Gott, was hat die Fach- und Genrepresse auf den armen "Fall 39" eingeprügelt.
Mies, fade, ausgelutscht, das war weithin zu lesen; den armen Film hatte man aufgeschoben bis eingelagert und dann doch wieder aufgetaut, so daß Deutschlandexport Christian Alvart plötzlich zwei Regiearbeiten gleichzeitig am Start hatte (zusammen mit dem ordentlichen "Pandorum"). Und Renée "Mumpsgesicht" Zellweger kann ja erklärtermaßen sowieso keiner leiden.
Doch dann: Surprise!
So furchtbar schlimm ist das fertige Ergebnis nun auch wieder nicht geworden, wenn auch meilenweit von jeglicher Originalität entfernt. Und dem fast parallel gestarteten Referenzstück "Orphan" gegenüber ziemlich eindimensional, aber man kann ja nicht alles haben.
Was man bekommt, ist die die 194.Auflage des Themas "Böse Bratzenkinder", wie die armen Eingeweihten der schon sämtliche Suspenseszenen vorwegnehmende Trailer informiert hat (wenn dieser auch irrtümlich den Eindruck erweckt, das Kind wäre in Gefahr vor dämonischen Aktivitäten). Diesmal aus der Sicht der gebeutelten Jugendbehörde, für die Frau Zellweger arbeitet und bei der sie ihren 39.Arbeitsfall auf einmal abstaubt: ein kleines Mädchen namens Lilith (oha, wer mal in der Bibel oder den Apokryphen schnuppert, hätte es bei dem Namen natürlich kommen sehen), das in seinen Schulleistungen arg abbaut, während ihre Eltern einen sozial angeknacksten und unmenschlichen Eindruck machen.
Prompt stopfen sie bei Gelegenheit die Gute in den Ofen und planen ein grimmiges "Gretel gut durch", was die aufrechte Sozialarbeiterin natürlich zu verhindern weiß. Und wie das so ist in formularischen Horrorfilmen, kriegt sie bei bettelnden Aufenthaltsgesuchen schon bald erst feuchte Augen und dann das Sorgerecht.
Womit die Grütze dann auch schon in den Ventilator fliegt, denn natürlich verwandelt sich der brünette Traumengel alsbald in einen fiesen, dämonischen Möpp, der mit glockenheller Stimme sämtliche "Ich bin ein fieses Arschloch und dir über!"-Fäden im Hintergrund zieht, damit die aufrechte Helferin exakt genau das durchlebt, was schon die Eltern mitgemacht haben.
Natürlich ext man nicht so einfach eine schulpflichtige Grundschülerin weg, bis es soweit ist, müssen sämtliche Freunde, Bekannte und Bettgespielen (hier haben wir Shooting Star Bradley Cooper in einer juvenilen Psychologenrolle am Start) erst einmal dran glauben, nachdem man ihre größten Ängste aus ihnen herausgekitzelt hat.
Klar, "Fall 39" ist so subtil wie eine Mausefalle und schreit seine fortwährenden Storyentwicklungen schon meilenweit im Voraus heraus, wobei negativ anzumerken wäre, daß etwa ab Minute 25, sobald das Mädel am Ziel ihrer Wünsche (nämlich die nächste Mama zu haben) angekommen ist, der Film stromlinienförmig auf den Showdown zufließt, wo sich der Regisseur vom Dienst dann nur noch entscheiden muß, ob er das gute oder das böse Ende wählt.
Bis es soweit ist, macht Alvart einen soliden, wenn auch unaufregenden Job, wenn auch die ansteigende Hysterie der Hauptfigur, inclusive ihres Heulpotentials dann schon mal die Geduldsprobe auslösen. Große Überraschungen sind nicht zu erwarten, dafür erleidet in der vielleicht besten Sequenz des Films Schönling Cooper ein schlimmes Schicksal, das mit einer enormen Menge Hornissen zu tun hat und allen insektophoben Zuschauern die Härchen aufstellen läßt.
Irgendwann läuft sich aber auch der schönste Belagerungszustand tot und nachdem dann die gesamte Existenz unserer überforderten Arbeitnehmerin vernichtet wurde, kommt es endlich zur finalen Konfrontation - nicht eben spektakulär oder folgerichtig oder sonstwie logisch (die dämonischen Instinkte des Kinds sind ebenso wenig genau definiert wie nur sporadisch aktiv), aber immerhin als Mittel der Erlösung. Auf eventuelle Wurzeln oder Hintergründe verzichtet der Plot, hier haben wir also einfach mal eine Angestellte, die dummerweise einen reinkarnierten Dämon adoptiert hat - kann ja jedem passieren.
Frau Zellweger hat sich mit der Rolle vermutlich keinen Gefallen getan, aber so viele gute Angebote sind ja auch nicht im Hut, ansonsten machen Cooper und der ebenso unterforderte Ian McShane (als Polizist) das Beste aus ihren "supporting roles". Jodelle Ferland, die deutlich jünger wirkt als die zwölf Jahre, die sie beim Dreh alt war, ist zwar ausgesprochen hassenswert, allein mangelt es am Glanz der Rolle, die nur Standards bedient.
Bemerkenswert an der DVD-Fassung ist übrigens das Vorhandensein von knapp einer halben geschnittener bzw. anders ausgeführter Szenen (wobei der Film an sich schon länger ist als ein typischer DTV-Schnellschuß), die im übrigen in zwei, drei Fällen die besseren Varianten darstellen (bspw. bei der Umsetzung eines erklärenden Interviews mit der verhafteten Mutter und im Falle des Todes einer der Nebenfiguren, die hier endlich zu einem spektakuläreren und auch im Trailer verewigten Ende kommt.
So ist "Fall 39" weder besonders gut, noch besonders schlecht (außer, man hegt Haßgefühle gegen die Optik der Hauptdarstellerin), sondern solide Ware von der Stange, die passabel und technisch versiert unterhält, jegliche Form der Überraschung jedoch vermeidet.
Definitiv ein Film für Leute, die sich gern vor ihren Fernseher stellen und die Hauptfigur anfeuern, doch endlich das Kackgör zu killen. (5/10)