Nur ganz, ganz selten gelingt es einem Budgetminimalisten tatsächlich, den Zuschauer so sehr zu faszinieren, wie es hier der Fall ist. Oberste Voraussetzung dafür ist allerdings eine Idee. "Cube" fehlt es an dieser nun zweifellos nicht, denn hier wird ein innovatives Experiment gestartet, in dem sich sechs Menschen eines Tages plötzlich in einem riesigen Kubus, der wiederum aus vielen würfelförmigen Kammern aufgebaut ist, wiederfinden. Die Räume unterscheiden sich neben ihrer Farbe nur darin, dass einige von ihnen mit tödlichen Fallen versehen sind - soweit zur Grundkonstellation.
Der Würfel scheint nach gewissen, offenbar mathematischen Prinzipien konzipiert zu sein. Diese bedarf es jedoch mit der Zeit erst zu erschließen, denn genau wie die Protagonisten, wissen wir ebenfalls rein gar nichts und werden ohne Einführung ebenso ins eiskalte Wasser geworfen. Fragen sind daher eine logische Konsequenz: Wie sind die Personen in dieses geometrische Architekturungetüm geraten? Was hat es mit diesem Ding überhaupt auf sich? Und wer verdammt noch mal steckt dahinter und setzt Menschen solchen Todesfallen aus? Das Ende ist hinsichtlich dieser Fragen enttäuschend und genial zugleich, denn eine wirkliche Aufklärung wird es nicht geben; diese soll der menschlichen Fantasie überlassen werden. Dadurch werden sich dann aber wohl noch weitere Ängste aufbauen, wenn wir tatsächlich versuchen, uns in dieses mysteriöse Rätsel weiter zu vertiefen.
Durch die gegebene Extremsituation besitzt "Cube" aber noch eine weitere Einzigartigkeit: Die Entwicklung der Charaktere. Alleine die Grundkonstellation ist eine spezielle Mischung aus den verschiedensten Naturellen. Die Wandlungen, die die einzelnen Figuren im Verlaufe des Filmes durchlaufen werden, sind keineswegs vorhersehbar und nehmen eigentlich schon anthropologische Ausmaße an. So ist "Cube" eine außergewöhnliche Darstellung eines die menschliche Psyche unter Zugzwang stellenden Experiments, in dem der Mensch seine gängigen Verhaltensweisen gänzlich über den Haufen wirft und dann nach anderen Gesichtspunkten zu handeln beginnt. Dabei spielen mehrere Faktoren, die in ihrer Ausprägung bei jedem anders gewichtet sind, eine Rolle; Egoismus und Überlebenstrieb sind da nur ein kleiner Teil des Ganzen.
Trotz der Tatsache, dass die Darsteller doch recht unbeschriebene Blätter darstellen, sind sie ihrer Aufgabe aber alle durchaus gewachsen. Einen überraschend guten Eindruck hinterlassen auch die Effekte, die technisch nur wenige Mängel aufweisen und zudem noch die ein oder andere etwas härtere Sequenz zulassen, obgleich dies hier nicht von entscheidender Bedeutung ist. Ein Kompliment sollte ebenfalls noch Regisseur Vincenzo Natali gelten, der es versteht, mit nur einem Raum, der für den Film lediglich seine Farbe wechselt, eventuell aufkeimende Langeweile kompromisslos in bedrückender Atmosphäre zu ertränken.
"Cube" ist ein eindringlicher, aus nur minimalem Aufwand entstandener, nicht aufzuklärender Alptraum, aus dessen faszinierender Grundidee, sich ein interessantes Charakterexperiment ergibt. Abwechslungsreich, nachdenklich, innovativ und in einer gewissen Weise sehr beängstigend.