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Bei den Kinofilmen der Pixar-Studios ist es beinahe schon Usus, vor dem Langspielfilm einen Kurzfilm aus derselben Filmschmiede zu zeigen. So lief Die EinMannBand vor Cars oder Presto vor Wall-E. Dabei standen sie jedoch mal abgesehen von dem Umstand, dass Vor- und Hauptfilm aus den gleichen Studios stammten, in keinen (inhaltlichen) Bezug zueinander. Zwei sich duellierende Musikanten im Mittelalter ließen jeden Bezug zu sprechenden Autos und ein durch ein Kaninchen drangsalierter Zauberer jeden Bezug zu dem Müllentsorgungsroboter auf der postapokalyptischen Erde vermissen.

Kurzfilme vor nicht-animierten Spielfilmen mit „echten" Schauspielern sind im Kino hingegen eine Seltenheit. Hotel Chevalier oder alternativ auch - aus gutem Grund - Part 1 of The Darjeeling Limited genannt, ist so eine wohltuende Ausnahme von der Regel. Und siehe da: Er steht sogar in loser Verbindung zum in sich geschlossenen Universum des darauffolgenden Films The Darjeeling Limited und der fiktiven Vita von einem der Protagonisten mit Namen Jack L. Whitman (Jason Schwartzman).

Dieser lungert am Beginn von Hotel Chevalier in seinem Hotelzimmer herum und bestellt telefonisch etwas in der Küche. Kurz darauf klingelt sein Telefon: Seine Verflossene (Natalie Portman) kündigt ihr Erscheinen an, welchem er zustimmt. Er lässt ihr ein Bad ein und bereitet sich auf ihr Kommen vor. Als sie endlich da ist, unterhalten sie sich kurz, warten auf den Zimmerservice, bei dem sie dann noch zwei Bloody Mary bestellen und schließlich soll eine heiße Liebesnacht folgen, vor dessen Beginn folgender denkwürdiger Dialog steht:

Sie: „Was auch am Ende geschieht: Ich möchte dich nicht als Freund verlieren."
Er: „Ich versprech' dir: Ich werde niemals dein Freund sein. Egal, was geschieht: nie im Leben."
Sie: „Wenn wir ficken, fühle ich mich morgen beschissen."
Er: „Ist ok für mich."
Sie: „Ich liebe dich. Ich würde dir nie absichtlich weh tun."
Er: „Ist mir gleich."

Selbigen Dialog trägt Protagonist Jack L. Whitman später in The Darjeeling Limited seinen beiden Brüdern Francis und Peter (dargestellt von Owen Wilson und Adrien Brody) als Ende einer Kurzgeschichte von ihm vor, deren Anfang er jedoch noch nicht schrieb. Viel früher, in der Anfangsphase von The Darjeeling Limited, drückt Jack seinem Bruder Peter vor dem Mittagessen zum ersten Mal eine eigene Kurzgeschichte in die Hand, die mit ihren ersten Zeilen auch kurz im Bildkader zu sehen ist. Titel: „Luftwaffe Automotive" - gedruckt auf Briefpapier eines gewissen Hotel Chevalier. Diese Story um drei Brüder, die nach dem Tod ihres Vaters auf dem Weg zu seiner Beerdigung noch schnell dessen Auto aus der Autowerkstatt abholen wollen - ebenfalls eine figurenbiografische Geschichte; diesmal über die drei Bruder - hat es jedoch als längere Rückblende in den „regulären" Film geschafft, während Hotel Chevalier und die Handlung in selbigem Etablissement aus The Darjeeling Limited ausgelagert wurde. Peters Reaktion auf die „Luftwaffe Automotive"-Kurzgeschichte ist eine seltsame: Er lacht und gibt zu verstehen „Nein, hat mich nur an was erinnert, was damit nichts zu tun hat.". Ob es an Jacks Betonung darauf lag, seine Kurzgeschichten hätten nichts mit realen Menschen zu tun?

Doch zurück zu Hotel Chevalier. Die lakonisch-trockenen, aber gerade deswegen urkomischen Dialoge zwischen Jason Schwartzman und Natalie Portman atmen den Geist von Drehbuchautor und Regisseur Wes Anderson. Aus diesem Grunde scheint die simple Geschichte zunächst nicht sehr viel herzugeben, transportiert aber nicht zuletzt durch eine in Zeitlupe inszenierte Sequenz, als der seltsam entrückt wirkende Jack mit seiner burschikosen Ex untermalt von Peter Sarstedts großartigem Song „Where Do You Go To (My Lovely)" auf den Balkon seines Hotelzimmers geht und die Aussicht auf Paris genießt, magische Film-Momente. Natalie Portman soll übrigens erst gegen Ende des „Hauptfilms" Darjeeling Limited in einem kleinen Meisterstück der Mise-en-Scène Zeit finden, auf dem Hotelbett vor dem Fernseher zu relaxen und ihren Cocktail zu genießen.

Hotel Chevalier
kann durchaus autonom angesehen werden, offenbart aber erst im Zusammenspiel mit dem Anderson-Langfilm The Darjeeling Limited sein gesamtes selbstironisches Potenzial, an dem Jason Schwartmans Figur einen großen Anteil hat. Für sich ist es ein kleiner, aber feiner Film mit wenig bis keiner Handlung und skurrilem Humor - für The Darjeeling Limited eine nette, aber keineswegs für die Geschichte unentbehrliche Ergänzung. Insbesondere für Liebhaber vom speziellen Wes Anderson-Humor und Fans von Natalie Portman, die hier nackt zu sehen ist, eine Empfehlung (7,5/10).

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