Was hatten die berühmten Gangster Alvin Karpis, das Paar Bonnie & Clyde oder Pretty Boy Floyd gemeinsam? Sie alle waren einmal Amerikas Staatsfeind Nr. 1. Ihr aller Vorreiter war aber Bankräuber John Dillinger, dem die zweifelhafte Ehre, diesen Titel zu tragen, als erstes zu Teil wurde.
Regisseur John Milius („Conan the Barbarian”, „Red Dawn”) versuchte noch zu Beginn seiner Karriere dem berühmten Verbrecher einen biografischen Film über seine kriminelle Karriere zu widmen, scheiterte aber an seinem eigenen mit der heißen Nadel gestrickten Drehbuch und dem auch damals noch viel zu einflussreichen, legendären FBI-Chef J. Edgar Hoover, der angesichts der drohenden Negativpublicity für „sein“ FBI intervenierte und das rigorose Vorgehen der Ermittler glatt streichen ließ.
„Dillinger“ muss sich in seinen gut 100 Minuten den Vorwurf gefallen lassen, seine historischen Figuren nur sehr oberflächlich zu behandeln und sich dafür umso ausführlicher in den blutigen, realistisch gehaltenen Actionszenen zu suhlen. Weder erfolgt eine fachgerechte Einordnung in den geschichtlichen Kontext (die „Große Depression“ war ein Hauptgrund für die steigende Kriminalitätsrate in Amerika) , noch erfährt man viel über die eigentlich nicht uninteressanten Figuren.
Stattdessen entpuppt sich der Plot als kapitelhaft durchstrukturierte Abfolge von Überfällen und Scharmützeln mit der Staatspolizei. Wäre da nicht dieser ständig flapsige Ton, der einer Spencer/Hill-Komödie gut zu Gesicht stehen würde, in diesem rauen Gangsterfilm jedoch völlig fehl am Platz ist, könnte man zumindest diesen Teil als problemlos unterhaltend abtun. Es kommen, abgesehen von eingewobenen Archivmaterialen (Zeitung wie TV-Nachrichten) zwar wenig interessante Informationen dabei rum, aber die Schießwütigkeit beider Seiten sorgt auf beiden Seiten für hohen Blutzoll, Autoverfolgungsjagden und Crashs, die inszenatorisch meist realistisch gehalten worden sind und dank der klassischen Inszenierung auch an die damalige Filmlandschaft erinneren.
Auf der anderen Seite vermag „Dillinger“ hinsichtlich seiner Charaktere leider kaum zu punkten. Während Persönlichkeiten wie Baby Face Nelson (Richard Dreyfuss, „Jaws“, „Close Encounters of the Third Kind”) in Nebenrollen gar nicht weiter beachtet werden, erfährt man über John Dillinger (Warren Oates, „The Wild Bunch“, „Blue Thunder“) nicht mehr, als das er ein geltungsbedürftiges, sich selbst für unsterblich haltendes Großmaul mit einer unstillbaren Sucht nach Ruhm und sein Gegner Melvin Purvis (Ben Johnson, „Thunderbolt and Lightfoot“, „Pink Cadillac“) lediglich ein schießwütiger, skrupelloser, sich ebenfalls gern ins Rampenlicht stellender Bulle war. Zumindest an Purvis unbarmherzigen Vorgehensweisen (er killte alle Kriminelle gnadenlos, hinterrücks und oft feige) lässt sich leichte Kritik hinsichtlich des FBI erkennen.
Auch wenn John Milius einige belegte Szenen, wie Dillingers Ausbruch aus dem Knast mittels einer aus Seife und Schuhcreme hergestellter Pistolenattrappe eins zu eins übernimmt und sehr graphisch die seinerzeit gnadenlose Verfolgung von Gesetzlosen wiedergibt, bleibt „Dillinger“ ein unwürdiges, oberflächliches Biopic, das sich wirklich nur an seine ausufernden und in ihrer Häufigkeit auch deutlich plakativen Actionszenen klammert. Für eine eindrucksvolle Studie mangelt es jedoch an tieferen Blicken in die Figuren (u.a. Harry Dean Stanton („Alien“, „Escape from New York“) als Homer Van Meter), Hintergrundinformationen und vor allem einem ernsten Grundton.
Fazit:
Enttäuschende, weil sehr oberflächliche Darstellung einer Verbrecherlegende, die zwar über fähige Schauspieler und tolle, altmodische Actionszenen verfügt, aus der rauen Zeit aber zu wenig Essentielles bietet. Für den flapsigen Ton und die verschenkten Figuren gehört John Milius, trotz seiner schmutzigen, harten Shootouts geohrfeigt. Damit entspricht der Film jedoch genau dem Stil des sich hinter diesem Film verbergenden und mit diversen Exploitation-Machwerken berühmt gewordenen Produzenten Samuel Z. Arkoff. Eigentlich schade...