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Zur Rezeption von „Juno“, Jason „Thank you for smoking“ Reitmans zweiter größerer Regiearbeit, muß sich der Zuschauer generell erst mal entscheiden: entweder nimmt man den Film als unterhaltsam-leichte Aufarbeitung des Themas „Jugendschwangerschaft“ durch eine überschnoddrige 16jährige oder man kaut eine Weile darauf herum, daß ein so heikles Thema dann doch eher unerwartet glatt und konfliktarm durchgekaut wurde, hauptsächlich damit sich die breite Masse ausreichend oft auf die Schenkel schlagen kann.

Wenn „Juno“ nämlich im Wesentlichen etwas nicht ist, dann ein Film, der sich einem heiklen und bisher komödiantisch unauslotbaren Thema abarbeitet: schwangere Teenager.
Natürlich, die junge und überraschend selbstbestimmte Juno ist ungewollt schwanger und muß nun dafür sorgen, daß sie für das Kind eine passende und liebevolle Ersatzfamilie findet – und das Skript der oscarprämierten Diablo Cody ist soweit kitschfrei, das die eventuelle „Ich-behalte-es-doch“-Sülze draußen bleibt, insgesamt kann man aber nicht damit zufrieden sein, wie der Problemfall hier aufbereitet wird.

Daraus geworden ist nämlich in erster Linie eine „Personality“-Komödie, das Portrait eines jungen Mädchens, das gewollt und sichtlich stolz auf ihre Außenseiterrolle ausnahmsweise mal NICHT mit dieser Position in Leben, Familie und vor allem High School hadert, sondern mit rabenschwarzen und pointierten Monologen seine unbequeme, wenn auch nicht unerträgliche Situation konterkariert, wo sie nur kann.
Über weite Strecken kann „Juno“ nichts ernst nehmen, weder die Schulcliquen, noch den (reichlich ungelenk dargestellten, aber sympathischen) Freund, noch die Eltern oder das händeringend Babys suchende Mitdreißigerpaar. Behörden und Institutionen sind allenfalls Randbereiche der Gesellschaft, denen man sich nur gedankenweise widmet, die eigene Entscheidung ist Trumpf.

Das ist alles sehr sympathisch und frisch – realistisch ist es allerdings nicht.
Wenn die Eltern (resigniert-amüsierter Dad, teilzeitsperrige, aber irgendwie coole Stiefmama) von ihrer Tochter in jeglicher Lage und Schwangerschaftswoche locker an die Wand gelabert werden und sich in überkorrekter Akzeptanz nach vertraglich festgesetzter Sekundenentrüstung nur noch als brave Helferlein definieren, dann wird hier lediglich „für Lacher gespielt“, sich mit dem Thema aber nicht auseinander gesetzt.

Das Thema „kostenlose Abtreibung“ dagegen wird dermaßen schwammig aufgeführt und ohne sinnvollen Zusammenhang schnell wieder fallengelassen, das es so wirkt, als hätte man auf das Thema eingehen müssen, hätte aber nie eine echte Position dazu eingenommen oder sich auch nur halbwegs getraut. Man flieht auf die Schnelle ohne wesentliche Gründe aus der Klinik und das wars.

Auch die Adoptiveltern sind der schnelle Glücksgriff, Jennifer Garner schwitzt geradezu hektoliterweise mütterliche Hormone aus, während das einzige Konfliktpotential darin besteht, das die Ehe der beiden im Begriff ist auseinanderzubrechen, weil der Mann das noch nachzuholen hat, was Juno gerade noch lebt.
Aber so viele Haken muß das Skript gar nicht schlagen, der Film ist beinahe enttäuschend gerade gebügelt, da interessiert es eher, ob die Freundschaft zum Vater des Kindes hält oder sich zwischen Juno und dem Adoptivpapi so etwas wie eine affärenähnliche Seelenverwandtschaft entwickelt.

Das Endergebnis ist entsprechend vage, alle sind so ziemlich glücklich und nach erfolgter Durchführung des Unternehmens bleibt ein zwiespältiger Nachgeschmack: die alleinerziehende Adoptivmami muß sich durchkämpfen, der getrennte Adoptivpapi wird uns vorenthalten und Juno und ihr schlaksiger Galan sitzen vor dem Häuslein Zukunft und jubeln sich einen Modern-Folk-Song auf der Gitarre vor, der in ekelerregend liebevoller Art überhaupt nicht zum Rest des Films passen will. Alles wird gut – my ass!

Zugegeben, „Juno“ ist verdammt lustig, die Darstellerleistungen sind adäquat bis oscarverdächtig (im Falle der titelgebenden Ellen Page), die Sprüche bleiben hängen und das Thema wurde so präsentiert, daß man weder an Sülze noch an zu viele Schwere und Tragik würgen muß, aber letztendlich hat man nur eine flotte Komödie gesehen, die mit den Umständen von so vielen wahren Teenagerschwangerschaften nichts gemein hat, vor allem nicht die alles behütende Idylle.
Man kann den Film wie einen Smartie weglutschen und den Eindruck haben, mehr als ein Fließbandprodukt geliefert zu bekommen – definitiv wertvoll ist das fertige Produkt deswegen aber noch lange nicht, vor allem weil Codys durch und durch sympathische, aber nie überragendes (und auch nicht preisverdächtiges) Drehbuch vor allem eins zu bieten hat: Schwung und Frische. Tiefgang kommt darin eher selten vor.
Aber vielleicht muß man gar nicht so viel verlangen und kann sich trotzdem eine schöne Zeit machen, es sollte nur niemand das Sakrileg begehen, Reitmans Werk den Stempel „Lehrfilm“ aufzudrücken – das hat er nämlich schon beim Vorgänger nur bedingt angerissen. (7/10)

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