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Stan ist ein eigenartiger Kauz. Seine Wohnung karg eingerichtet und in blassen blau-grauen Tönen gehalten führt er ein eigenbrötlerisches Leben, dessen einziger Ausbruch aus der Eintönigkeit sein Job bei der Polizei ist. Als erfolgreicher Ermittler überführte er den Ritualmörder "Onkel Eddy". Doch dieser Fall ist fünf Jahre her, Stan vertrieb sich seither die Zeit mit dem Kauf von Antiquitäten und dem Konsum von Alkohol. Nun wird er wieder aktiviert neue Morde aufzuklären. Ein Ritualmörder ganz im Stil von Onkel Eddy schlägt wieder zu. Ist es ein Nachahmungstäter oder eventuell sogar der echte Onkel Eddy weil man damals vielleicht doch den falschen erwischt hat?

Willem Dafoe glänzt nach "Der blutige Pfad Gottes" wieder einmal mehr als psychopathischer Polizeiermittler. Zwar hat er nicht unbedingt die Sympathien auf seiner Seite, doch liegt dies an der ihm zugedachten Rolle als absonderlicher Detective, den er hervorragend gibt. Bleiben wir kurz bei den positiv zu erwähnenden Dingen: Regisseur Henry Miller betreibt hervorragende Arbeit bei den Charakterstudien, allen voran natürlich der reizvoll schräge und damit absonderliche Charakter von Stan. Zwar werden auch die anderen Figuren wie sein Kollege Carl (Scott Speedman), Freund Blair (Peter Stormare) oder seine aus der Alkoholikergruppe bekannte Freundin Sandy (Clea DuVall) ausgiebig vorgestellt, doch gelingt es Miller bei Stan am besten ihn dem Zuschauer als Person und Persönlichkeit verständlich zu machen.

Alles in allem spielt "Anamorph" in einer Stimmung wie seinerzeit schon "Sieben", wohl dem Vorbild von Anamorph. Miller in allen Ehren und Respekt vor seinen gut gelungenen Charakterstudien - aber wer einen Film an "Sieben" anlehnt muß sich auch an diesem Werk messen lassen. Und da offenbaren sich auch die Schwächen von Anamorph, die aber vom Buch her bereits bedingt sind und für die Miller wenig kann: Der eigentliche Antrieb des Mörders bleibt völlig im dunkeln, die Verbindung der Toten, der tiefere Sinn des Mordens bleibt uns verborgen, und somit tut man sich schwer den Film nachzuvollziehen. Auch die letztliche Auflösung des ganzen Dramas bleibt eher belanglos als essentiell - der Tod von Sandy scheint daher Verschwendung anstatt Bereicherung für den Plott zu sein. Der Film baut zu stark auf der Seite der Ermittler auf, beleuchtet nur von dieser Seite - das spannende Wechselspiel mit den Ansichten der "anderen Seite" fehlt.

Die Bildgewalt indes ist hervorragend, die Regiearbeit von Miller auf höchst erstaunlichem Niveau. Die bereits erwähnten Schauspieler, aber auch James Rebhorn (bekannt als Jim Feingold aus "The Game") als Polizeichef können allesamt begeistern und machen ihre Sache überdurchschnittlich gut. Besonders Dafoe kann sich naturgemäß gut in seine Rolle hineinversetzen und spielt absolut authentisch. Der passend stimmungsvolle und dezente Score tut sein übriges dazu um die feinen Noten des Films zu unterstreichen.

"Anamorph" ist sehenswert, steht aber zu jedem Zeitpunkt im übermächtigen Schatten von "Sieben". Trotzdem ein guter lohnenswerter Film.

(7/10)

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