Wayne Kramer ist alles andere als ein Fließbandregisseur: Zwischen „The Cooler“ und „Running Scared“ liegen drei Jahre, drei Jahre nach „Running Scared“ kam dann „Crossing Over“.
Kramer, selbst Einwanderer aus Südafrika, beleuchtet hier die Schicksale verschiedener Menschen, in deren das Thema Immigration eine wichtige Rolle spielt: Max Brogan (Harrison Ford) und Hamid Baraheri (Cliff Curtis) arbeiten für die Einwanderungsbehörde, andere tun alles für ihre Aufenthaltserlaubnis und die junge Muslimin Taslima Jahangir (Summer Bishil) droht die Abschiebung, nachdem sie in einem Schulreferat Verständnis für die 9/11-Attentäter fordert…
Ähnlich wie „Magnolia“ und „L.A. Crash“ stellt sich „Crossing Over“ als Kaleidoskop verschiedener Einzelschicksale in Los Angeles dar, verbunden durch das Thema der Immigration (und damit auch des titelgebenden Grenzüberschritts). Natürlich kreuzen sich die Wege der Figuren, quasi zur Freude des Zuschauers, wenngleich auch fast jeder Handlungsstrang für sich allein funktionieren würde. Zur Betrachtung dieses ernsten Themas wählt Kramer dann auch eine eher nüchterne Bildsprache, die visuellen Extravaganzen eines „Running Scared“ fallen hier aus, doch auch beim ruhigeren Film schlägt sich Kramer sehr souverän.
Dabei scheut Kramer auch vor brisanten Themen nicht zurück. Während Gavin Kossef (Jim Sturgess) nur seinen jüdischen Glauben auffrischen muss, um einen Job zu bekommen, wird Claire Shepard (Alice Eve) das Opfer sexueller Ausnutzung und auch die Frage, ob die Abschiebung Taslimas in einem Land, das sich freie Meinungsäußerung dick auf die Fahnen schreibt, nicht verlogen ist, steht beständig im Raum. Zudem gibt es immer wieder Momente, in denen die Charaktere wichtigen Entscheidungen stehen, deren moralische Richtigkeit der Zuschauer selbst beurteilen muss: Hamid lässt z.B. einen jugendlichen Kriminellen laufen, um dessen Zukunft nicht zu ruinieren, Max wird mehrfach mit den Konsequenzen seines Vorgehens streng nach Vorschrift konfrontiert. „Crossing Over“ ist dabei erfreulich ambivalent und gelegentlich ironisch, vor allem wenn bei Vereidigung von Neubürgern die USA-Flagge in gigantischem Format im Hintergrund prangt, der Film den American Dream aber merklich auseinandernahm.
Zur Größe eines „Magnolia“ fehlt dann allerdings noch ein Stück, denn „Crossing Over“ zerfällt immer wieder in gelungene Einzelmomente, aber einen wirklich guten Fluss als Ganzes kann man den Film nicht attestieren. Immer wieder gibt es Hänger und nach der Betrachtung sind es dann immer wieder gelungene Szenen, an die man sich erinnert, aber die einzelnen Geschichten wirken ein wenig zu isoliert voneinander. In den ganz starken Momenten hat Kramer sein Publikum aber vollends im Griff, z.B. bei der Verhaftung während der Vereidigung oder beim Shoot-Out zwischen Hamid und einer Jugendgang. Letzteres beweist erneut Kramers Gespür für packende Action, wenngleich es in diesem Drama natürlich nicht darum geht.
Gegen das leicht zerfleddernde Plotkonstrukt spielt dann auch eine wirklich starke Besetzung an. Gerade Harrison Fords markiges Spiel bringt die innere Zerrissenheit des altgedienten Ordnungshüters wunderbar zum Ausdruck, zeigt wie Max immer mehr an der Richtigkeit seiner Entscheidungen zweifelt. Ray Liotta als Schmierlappen agiert hingegen ein wenig auf Autopilot, Ashley Judd hingegen meldet sich eindrucksvoll aus der Versenkung zurück und Cliff Curtis beweist mal wieder, dass er in Nebenrollen famos aufgehen kann. Auch die jüngere Riege mit Jim Sturgess, Alice Eve, Summer Bishil und Justin Chon liefert durch die Bank weg tolle Performances, sodass Harrison Ford hier nicht zum Showstealer avanciert.
„Crossing Over“ mag nicht ganz so kohärent und packend wie „Magnolia“ geschrieben sein, ein stimmiger, von starken Darstellern getragener Episodenfilm mit durchdachten Ansätzen zum Thema Immigration ist Wayne Kramer aber dennoch gelungen – da kann man die eine oder andere Drehbuchschwäche gern ignorieren.