen, ist das sicher ordentlich und wer gerne Charaktereigenschaften auslotet, wird daran seine helle Freude haben. Ich für meinen Teil bevorzuge spätere Werke Polanskis bei weitem.