Review
von Cineast18
Fans des Horror-Genres wissen es schon längst: Der (oft vermeintliche, hier allerdings tatsächliche) Tod eines Serienkillers war noch nie ein zwingender Grund, eine Horror-Reihe zu beenden. Und so dürfte es kaum verwundern, dass nur ein Jahr nach Jigsaws spektakulärem Tod der vierte Teil der berüchtigten "Saw"-Reihe in die Kinos kam. Diesmal erwischt es einen der Polizisten, die unermüdlich auf der Jagd nach dem kranken Killer sind. Während der Cop einen neuen grausamen Parcour absolvieren und über Leben und Tod von Mitgefangenen entscheiden muss, mischen sich inzwischen FBI-Agenten in die Jagd nach Jigsaw ein, um dem bestialischen Morden endlich ein Ende zu setzen. Doch so leicht macht es das verrückte Genie den Ermittlern nicht.
Nach dem entfesselten Gewalt-Inferno des dritten Teils lag die Messlatte unter Genre-Fans hoch. Und gleich die allererste Szene hält locker mit den blutigsten Szenen aus dem Vorgänger mit: Wenn Jigsaws Leiche in aller Ausführlichkeit obduziert wird, dürften abgebrühte Gore-Fans ob der extrem realistischen Effekte ihre helle Freude haben. In welchem Film hat man schließlich schon einmal gesehen, wie jemandem die Haut vom Hinterkopf über das Gesicht abgezogen und umgeklappt wird? Nur um danach in aller Ruhe den Schädel öffnen und das Gehirn entnehmen zu können?
Nach dieser finsteren, für Medizinstudenten beinahe lehrfilmhaften Einleitung fällt "Saw 4" aber leider sehr schnell in höchst durchschnittliche Muster zurück. Zwar bleiben die meisten Gewaltszenen grausam und blutrünstig, aber eine wirklich neue Dimension des Entsetzlichen wird hier nicht erreicht. Einige Szenen sind in einem so hektischen Bildersturm geschnitten, dass sie sich beinahe selbst zensieren. Und wie schon im dritten Teil stören die komplexen Apparaturen zur Bestrafung der Opfer mittlerweile durch ihre Umständlichkeit und dadurch mangelnde Glaubwürdigkeit.
Überhaupt gerät der vierte Teil der Reihe noch weit zynischer als die Vorgänger. Aus der provokanten, aber diskussionswerten Idee, Menschen den Wert ihres Lebens zu verdeutlichen, indem sie schreckliche Dinge dafür tun müssen, wird hier eine reine Bestrafung für begangene Fehler und Verbrechen. Da soll sich der Vergewaltiger entweder selbst die Augen ausreißen oder in Stücke fetzen lassen - solche Fantasien bedienen wirklich die niedersten Racheinstinkte. Mit den bösartigen Moralüberlegungen des ersten Teils hat das gar nichts mehr zu tun.
Und auch die Story hat viel von ihrer Glaubwürdigkeit und damit auch ihrer atmosphärischen Dichte und Spannung verloren. Viel zu viele Unwägbarkeiten werden hier so dargestellt, als habe Jigsaw sie alle voraussehen können. Und auch dass er mehrere "Spiele" gleichzeitig laufen lassen soll, scheint dann doch ein wenig unrealistisch. Hinzu kommen die zahlreichen Rückblenden, die zwar ein durchaus interessantes Licht auf die Geschichte des Killers werfen und zeigen, wie aus einem verzweifelten, gebrochenen Mann ein hinterhältiger Mörder wurde, die aber auch meistens zu hektisch inszeniert und abrupt wieder abgebrochen werden. Am Ende stören sie schlicht den Fluss der Story und mindern die Spannung, die sich eigentlich gar nicht erst richtig aufbauen kann.
Die obligatorische finale Storywendung bleibt relativ vorhersehbar und unspektakulär - einzig die Erkenntnis, dass man sich zeitlich gar nicht so weit vom dritten Teil entfernt bewegt wie angenommen, sorgt für eine gelungene Überraschung; wirft dabei aber auch gleich wieder Fragen nach der Plausibilität der Gesamtstory auf. Zwar macht Darren Lynn Bousman seinen Job als Regisseur auch ein drittes Mal sehr gut und taucht die Bilder in geisterhaftes Licht, dreckig-bedrückende Settings und finstere Räume. Doch man merkt, dass die Erfinder der Reihe James Wan und Leigh Whannell nicht mehr am Drehbuch beteiligt waren. Zu wackelig wirkt die ganze Storykonstruktion, zu viele Fragen werden aufgeworfen und Zufälligkeiten unbeachtet gelassen. Insgesamt kann "Saw 4" nicht mehr mit den krassen Vorgängern mithalten - er dürfte höchstens für einen kurzweiligen Fan-Abend reichen.