„Sie hat letzte Woche Gott gesehen!“ – „Wie hat er ausgesehen?“ – „Nicht so gut, so als würde er nicht richtig essen.“
US-Regisseur Thom Eberhardt, der z.B. mit Keanu Reeves „Eine verrückte Reise durch die Nacht“ drehte, debütierte im Jahre 1982 mit dem Horrorfilm „Nur Tote überleben“, dessen Originaltitel „Sole Survivor“ wesentlich sinnvoller klingt.
Die junge Frau Denise Watson (Anita Skinner) hatte großes Glück: Sie überlebte als einzige einen Flugzeugabsturz, ohne körperliche Schäden davonzutragen. Doch fortan begegnet sie immer wieder unheimlichen Gestalten, die sie zu verfolgen scheinen. Ihr Umfeld schenkt ihr keinen Glauben, denn die von ihr beschriebenen Personen sind bereits tot…
„Nur Tote überleben“ ist ein Genrefilm der kostengünstigen Sorte und wahrscheinlich aus Budgetgründen entschloss man sich, erst gar keine Bilder des Flugzeugabsturzes zu zeigen. Dass Eberhardt auch nicht wie so viele andere auf Archiv-Material zurückgriff, rechne ich ihm allerdings positiv an. Zu bieten hat der in sehr angenehmem, ruhigem Tempo erzählte Film eine grundsympathische, attraktive, selbstbewusste Frau als Hauptrolle, die zunächst ständig Zeugin wird, wie irgendwelche Leute stumm, aber bedeutungsschwanger in der Gegend herumstehen. Doch die sog. „False Scares“ werden irgendwann zu wahrhaft durchschüttelnden, gefährlichen Schreckmomenten, gruselige Szenen verdeutlichen die Genrezugehörigkeit. Was seine Stimmung anbelangt, ist „Nur Tote überleben“ noch eher in den 1970ern zuhause, die 1980er waren noch jung und der Film hegte keinen modernistischen Ansatz. Auf eine langsam das Rückenmark in Beschlag nehmende, unheimliche Atmosphäre wird mehr Wert gelegt als auf hektische Schnitte und splatterige Spezialeffekte. Die gute Kameraarbeit wartet mit einigen interessanten Perspektiven auf, der Schnitt ist originell und die musikalische Untermalung stimmig, die insbesondere die Schockszenen unterstützt. Trotz (oder gerade wegen?) seiner Gemächlichkeit ist der Film spannend, da man sich zwar denken kann, was Sache ist – „Tanz der toten Seelen“ oder auch „Final Destination“ lassen grüßen –, jedoch nicht, welche Konsequenz der Film ziehen wird, wie es der liebgewonnen Hauptrolle ergehen wird.
Dass diese ans Herz wächst, liegt zum einen daran, dass „Nur Tote überleben“ zwar relativ dialoglastig ausfiel, die zahlreichen Konversationen jedoch nicht zum reinen Zeitschinden genutzt werden, sondern um die drei bis vier relevanten Rollen anschaulich zu charakterisieren und Denise zur Sympathieträgerin aufzubauen. Zum anderen entsteht dieser Effekt aus den überraschend guten schauspielerischen Leistungen, die ich von der ohne große Namen auskommenden Besetzung und schon gar nicht von Anita Skinner erwartet hätte, die ansonsten mit lediglich einem weiteren Spielfilm gelistet wird. Skinner versieht die mitten im Berufsleben stehende, um Rationalität bemühte, nach außen hin starke Denise mit Leben, geht in der Rolle auf und formt einen Charakter, der nicht viel mit den typischen Genre-„Scream Queens“ gemein hat. Doch das reichte Eberhardt anscheinend nicht an geballter Weiblichkeit und er baute recht bemüht eine Oben-ohne-Szene beim Strip-Poker einer Nebendarstellerin ein. Nichtsdestotrotz gibt es hier und da Leerlauf und ist nicht jede Szene wirklich von Belang, doch in den entscheidenden Momenten wird der dramaturgische Bogen stets wieder gestrafft und der Zuschauer erfolgreich zu einem überraschenden, schockierenden Ende geleitet, das zudem keinerlei Erklärung liefert, sondern die Geschehnisse für sich stehen und im Geiste des Publikums nachwirken lässt.
„Nur Tote überleben“ ist ein idealer Film, um sich in einem Zustand innerer Ruhe einige kalte Schauer über den Rücken jagen zu lassen, sich in seine Bettdecke einzumümmeln und mit der Hauptrolle mitzufühlen. Ein kleines, feines Stück B-Horror-Geschichte für Kenner und Genießer, aber nun wirklich so gar nichts für hektiksüchtige ADHS-Kids.