Dekonstruktion. Auflösung. Zerstörung. Vernichtung. Untergang. Zwei Frauen dringen in eine Villa ein. Ziellos gehen sie durch die Räume, stehen und zerstören. In der Küche flackert ein Reigen gezeichneter SM-Illustrationen über die Wand, während die beiden Frauen die Lebensmittel auf der Einrichtung und über ihren Körpern verreiben. Der Bewohner der Villa hat das ganze Haus mit Fallen gespickt. Im Garten liegt eine Bärenfalle, Türen schließen sich und scheinen die Eindringlinge fast zu zerquetschen. Hinter Schwellen sind abgrundtiefe Schächte im Dunklen verborgen. Die Frauen erfahren die Fallen voller Schmerz und kommen doch immer wieder unbeschadet heraus. Fast wie Zeichentrickfiguren erforschen sie die Villa in ihren verschiedenen Aspekten. Lebenserhalt. Sexualität. Zerstörung. Und doch sie sind sie nur in einer großen, einer übergeordneten Falle. Der Falle des Lebens. Der sie sich durch gewaltsamen Ausbruch versuchen zu entziehen
Zumindest könnte man PIÈGE so interpretieren. Es gibt sich aber sicher auch andere Denkmuster, um diese Mischung aus gotischem Grusel, interessierter Sexualität und dekonstruktivem Arthaus zu überdenken. Da ist die Tonspur, die in erster Linie aus Geräuschen besteht, und bei der man jede Sekunde darauf wartet, dass irgendein archaisch-industrieller Rhythmus Struktur in die Kakophonie bringt. Da ist die Narration, die wie ein Möbiusband kein Ende und keinen Anfang hat. Die sich überkreuzt, im Kreis dreht, und dabei, ganz im Sinne des Surrealismus und je nach Stimmung des Betrachters, neue Sichtweisen hervorbringt. Da sind die Bilder, welche die Narration untermalen indem sie sich überlagern, aufeinander verweisen, Trugbilder zeigen, und den Zuschauer glauben machen dass sie ein Abbild der Wahrheit sind, wo sie doch nur irgendeine zufällige Realität vorgaukeln. Der Mann, der Fallen kauft und zwei Freundinnen einlädt ihn in seiner Villa zu besuchen. Die beiden Freundinnen, die lieber in die Villa einbrechen als durch die Vordertür zu kommen, und alles was sie sehen zerstören wollen, dabei aber immer heimlich von dem jungen Mann beäugt werden. Szenerien wie aus einem Gruselfilm der Universal, unterlegt von einem Soundtrack der auch von Throbbing Gristle stammen könnte. Sexuelle Phantasien wie von John Willie gezeichnet und dargereicht in einem Szenario wie aus dem Dungeon. Der Weg von PIÈGE bis zu Nikos Nikolaidis' SINGAPORE SLING ist nicht weit, und auch wenn sich in letzterem die Bildsprache an den amerikanischen Klassikern der 40er-Jahre orientiert, PIÈGE hingegen klassisches bilderstürmendes Autorenkino der ausgehenden 60er ist, so sind die Ähnlichkeiten doch verblüffend. Hier wie da eine filmische Sprache die dazu dient, den Zuschauer in die Irre zu führen und gewohnte Denkschemata aufzubrechen. Dekonstruktion in seiner reinsten Form.
PIÈGE ist auf keinen Fall etwas für den Gelegenheitszuschauer, und selbst gestandene Cineasten dürften sich oft schwer tun. Aber die vielen Ideen, die in dem Film stecken (sei es eine Verfolgungsjagd im slapstick-artigen Zeitraffer, sei es ein kameraorientierter Monolog des Regisseurs Fernando Arrabal über das Gemüt von Menschen die Tierfallen kaufen), nehmen die Popkultur der kommenden Zeit oftmals vorweg. Ich sehe Jean Rollin, ich sehe Just Jaeckin, und ich sehe generell viele Ideen, die in den nachfolgenden Jahrzehnten immer wieder durch den filmischen Fundus geistern werden. PIÈGE zu sehen ist wie Miles Davis, der mit dem Rücken zum Publikum spielt – Der Zugang wird verwehrt, und das Ergebnis ist verwirrend und anders. Aber überzeugend!