Ob man mit dem historischen Schrecken der NS-Judenvernichtung seinen cineastischen Spaß treiben dürfe, dies ist seit Lubitschs grandiosem "Sein oder Nichtsein" eine oft debattierte Frage. Der trotz vieler renommierter Festivalpreise erst mit mehrjähriger Verspätung in die deutschen Kinos gelangte "Train de Vie" (1997) fällt unter eben diese umstrittene Kategorie einer augenscheinlichen Komödie vor tragischem, weil massenmörderischem Hintergrund. Aber dieser Film umschifft die stets lauernden Untiefen moralischer Zweideutigkeit auf wirklich souveräne Weise, denn er besitzt einen wunderbaren, und man muß dies so sagen: sehr jüdischen Humor; einen Humor, der einem physisch, materiell oder militärisch überlegenen Gegner kraft seines inhärenten selbstironischen Potenzial den blutgetränkten Boden unter den nagelgestiefelten Füßen wegzieht.
Vieles an diesem Film erinnert - neben den mehr oder minder komischen Aspekten - an Märchen- oder Traumsequenzen, an Elemente aus dem Reich bildlicher Fabulierungskunst, und wer sich diesbezüglich eine ausreichende Sensibilität bewahrt hat, den wird auch die schlußendliche Volte nicht völlig überraschen. Denn es wäre ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein...
"Zug des Lebens" ist nicht zuletzt eine kraftvolle Hommage an die über alle individuelle wie kollektive Tragik triumphierende Lebensfreude, an Sinn und Sinnlichkeit menschlichen Daseins. Insofern bedeutet dieser Film, der sich das mitunter verzweifelte, aber dennoch lebendige Lachen der Opfer über sich selbst gestattet, eine schallende Ohrfeige in die Visage der Täter und ihrer Nachkommen.
Fazit: Ganz großes, bewegendes Kino. Deshalb 9/10.