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In Truffauts Filme waren immer autobiografische Züge zu erkennen, wenn auch nicht jedes Mal so direkt wie in der Figur seines Alter Ego - Antoine Doinel ("Sie küssten und sie schlugen ihn"). Der Frauenheld Bertrand Morane scheint dagegen äußerlich wenig mit ihm zu tun zu haben, ist bei genauerer Betrachtung aber eine kongeniale Umsetzung Truffautscher Empfindungen, denn „Der Mann, der die Frauen liebte“ ist Niemand anderes, als der Meister selbst.

Sein Film ist eine Hommage an das weibliche Geschlecht, das seine Kamera aus vielen Blickwinkeln einfängt. Schon zu Beginn lässt er sie auf dem Friedhof reihenweise auftreten, als sie dem verstorbenen Bertrand Morane (Charles Denner) die letzte Ehre erweisen. Es handelt sich um die unterschiedlichsten Typen, junge und ältere, blonde und dunkelhaarige, sehr schlanke und kräftigere – sein Blick ist niemals bewertend und allen sieht er direkt ins Gesicht. Doch sein Augenmerk gilt besonders ihrem Gang und den sich daraus ergebenden fließenden und anmutigen Bewegungen. Erstaunlicherweise hat dieser Blick niemals etwas voyeuristisches an sich, obwohl er konkret hinsieht. Diese Begeisterung überträgt sich auch auf den Betrachter, der spürt, dass Truffaut mit der Kamera seine Liebe für die Frauen erklärt.

Eine Liebe, die sich auch in der Figur des Bertrand Morane zeigt, womit das Geheimnis seines Erfolges bei den Frauen schon gelüftet ist. Denn Morane ist ein kompletter Gegenentwurf zu einem typischen Frauenhelden, auch wenn alle äußerlichen Anzeichen erst einmal in diese Richtung deuten. Geschickt spielt Truffaut hier mit dem Image des Schwerenöters, indem er ihn zu Beginn bei der Jagd auf eine schöne Frau zeigt. Morane hatte nur durch ein Kellerfenster einen Blick auf ihre anmutigen Beine werfen können, war spontan aus dem Laden gelaufen, konnte aber nur noch das Kennzeichen ihres Fahrzeuges erhaschen. Um ihren Namen heraus zu bekommen, fingiert er einen Versicherungsfall und erhält so nach einigen Umwegen ihre Adresse. Er ruft sie an und verabredet sich mit ihr in einem Café. Als eine junge und hübsche Frau in Hosen erscheint, erlebt er seine erste Enttäuschung, die sich noch verstärkt, als er erfährt, dass es sich bei der gesuchten Person um deren Cousine handelt, die weit entfernt im Ausland lebt.

Obwohl Moranes Aktionismus alle Ingredenzien playboyscher Verfolgungsjagden beinhaltet, erkennt man spätestens in der letzten Szene den Unterschied. Denn Moranes Interesse an den Frauen ist nicht beliebig, weshalb er die attraktive Martine (Nathalie Baye), die ihn über seinen kurzfristigen Irrtum aufklärt, unmittelbar darauf zurücklässt. Charles Denner wirkt trotz seines häufigen Erfolges bei den Frauen immer etwas melancholisch und verschlossen und selbst in freudigen Momenten niemals großspurig oder selbstverliebt. Das unterstreicht auch die Optik des Mannes Mitte Vierzig, der zwar ein gepflegtes und nicht unmodernes Äußeres besitzt, aber auf jegliche Manierismen verzichtet.

Nach dieser Enttäuschung beginnt er seine Erfahrungen mit den Frauen in einer Art autobiografischer Roman aufzuschreiben und man erkennt schnell darin auch eine Aufarbeitung seines Lebens. Zwar sind seine Geschichten, von denen einige Truffaut im Bild zeigt, von erotischen Erfolgen geprägt, aber immer voller Ernst im Umgang, selbst wenn sich dieser auf nur eine Nacht beschränkt. Es existieren weder Trennungsstreitereien noch brüske Zurückweisungen, da die Frauen Moranes echtes Interesse an ihnen spüren. Erst spät erkennt der Betrachter, dass hier auch eine verletzte Seele agiert. Als ihm in Paris zufällig eine Frau begegnet, deren Trennung er offensichtlich nicht überwunden hatte – sie hatte er in seinem Roman mit keinem Wort erwähnt.

Ein besonders schönes Stilmittel in Truffauts Filmen liegt darin, eine dritte Ebene hinzuzufügen, die innerhalb des Films, diesen thematisch kritisiert. Damit spielt er auf seine eigene Kritikertätigkeit an und hält zudem noch der Meinung des Publikums den Spiegel vor. So zeigt er die Lektorenkonferenz, die über eine mögliche Veröffentlichung von Moranes Roman befinden soll (und damit gleichzeitig den Film bis zu diesem Zeitpunkt bewertet). Die drei männlichen Lektoren lehnen den Roman ab, da sie ihn selbstverliebt und angeberisch finden. Allein die Tatsache, dass hier ein Mann eine große Zahl eigener Liebschaften beschreibt, genügt ihnen schon, diesen zu verurteilen. Sehr schön karikiert Truffaut damit, wie sehr die eigenen männlichen Sehnsüchte eine objektive Wahrnehmung der geschilderten Ereignisse verhindern – nur Geneviève (Brigitte Fossey), die einzige weibliche Lektorin, erkennt die Qualitäten, aber ist sie nicht letztlich ebenso subjektiv ?

Doch trotz seines autobiografischen Romans gibt es für einen Frauenliebhaber wie Morane keine wirkliche Lösung. Seine Sucht und fortwährende Suche hat nichts mit Unreife oder gar einer Erfüllung seines Egos zu tun, sondern ist nur der Tatsache geschuldet, dass ihm seine Begeisterung keine Ruhe lässt und er, gerade frisch verliebt, schon die nächste Schönheit auf der anderen Seite der Strasse wahrnimmt. Truffauts Lösung ist der Tod, den er im Film schon vorwegnimmt, weil dieses Ende nicht Trauer bedeutet, sondern die Möglichkeit erzeugt, dass hier einem Mann die verdiente Ehre erwiesen wird – dem Mann, der die Frauen liebte.

Fazit: Truffauts Film ist eine amüsante, schnell und abwechslungsreich erzählte Geschichte über die Liebesabenteuer eines Mannes, der diese an Hand eines autobiografischen Romans noch einmal vor seinem inneren Auge ablaufen lässt.

Nicht nur, dass dieser Bertrand Morane nichts von einem typischen Schürzenjäger hat, spätestens mit der Fertigstellung des Romans nimmt der Film eine weitere Ebene ein, in welcher er dieses Leben (und damit den Film) beurteilt und damit verdeutlicht, dass er hier seine eigenen Sehnsüchte und seine Liebe zu den Frauen mit der Figur des Bertrand Morane, die er konsequenterweise zum Schluss sterben lässt, personalisiert hat (8,5/10).

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