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Die Liebe und ihre Geheimnisse, ihre seltsam verschlungenen Wege, ihre Paradoxa und das Unerklärliche stehen neben einer autobiographisch anmutenden Behandlung und der Genreerweiterung zu einem Musikfilm im Mittelpunkt des Filmes. Secret, ein empfindliches Arrangement in oft stiller Erhabenheit, ein einstimmiges Instrumentalstück, das Regiedebüt des taiwanesischen Popstars Jay Chou, nach eigener Idee und Herkunft entwickelt, erzählt erst abwechselnd, dann parallel, dann ineinander übergreifend von den verschiedenen Stationen einer Faszination. Von einer überfließenden Empfindung, die sich mit fortschreitender Dauer darum bemüht, die Ursache dieses Wohlgefallens zu entdecken und dadurch das [über]sinnlich Vollkommene in allen seinen Facetten zwar ergründen möchte, aber nicht festhalten oder gar wiederaufleben lassen kann.

Der vorsichtig geschliffene Film beschreibt in ausnehmender Sorgfalt und natürlicher Einheit etwas Vergangenes voller Rätsel, deren Lösungen wiederum Rätsel sind. Formuliert im reinen Glück und entsprechender Verklärung Konserviertes, etwas zutiefst Persönliches und in seiner verderblichen Allgemeinheit auch arg naiv Konventionelles, von den ersten Erfahrungen, den ersten Blicken, dem ersten Kuss, der verbotenen Berührung, der Eifersucht und dem Leid. Von dem schon mystisch überhöhten Gefühl, etwas in überwältigender Kraft zu begehren und sich danach zu verzehren, aber es niemals, oder nur kurz, für einen kleinen Augenblick erreichen zu können. Und von der fehlgeschlagenen Ablösung von den Eltern, in dessen Fußstapfen man freiwillig oder unfreiwillig in der Ich-Entwicklung der Adoleszenz tritt.

Das Geheimnis hinter der systematischen Gestalt, hinter der Handlung vom Neuling Jay [ Jay Chou ], der auf Drängen seines Vaters Chiu [ Anthony Wong ] in die private Tamkang Senior High School überwechselt und dort sowohl von Sky [ Alice Tseng ] als auch Rain [ Kwai Lunmei ] schnell in Augenschein genommen wird, ist eine emotionale Verzerrung, die etwas romantisch Phantastisches zur Unterstützung und zum Nachteil gleichermaßen hat. So zeitlos wie die Liebe ist, so wenig kann man sie fixieren, abstecken und umklammern. Die Differenz von Empfindung und Sympathie zueinander ist bei den Personen hier ebenso nah oder entfernt wie die Differenz von Zeit und Raum. Was das Eine Mädchen will, kann das Andere zwar theoretisch haben, aber nicht praktisch, und umgekehrt. Der Ablauf täuscht nicht nur auf die vielfältigste Art, sondern wiederholt sich mit schicksalhaftem Ausgang und umfasst auch mehrere Generationen; eine Gegenläufigkeit mit Reminiszenz, die eigentlich nicht in Einklang gebracht und nicht in Harmonie gelebt werden kann. Die schwärmerischen Wallungen und Schwankungen des Gemüts bei dem Unerfahrenen Jay sind die gleichen Erfahrungen, die sein mittlerweile zutiefst abgeklärter Vater gemacht und durchstanden hat und von dem er inzwischen weiß, dass die bedingungslose Beherrschung der Herzen trotz Narben nur vorübergehend ist.

Die kultiviert marquierte Bildinszenierung ist entsprechend der festgelegten, aber für Zuschauer und Mitwirkende aufgrund des Geheimnisses und seiner Zersetzungserscheinungen lange nicht einsehbaren Erlebniswelt von Beginn weg minimalistisch vergilbt, einsiedlerisch aufbewahrt und hinter Glas gestellt. Ein wenig zäh, ein wenig dickflüssig, ohne den Frohsinn der Zyniker zu bedienen. Die Erzählführung hat viele Impulse von Chous Ratgeber Andrew Lau übernommen; dessen vorige Zusammenarbeit Initial D in einigen Aspekten unmittelbar zu Tage tritt, obwohl dieser ausdrücklich von der eigentlich geplanten Hilfestellung befreit wurde. Gefaßtheit und Gemächlichkeit breitet sich in wechselvollen ockerfarbenen Nuancen, von Indischgelb bis zu tief schwarzbraunen Tönen auf kleinster Fläche aus. Eine zu dem Zeitpunkt der ersten Einstellung im Grunde schon sehr lange Geschichte repetierender Lebensmuster, die im trügerischen Schein der Sentimentalität sowohl eindeutig als auch verschlungen vielschichtig ist und zusätzlich im Widerstreit zur Realität steht. Gefilmt in der Universitätsstadt Tamsui, einem ehemaligen Traktatshafen auf der Insel Formosa, nördlich von Taipei, nutzt man neben den geomantisch-geographischen Schönheiten der umliegenden Natur, vor allem der paradiesischen Uferpromenade, auch die Räumlichkeiten der ortsansässigen Schule selber für eine herbstlich altmodische Atmosphäre voller Bedachtsamkeit und Ruhe aus. Betörender Leinwandzauber. Alle Herrlichkeit auf Erden. Galoschen des Glücks.

In den stetig verschleiert wirkenden Innenräumen der sich selbstbezähmt isolierten Lehranstalt und den Elternhäusern von Jay und Rain scheint man sich von vornherein in der entrückten Perspektive der Vergangenheit, fast des Gefangenseins in der Rückschau zu befinden. Tagsüber jeweils elitär anmutende, sichtlich betagte Gemäuer mit den typisch hohen Decken, dem gedämmten Licht und den knarrenden Böden und Türen. Abends oder Nachts kleine Kemenaten, Wohnstätten, Künstlerateliers, vollgestopft mit Erinnerungsstücken, besinnlichen Andenken wie Fotografien, Schallplatten, dem Verschleiß mühsam trotzenden Gemälden und zerbrechlichem Mobiliar. Da überall ein Piano steht, was je nach Gebrauch und Situation entweder als Instrument für Einübung, Erziehung oder Ausdrucksform funktioniert, zeigt sich die Darstellung der Liebe neben der Dreier-Handlung auch in den Kommentaren der Umstehenden und besonders den gespielten Liedern: Zum Ausfüllen, zum Erzählen oder zur Verstärkung Stücke von Frédéric Chopin und Camille Saint-Saëns plus deren Modifizierungen und autarken Eigenkreationen.

Eine bequeme Gelegenheit, die Irrungen und Wirrungen des Herzens und der Logik ohne viel Umstände, ohne viel Worte und in langsamen Schritten zu schildern. Passionierte Tongespräche, vom verhalten Fröhlichen zum schmerzlich Klagenden, vom ergreifend Pathetischen zum Tändelnden. Spätestens das explosive Ende ohne komplette Auflösung lässt den pragmatischen Betrachter mit mehreren Fragezeichen zurück, aber dem Realisten und dem Verhärteten bringt der letztlich recht idyllische Film durch seinen renitenten Glauben an dem, was er denn da erzählt und dem offensichtlichen Herzenswunsch seines jungen und noch idealistisch weltverlorenen Regisseurs sowieso nichts. Nicht nur, dass der versunkene Debütant mit aller unbändig inszenatorischen Kraft am Ende der Kapazitäten und völliger Gewissheit den Rest des Lebens daran erinnern möchte, was für eine tolle Zeit früher war. Auch der heutzutage gefragte [gesunde ?] Sinn für Alles, was Verlogen und Kitschig ist, geht Ihm trotz anfänglich leichter Humorspitzen und prickelnder Vehemenz unzweifelhaft noch ab.

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