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Ein mit viel Zeitdruck und gesellschaftspolitischer Bedeutung bedrücktes Projekt, dass Regisseur Samson Chiu im Auftrag der chinesischen Regierung anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der feierliche Übergabe von Hongkong an China in Angriff nahm. Am 30.03.2007 startete die firmeneigene Zeremonie, die der Produktion in den kommenden Tagen und Wochen Glück bescheren sollte; am 15.06 lief man bereits in den Kinos an. Nun ist Schnelligkeit, wenn nicht sogar Hast kein Fremdwort im kantonesischen Filmgeschäft; angesichts der historischen Relevanz, dem sozialen Stellenwert und der beabsichtigten Ernährung des Nimbus der Volksrepublik verwundert einen der späte Zeitpunkt der Inauftraggabe aber schon. Dafür war zumindest die Wahl des Filmemachers und seines Drehteams folgerichtig.

Chiu hat mit dem Golden Chicken Zweiteiler bewiesen, dass er der geeignete Mann für ein ausschweifendes, lang greifendes, aber ebenso übersichtliches Porträt seiner Heimat und ihrer Bewohner ist. Auch hierbei merkt man dem Endergebnis nur selten die drohend tickende Uhr und daraus entsprechend eine vorstellbare Unruhe beim Arbeiten an. Allein das gewonnene Bildmaterial, die Vielzahl von Schauplatz, Intermezzi und Ereignissen sprechen Bände und gestalten das sonst durchwachsene Werk zumindest zu einer zwischenzeitlich schon interessanten, wenn auch reichlich kursorischen und final auch recht belastenden Arabeske.

1967.
Zhou Hung-kong [ Anthony Wong ] hat zwei Träume im Leben. Er möchte unbedingt etwas mit den bewegten Bildern zu tun haben, weswegen er auch Projektionist in einem kleinen lokalen Kino gleich neben seiner bescheidenen Kemenate auf einem Häuserdach wird. Und er will nach Peking, vor allem um den Platz des Himmlischen Friedens zu sehen [dessen dunkler Schatten des Massaker am 4. Juli 1989 geflissentlich ausgespart wird]. Zhou lebt zwar in HK, ist aber von tiefen kommunistischen Gefühlen und idealistisch-patriotisch-altruistischer Selbstaufopferung ausgefüllt, womit er weder bei seiner Frau Chan Sau-ying [ Teresa Mo ], seinem Sohn Zhou Chong [ Ronald Cheng ] noch dem befreundeten taiwanesischen Ehepaar Luk Yau [ John Sham ] und Lee Choi-ha [ Bau Hei-Jing ] auf große Gegenliebe stösst. Während die Zeit vergeht, Chong mit der Nachbarin Luk Min [ Karen Mok ] anbändelt und 1997 nahe rückt, muss auch Kong lernen, dass Träume manchmal nur dann in Erfüllung gehen, wenn man sehr lange daraufhin wartet.

Der gesamte Rahmen umfasst letztlich vier Jahrzehnte; und anders als bei den zwei parallelen Handover - Filmen Hooked On You und Wonder Women liegt hierbei das Augenmerk weniger direkt auf der Liebesgeschichte, sondern schon vermehrt auf den Veränderungen der Zeit, die sich auf Stadt und Personen auswirken. Sowieso ist der apparative Umfang weit verschwenderischer, ja geradezu überbordend im Vergleich zu den Konkurrenzprodukten gehalten, was sich dann auch gleich enorm auf die jeweiligen Vor- und Nachteile auswirkt. Denn Alles, was man gerne ansprechen würde und zur Disposition in den Raum stellt, kann man in 110min nicht näher beleuchten. Geschweige denn zur vollen Zufriedenheit der Zuschauer abhandeln. Neben der lovestory, die sich wie üblich sichtlich früh anbahnt, aber erst über ewige Umwege ans Ziel bewegt, müssen auch die wichtigen historischen Daten protokolliert, das Sittenbild gezeichnet, das Erwachsen werden erfasst und natürlich auch dem Dienstherren in der Obrigkeit gehuldigt werden. Gerade das Letztere verschreckte neben einem überhand nehmenden tearjerker-Syndrom dann sicherlich auch den gemeinen HK-Chinesen, so dass im Einspiel nicht wirklich glorreiche Zahlen eingefahren wurden.

Besonders zu Beginn der Erzählung scheint man sich auch ohne weitere Vorwarnung in einem recht aufdringlichen Propagandastreifen mit viel gedanklichem Relikt bar naturwissenschaftlicher Objektivität zu befinden. Fehlt neben all dem lobpreisend-beschwörenden Gesänge, dem Fahnen schwingen und der aufpeitschenden, oft auch zum unpassendsten Moment vorgetragenen Agitations- und Indoktrinationsansprachen nur noch, dass man vor Betreten des Kinosaals mit KPCh - Ausweis und Parteibuch zusätzlich zum Popcorn ausgestattet wird. Manchmal weiß man dann auch gar nicht so recht, ob das eben Gesagte nun wahrlich so ernst gemeint war, wie es vorgetragen wurde, oder ob darin nicht doch der Schalk versteckt war. Einer für Alle und Alle für Einen als der beseelte Leitspruch der Sozialisten, die angeleitet durch den Marxismus-Leninismus und die Mao Tse Tung - Ideen den kapitalistischen Imperialismus bezwingen, stets am Stil des simplen Daseins und harten Kampfes festhalten und die unterdrückten und ausgebeuteten Volksmassen der ganzen Welt unterstützen möchten.
Der nationalistische Vaterlandsfreund spendet das Wenige, was er hat und soll sich gefälligst von der westlichen Pornographie fernhalten, die ihn ihm nur anti-idealistische, materialistische, heidnische Tumore erzeugen.

Irgendwann hört dieser "Ewiger Ruhm den Helden des Volkes!" - Absatz allerdings auf, und macht neben vielen anskizzierten Abänderungen und Umgestaltungen in Geographie und Seele auch anderen Sichtweisen Platz. Die Menschen in nächster Umgebung Zhous ziehen weg, gehen zuweilen gar ins Ausland, versterben, kurze Wirtschaftshöhepunkte wechseln sich mit schwerwiegenden Finanzkrisen ab, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit macht sich breit. Wäre der Anteil der persönlichen Krisen der drei Zentralfiguren der Zhou-Familie nicht so enorm und würde das Verhältnis von positiven und natürlich auch den negativen Dingen nicht so stark ins Dramatische überkippen, könnte man dem Film sogar eine sichere Behandlung der jeweiligen emotionalen Bewältigungen bescheinigen. Vor allem findet man die geeigneten Bilder, um zusammen mit der ruhigen Montage und leisen Tönen die gewisse drückende Besinnlichkeit auch beim Betrachter zu erreichen. Besonders geschickt ist das Einbringen der nostalgischen Komponente und der Alltäglichkeit der Ereignisse, die auf den Zhous einprasseln. Das Erinnern an die einstmals besseren Tage, das Verklären vergangener Erfahrungen, das hoffnungslose Nachjagen in ahnungslosem Nichtwissen beschlossener Herzenswünsche, Begehren, Sehnsucht, Verlust. All das spricht als massenpsychologisches Phänomen und kulturell übergreifende Erscheinung unweigerlich Jeden in seinen eigenen Gefühlen an und wird hier mit dem Vorhandensein des Kinos als Ersatz-Utopie rein psychischer Realität sogar noch verstärkt. Nicht nur im Titel wird dabei die Brücke zu Giuseppe Tornatores Cinema Paradiso versucht, dessen Methodik man oberflächlich auch anwendet, diese Kunst der Sentimentalität, den erlesen pointierten Humor oder die metatheoretische Ebene aber verfehlt.

Denn man treibt es mit fortschreitender Dauer zu weit. Wird nicht nur anbiedernd repräsentativ, sondern auch zu manipulativ. Die vermeintlich hässliche Gegenwart fordert derartig viel Heimweh, Säkularisierungsprozess und Weltschmerz von den Beteiligten ab, dass sich aus dem eigentlich als melancholische Komödie vermarkteten Konzept ein rückwärts gewandtes MeloDrama entspinnt, dass sich an langen Gesichtern, auseinander fallenden Gebäuden und schwächer werdenden Körpern geradezu fest beißt. Aus einer [sicherlich auch nicht angebrachten] Jubelfeier wird ein passiv-resignativer Gedächtnistag, der zu oft das Leid der ganzen üblen Welt mit sich schleppt.

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