Review

Regisseur und Autor Michael Verhoeven ist im Grunde schon ein lustiger Vogel, obgleich seine politisch engagierten Beiträge meistens einen ernsten Grundton aufweisen und sich mit düsteren Kapiteln deutscher Geschichte beschäftigen.
Im vorliegenden Fall, der stark an den realen Erlebnissen der Autorin Anna Rosmus in Passau angelehnt ist, lässt er hingegen stets einen satirischen Grundton erkennen, der das Thema deutscher Vergangenheitsbewältigung mit vielen Übertreibungen auf den Punkt bringt.

Schülerin Sonja wächst im bayrischen Pfilzing an der Pfilz auf, besucht ein Klostergymnasium und gewinnt einen Aufsatz-Wettbewerb, der Begeisterung und Anerkennung unter den Mitbürgern auslöst. Doch als Sonja als Folge-Thema „Meine Heimatstadt im Dritten Reich“ wählt und im Stadtarchiv nach alten Akten forschen will, begegnen ihr die Bürger zunehmend mit Widerstand, Unmut und Verärgerung…

Verhoeven hat seine Inszenierung stark an Brechts Gedanken des epischen Theaters angelehnt; er spielt mit Verfremdungen, lässt Hauptfigur Sonja in einem Moment direkt zum Publikum sprechen, um in der nächsten Szene mit einem Protagonisten zu interagieren.
Dieser Stil ist zunächst ungewöhnlich und ein wenig befremdlich, doch er unterstreicht damit einerseits eine gewisse Nähe zu Sonja und konzentriert sich andererseits auf das Wesentliche, indem beispielsweise Hintergründe aus starren Screens bestehen oder wesentliche Ereignisse im Vordergrund stattfinden, wie ein Familienrat in prekärer Situation, bei dem diese am Wohnzimmertisch sitzt, während um sie herum das Leben auf der Straße unbeachtet vorbeizuziehen scheint.

Dabei punktet der Humor besonders während der ersten Hälfte, denn einige Running Gags zünden ebenso wie ein wenig Slapstick, primär jedoch sind einige Übertreibungen herrlich anzusehen wie die bieder anmutenden Gelüste der Jugendlichen in den Fünfzigern oder die Floskeln während des Unterrichts. Bereits in dieser frühen Phase der Erzählung werden die relevanten Figuren bei Sonjas späteren Recherchen recht treffend eingeführt, wie der Redakteur der Lokalzeitung, der Pfarrer, der Bürgermeister, ein Arzt oder auch Sonjas Eltern und Großmutter, welche die Aggressionen der aufgebrachten Gemeinde ebenso zu spüren bekommen, wie Sonja und ihre eigene Familie.

Dass das Kernthema an der richtigen Wurzel gepackt wird, offenbart hingegen das fast schon zynisch anmutende Verhalten der älteren Bewohner. Zunächst wird der Name eines vermeintlich Schuldigen hervorgekramt, der sich allerdings nicht mehr gegen die Vorwürfe wehren kann und dann will niemand etwas vom Naziregime im Heimatort mitbekommen haben „…bei uns gab es so etwas nicht.“
Das erinnert tatsächlich stark daran, als man als Schüler mal ältere Leute auf das Thema ansprach, die dann ebenfalls oft abblockten, weil angeblich alles erst „hinterher“ ans Licht kam oder man auf dem Land nichts mitbekam.

Insofern stimmt die zweite Hälfte der Geschichte eher nachdenklich, obgleich sie nach wie vor durch humorige Einlagen und bizarre Szenenbilder aufgelockert wird.
Sonja entwickelt sich dabei zu einer furchtlosen Kämpferin, die etwas zuviel in Kauf nimmt, um die Wahrheit zu Papier zu bringen, denn die wirkliche Autorin hat Passau irgendwann verlassen, um in den Staaten ihre Ruhe zu finden, während Sonja sogar nach einer Bombe im Elternhaus noch vors Gericht zieht.

Aber Überspitzungen und leicht grotesk anmutende Momente bilden eben das Markante an Verhoevens Werk, welches auf nahezu allen Ebenen überzeugen kann.
Das beginnt bei den glaubhaften und wandelbaren Darstellern wie Lena Stolze als Sonja oder Hans-Reinhard Müller als dubioser Dozent, geht über das hervorragende Make-up und die exzellente Ausstattung bis hin zur durchweg unterhaltsamen Erzählung, die lediglich gegen Ende etwas zu sehr aus dem Ruder gerät.
Spannend, witzig, ernsthaft und dabei auch noch ungewöhnlich verpackt: Eine goldrichtige Mischung, um diesem Thema aufrichtig und wach rüttelnd, aber nicht mit moralischer Selbstläuterung gerecht zu werden.
7,5 von 10

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