In diesen vom Virus verseuchten Zeiten hat man als glänzendere Kehrseite der Medaille in der auferlegten Halbquarantäne die Möglichkeit, sich mit den unterschiedlichsten Endzeitszenarien der Filmgeschichte zu beunruhigen. Während der Virusklassiker "Outbreak" von Wolfgang Petersen als Happy-End-Variante in den letzten Tagen mehrfach rezensiert wurde und der mittlerweile zum Klassiker avancierte und ungleich düsterere "28 Days Later" als mediale Therapie im Sinne eines "Es könnte noch schlimmer kommen"-Mantras Verwendung fand, widme ich mich einem der Klassiker des Genres, der in seiner Bedeutung tatsächlich ein so großes Ansehen genießt, dass er mittlerweile und mit breitem Zuspruch auch als Filmklassiker jenseits der Genregrenzen gesehen wird.
Filmhistorisch ist "Dawn Of The Dead" von 1978 tatsächlich ein ziemlich unübersichtliches Kapitel. Von vornherein in zwei Schnittversionen auf den us-amerikanischen und europäischen Markt gebracht, wurden in Folge der langen und schmerzlichen Zensurgeschichte des Films diverse Lang- oder Umschnittfassungen auf den unterschiedlichsten Labels veröffentlicht. Kaum war eine neue Version da, schlug auch schon die Zensur unter dem Deckmantel der Inhaltsgleichheit zu, ob das nun zutraf oder nicht. Die verstümmelten, aber dennoch in bester Abzockmanier "Langfassung" genannten, FSK-16-Versionen lassen wir dabei mal ganz außen vor.
Das ganze Gewese hat hierzulande wohl noch zum Status des Films beigetragen, der heute als das Maß aller Dinge in Sachen "Zombiefilm" gilt.
George A. Romero hatte mit "Night Of The Living Dead" bereits einen Klassiker am Start, der erzählerisch Blaupause für die höher budgetierte und knapp ein Jahrzehnt später gedrehte Version war. Als Fortsetzung kann man "Dawn Of The Dead" trotz chronologischer Brüche zwar sehen und man spricht inklusive des Nachfolgers, der dann folglich der "Day Of The Dead" sein musste, von einer Trilogie, die dann ab 2005 noch auf geschätzt 6 Teile erweitert wurde, jedoch sind die Filme von 1969 und 1979 formal zu unterschiedlich.
In formaler Hinsicht bildet "Zombies im Kaufhaus", so einer der wunderbar unglücklichen deutschen Titel, tatsächlich den Höhepunkt der gesamten Zombiesaga. Es wurden Genrestandards ausdefiniert, die für alle Nachfolger und Nachahmer unbedingte Geltung haben sollten. Wesentlich ist dabei der Gewaltgrad der Zombiefilme, der neben der wichtigsten Weisheit "Ziel auf den Kopf!" auch dem Kannibalenfilm ähnliche Fressexzesse etablierte. Ein Zombiefilm ohne beißwütige Zombies und Headshots ist eigentlich gar kein Zombiefilm.
Die Allegorie auf die westlichen Gesellschaften, die sich aus sich selbst heraus zerlegen, ist dabei unübersehbar, kann aber auch noch heute den Zuschauer für sich gewinnen. Nicht umsonst ist 40 Jahre später die Zombiethematik absoluter Kulturstandard geworden. Sei es die Fernsehserie "The Walking Dead", weitere Kinofilme im kastrierten Mainstream wie "World War Z" oder das obligatorische Zombie-Add-On für einen Großteil der Videospiele. Zudem gibt es das merkwürdige Phänomen der "Zombie Walks". Die Menschheit ist doch irgendwie mittlerweile nicht mehr ganz dicht. Auch die Kleinsten vergnügen sich an Halloween mit Verstümmelungen per Make Up.
Wobei man trennen muss: In den USA gehörten Zombies in den Achtzigern ebenso zum Zeitgeist wie Pepsi, Michael Jackson (siehe "Thriller") und Schulterpolster.
Tom Savinis herbe Effekte verhalfen damals "Dawn Of The Dead" zu einem üblen Ruf und der Zombie gehörte dann in Deutschland in die Schmuddelecke. Dabei half dann noch der wildwuchernde Videothekenmarkt, der gerade solche Titel als Einnahmequelle sah und noch relativ unkontrolliert und ungebremst Gemetzel in die Haushalte schicken konnte. Ein schönes Zeitzeugnis ist hier die Dokumentation "Mama, Papa, Zombie" von 1984, in der ein Zusammentreffen von derlei Filmen und Menschen außerhalb der Zielgruppe thematisiert wird. Wie der Name bereits andeutet, waren es gerade die den Bodyhorror betonenden Zombies, die die Öffentlichkeit in Aufruhr versetzten und das wurde demnach auch dem Aushängeschild "Dawn Of The Dead" zum Verhängnis, wobei ganz eindeutig gesagt werden muss, dass der unleugbare Tiefgang dieses Hauptwerks allen italienischen/europäischen und amerikanischen Nachahmern abging. So kann man auch die Sichtweise vertreten, dass nicht „Dawn of the Dead“ selbst, sondern vielmehr die Welle an mittelmäßigen bis schlechten Trittbrettfahrern den Ruf des Films nachhaltig geprägt habe.
Offensichtlich hat sich der Film inzwischen aber aus der Schmuddelecke befreit. Die FSK hat ihn nach nunmehr 37 Jahren endlich ungeschnitten freigegeben.
Fazit
Wer sich den Klassiker ansehen möchte, hat zunächst das Problem, den Film hierzulande immer noch nicht erwerben zu können. Sollte es doch gelingen, muss man auch etwas Sitzfleisch mitbringen. Jedoch wird man durch eine grundsolide Story, ein beängstigendes Setting, etwas veraltete aber durchaus charmante und harte Gewalteffekte und einen spitzenmäßigen Soundtrack vertröstet. Die Summe all dessen macht für mich "Zombies im Kaufhaus" (Ich liebe diesen Titel!) zum besten Genrebeitrag aller Zeiten.
Hart, pessimistisch, sehr eigensinnig und gerade dadurch faszinierend. Nur die unterschiedlichen (nicht) verfügbaren Versionen sind sehr verwirrend.