Dieses Meisterwerk von Regisseur John Sturges, der unter anderem für „Die glorreichen Sieben“ verantwortlich war, heißt im Original „The Great Escape“, was eigentlich viel passender ist. Die große Flucht aus einem Nazi-Gefängnis hat nämlich tatsächlich stattgefunden: amerikanische und britische Kriegsgefangene türmten im großen Maßstab. Dass diese Flucht für die meisten ein böses Ende nehmen sollte, steht erst einmal auf einem anderen Blatt, denn bis die Handlung so weit fortgeschritten ist, nimmt sich „Gesprengte Ketten“ dem ernsten Thema Krieg geradezu heiter an. Neben vielen flotten Sprüchen sind vor allem die lockere Inszenierung und die tollen Schauspieler dafür verantwortlich, dass die Laufzeit des recht langen Streifens dahinschmilzt, wie eine Eiskugel in der Sonne und dabei auch soviel Spaß macht.
Ähnlich wie in „Die glorreichen Sieben“ versammelte Sturges eine wahre Flut an erstklassigen Schauspielern vor der Kamera, die allesamt auch gut aufgelegt waren. Steve McQueen verfestigte seinen Ruf als junger Draufgänger. Er ist der typische unbekümmerte amerikanische Sonnyboy, der sich nicht einschüchtern läßt. Richard Attenborough ist der Kopf des Ausbruchs. Er koordiniert und kontrolliert die vielfältigen Fluchtmaßnahmen. Dabei gestaltet er seine Figur sehr tiefgründig und nachdenklich. James Garner, Charles Bronson und James Coburn können ebenso überzeugen. Es macht wirklich Spaß diese Größen des Films zusammen auf der Leinwand zu sehen. Hervorzuheben sind noch Donald Pleasance, der einen sehr leisen, aber enorm liebenswerten Charakter spielt, der unter fast völliger Blindheit leidet. Das Spiel ist so gelungen, dass man seine Figur andauernd in den Arm nehmen möchte. Dass Pleasance dennoch einige Szenen hat, in denen er verschmitzt sein kann, spricht nur für die Qualität dieses Schauspielers, die er in seinen letzten Filmen, in viel zu vielen miesen Fortsetzungen des genialen „Halloween“ von John Carpenter verschwendete. Des weiteren soll an dieser Stelle noch Hans Messemer hervorgehoben werden, auch stellvertretend für einige deutsche Schauspieler. Er spielt den Gefängnisleiter ganz anders, als vermutet. Obwohl er einen deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg darstellt, ist seine Rolle geradezu sympathisch. Die Machenschaften der Nazis sind ihm beinahe unangenehm und er ist sehr um das Wohl seiner Gefangenen bemüht. Seine Figur ist weit davon entfernt, der böse Durchschnitts-Klischee-Nazi zu sein, den man aus anderen Filmen kennt. Diese differenzierte Darstellung ist zum Einen das Verdienst Messemers und anderer deutscher Darsteller, aber natürlich auch das Ergebnis des wunderbaren Drehbuchs, das zwar natürlich ein ur-amerikanisches Thema aufgreift („Wenn man zusammenhält und es nur fest genug will, kann man alles schaffen“), doch dabei nicht in eine zu patriotische Sicht verfällt, die die Deutschen zu seelen- und hirnlosen Monstern degradiert. Dass ein wahrer und letztlich tragischer Vorfall auf diese Art und Weise verfilmt wurde, macht den Film außergewöhnlich.
Außergewöhnlich ist auch die Musik, die eine weltbekannte Melodie enthält, die wohl jeder schon mal gehört hat. Auch der übrige Score von Elmer Bernstein ist dem Geschehen absolut angemessen und trug zum verdienten Erfolg dieses Streifens das übrige bei. Wirklich rund konnte der Film trotz der schon gelobten Zutaten nur durch eine geschickte Inszenierung werden, die Sturges auch famos gelang. Trotz der enormen Lauflänge und der vielen Nebengeschichten unterhält der Film locker. Erreicht wird dies durch die dynamische Inszenierung, die sich vor allem den technischen Kniffen und dem Voranschreiten des Ausbruchs widmet. Dabei gibt es immer wieder beeindruckende visuelle Einfälle, wie z.B. die vielen Tunnelsequenzen, in denen die Protagonisten auf engstem Raum auf einer improvisierten Lore bäuchlings rollten.
„Gesprengte Ketten“ ist ganz großes Kino, keine Frage. Die tollen Darsteller, die fesselnde (und wahre) Story, die überaus memorable Musik und die dynamische Inszenierung trugen dazu bei, ein Meisterwerk zu schaffen, das überhaupt keinen Staub angesetzt hat, und das man sich immer wieder gern ansieht. Viel größere Komplimente kann man einem Film eigentlich gar nicht machen, doch „Gesprengte Ketten“ verdient sich diese in jeder Filmminute, in der die teilnehmenden Leinwandlegenden zu sehen sind. Dass der Film trotz des eigentlich bitteren Endes und der ernsten Thematik so überaus positiv im Gedächtnis bleibt, ist eine der größten Qualitäten dieses Klassikers von 1963. Welchen Einfluß der Film auf andere Filmemacher hatte, läßt sich z.B. daran erahnen, dass es eine gelungene Trickfilmhuldigung von dem Stoff gibt: „Hennen Rennen“ von Nick Park („Wallace und Gromit“) erzählt die gleiche Story nocheinmal, allerdings mit Knetgummihühnern. Dass dabei manche Szenen sehr ähnlich nachgestellt werden und auch die bekannte Musik verwendet wird, macht diesen Film zu einem wahren Fest für den Fan von „Gesprengte Ketten“. Insofern kann dieses Review direkt zwei Filme empfehlen und das ist doch mal was, oder?
Fazit:
10 / 10