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„Du hast ‘n Braten in der Röhre!"

Nach der Satire „Thank You For Smoking” wurde die Teenager-Schwangerschafts-Dramödie „Juno“ Jason Reitmans zweiter abendfüllender Spielfilm. Ivan Reitmans Sohn gelang damit der US-Überraschungserfolg des Jahres 2007.

„Tut mir leid, dass ich Sex mit dir hatte!“

Die 16-jährige Juno (Ellen Page, „An American Crime“) ist ungewollt von ihrem Mitschüler Bleeker (Michael Cera, „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“) schwanger – an dieser Erkenntnis ändert auch ein Schwangerschaftstest nach dem anderen nichts. Mit der Rolle als werdende Mutter kann sich das Mädchen nur wenig anfreunden. Abtreibungspläne sind jedoch auch schnell wieder vom Tisch, die entsprechende Klinik bereitet ihr Unbehagen. Also entschließt sich Juno, Adoptiveltern für das Kind zu suchen. Sie eröffnet ihrem Vater (J.K. Simmons, „The Gift – Die dunkle Gabe“) und ihrer Stiefmutter (Allison Janney, „Der Eissturm“), was passiert ist, und scheint im von einem starken Kinderwunsch getriebenen Paar Vanessa (Jennifer Garner, „Catch Me If You Can“) und Mark Loring (Jason Bateman, „Teen Wolf 2“) die idealen Ersatzeltern gefunden zu haben…

Es passiert immer wieder und ist für gewöhnlich Anlass für viel Aufregung – und für schwere Sozialdramen oder auch verbittert geführte, moralinsaure religiöse und ideologische Auseinandersetzungen: Ungewollte Schwangerschaften Minderjähriger. „Juno“ tritt an, mit all dem zu brechen. Erfrischend unverkrampft und witzig geht er mit seinem Thema und seinen Figuren um und stilisiert eine Schwangerschaft zu keiner Katastrophe hoch, vergisst aber auch nicht die Verantwortung, die mit ihr einhergeht. Die Offenheit, mit der hier miteinander geredet wird, ist wohltuend und dient ebenso als Empfehlung wie die kecke und intelligente, humorvolle und sarkastische Juno zum Vorbild für Heranwachsende taugt.

Reitman eröffnet seinen Film mit einem Kommentar aus dem Off und einer Sexszene, die sich als Rückblende entpuppt und jäh von einem bellenden Hund unterbrochen wird. Auf einen gezeichneten, mit einem Folksong unterlegten Vorspann folgt die eigentliche Handlung, die immer wieder von kurzen eingeschobenen Rückblenden aufgebrochen wird. Der Blickwinkel des Films auf die Jugend ist humoristisch geprägt, die Dialoge sind ausgefeilt, teils grandios, und das schnoddrige Wesen Junos schließt man ebenso schnell ins Herz wie ihr stylisches Telefon in Burger-Form. Natürlich dürfen angesichts des Themas auch die obligatorischen Abtreibungsgegner nicht fehlen, hier in Person einer vor der Frauenhilfe demonstrierenden Klassenkameradin. Viel mehr Raum gibt man jenem verbrämten Menschenschlag aber glücklicherweise nicht. Stattdessen besucht Juno zusammen mit ihrem Vater das Adoptionspaar in spe, was sich sehr gut anlässt: Juno steht auf Punk und Argento, Mark auf Grunge und H.G. Lewis.

Mark und Vanessa sind jedoch so erpicht auf Junos Leibesfrucht, dass sie es mit Vorbereitung auf den Familienzuwachs doch arg übertreiben. Zudem scheint sich abzuzeichnen, dass Juno und Mark sich ineinander verlieben könnten, während eigentlich der biologische Vater um Junos Liebe zu kämpfen beginnt. Aus der Frage, wie zur Hölle das alles gutgehen soll, bezieht „Juno“ einen nicht unbeträchtlichen Teil an Spannung. Letztlich scheitert eine der Beziehungen tatsächlich, während die andere in neuem Glanze erstrahlt, woraus die Handlung aber ebenso wenig ein Riesenproblem macht wie aus Junos Schwangerschaft. Stattdessen scheinen sich am Ende alle mehr oder weniger selbstverwirklicht zu haben, was dem von Page & Co. prima geschauspielerten Film ein ebenso wichtiger Aspekt zu sein scheint wie das Feiern einer diversen Gesellschaft mit unterschiedlichen, gleichberechtigten Lebensentwürfen.

Das angenehm kitschfreie Drehbuch Diablo Codys gewann einen Oscar, was ein Indiz dafür sein könnte, dass auch die Jury die Nase voll hatte von Dramen, in denen entweder die Mutter bei der Abtreibung gleich mitstirbt oder sich aber letztlich dann doch „ein Herz fasst“ und sich entscheidet, den Zellhaufen in ihrer Gebärmutter doch noch zu einem Baby zu formen und auszutragen. Reitmans Film empfiehlt einen besonnenen Umgang mit der Situation und die Erfüllung von Kinderwünschen derjenigen, die wirklich ein Kind wollen, denen es aus biologischen Gründen aber verwehrt wird. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, mit der zugegebenermaßen aber auch einhergeht, dass der Film es letztlich allen recht macht und weder Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern noch -befürworterinnen und -befürwortern vor den Kopf stößt. Und wer wirklich etwas darüber erfahren möchte, wie sich eine ungewollte Schwangerschaft für einen 16-jährigen Backfisch anfühlt, sollte sich ebenfalls besser woanders umsehen, denn das geht in Witz und Beziehungskisten dann doch ziemlich unter. Am positiven Gesamteindruck ändert das indes nur wenig; und ist nur einer werdenden Mutter und nur einem ungeplanten Kind mit der positiven Energie und dem Schwung dieses Films geholfen, hat er sich bereits ausgezahlt.

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