Nein, der kleine Junge überlebt das immer noch bitterböse gehaltene Ende nicht. Auch die anderen Unannehmlichkeiten, welche dem österreichischen Original seine emotionale Tiefenwirkung verleihen, finden sich allesamt im Remake wieder. Zunächst einmal könnte man also lobend erwähnen, dass die übliche Glattbügelung durch die Traumfabrik (wie es beispielsweise ganz böse mit „Spurlos“ geschah, wo das amerikanische Remake ebenfalls vom Holländer George Sluizer stammte) nicht stattfand. Eine Existenzberechtigung für seine eigene Neuaufpolierung findet selbst der sonst so wortgewandte Michael Haneke nicht, bedenkt man seine Äußerungen im Vorfeld: Das amerikanische Publikum müsse angesprochen werden, denn extra für diese moralisch verrottete, geistlose Welt hat Haneke sein moralistisches Werk 1997 geschaffen. Das jenes tumbe Publikum, welchem Haneke den Spiegel vorhalten will, entweder nicht in den Genuss des Films kommt oder ihn sicher nicht so begreifen will, wie es der Film verlangt, kann kaum verleugnet werden. Wie man es auch dreht und wendet, eigentlich kann „Funny Games U.S.“ sich nur negativ auswirken auf das Gesamtwerk Hanekes, auf seine künstlerische Glaubwürdigkeit, sodass der eigentliche Film leider gar keine Chance hat.
Wie weilend Gus van Sant sich an „Psycho“ verging, genauso einfallslos kopiert Haneke sich selbst. Während es bei van Sant wenigstens die große Achtung gegenüber Hitchcock war, die ihn veranlasste jedes Bild nachzudrehen (was das Remake sicherlich nicht sinnvoller macht), so verkommt diese Methode bei Haneke zum eitlen Selbstlob. Zehn Jahre sind ins Land gezogen seit der Veröffentlichung des Originalfilms, der Regisseur scheint seinen Film aber für derartig perfekt und universell zu halten, das nicht die geringste Änderung notwendig erscheint. So sehen wir erneut den gleichen Film mit minimalen Verfeinerungen in Bezug auf Kameraperspektiven und Produktionsdesign, und fragen uns schon bald unweigerlich, was das Ganze denn nun soll. Und das der Film seine Wirkung durchaus entfalten kann wenn man das Original nicht kennt, sollte kein Argument zur Verteidigung eines gänzlich überflüssigen Films sein, mit dem selbst Haneke-Bewunderer streng genommen kaum glücklich werden dürften.
Schade eigentlich, denn Hanekes strikte Verweigerung, seinem Film neue Sichtweisen abzugewinnen, wirkt wie die verächtliche Verschenkung der großartigen Darsteller. Tim Roth und Naomi Watts meistern ihre schwierigen Rollen mit erkennbarer emotionaler Öffnung. Besonders Naomi Watts begeistert, letztlich fällt ihr aber auch eindeutig der wichtigere Part zu, da Roth durch seine Verletzung schon früh in der Handlung seiner Aktivität beraubt wird. Devon Gearheart zeigt ebenfalls eine große Leistung, beängstigend authentisch vermittelt er die Angst und das Unverständnis seiner Figur und beweist ein phänomenales Einfühlungsvermögen, das nicht nur durch sein Alter bemerkenswert ist. Arno Frisch und Frank Giering bleiben als nihilistische Mörder aber klar unerreicht, ihrer Eiseskälte können Michael Pitt und Brady Corbet nur bemühte Imitation entgegen setzen.
Selbst wenn man die unbestreitbar konservativen Kerngedanken in „Funny Games“ nicht teilt, so lässt sich nicht von der Hand weisen, wie intensiv und klaustrophobisch das Dargebotene inszeniert wurde. Im Gegensatz zur aktuell immer noch nicht abreißenden Begeisterung für so genannte Torture-Porn-Filmkost, stellt Haneke Gewalt nicht in ein unterhaltsames Licht: Wenn hier eine Familie langsam und unerbittlich ausgelöscht wird und die Eltern den gewaltsamen Tod des eigenen Kindes hilflos ertragen müssen, dann ist dann nur schwer zu ertragen und kaum konsumierbar. Aber all das kennt man ja leider schon, der Witz – das wir als Publikum die wahren Täter sind – ist also von Anfang an raus. Immer noch maßt sich Haneke, Liebling der deutschsprachigen Filmkritik, gegen die Seegewohnheiten ganz Amerikas zu wettern, ist sich aber nicht zu schade, selbst Teil dieser Filmindustrie zu werden. Das unterscheidet ihn maßgeblich vom dänischen Skeptiker Lars von Trier, der ein ähnliches Amerika- und Medienbild vertritt, sich selbst aber niemals einbinden lassen würde (eventuelle künstlerische Freiheit hin oder her) in die Industrie, die er so hasst. Folgerichtig hat von Trier niemals amerikanischen Boden betreten und der Zuschauer nun „Funny Games U.S.“ am Hals.
Fazit: „Funny Games U.S.“ stellt sich als eine Frechheit heraus und als zum Himmel stinkendes Eigenlob von Seiten Hanekes – traurig für die exzellenten Darsteller, die ihre Zeit sicherlich besser hätten anlegen können und auch traurig für den verarschten Zuschauer, für den dasselbe gilt. Am schlimmsten ist aber, dass dieses Remake erstmals die prätentiösen Schwächen des Originals für mich ersichtlich gemacht hat. Dass dies gerade durch den Mann geschah, dessen „Funny Games“ mir vor Jahren das Blut in den Adern gefrieren ließ – dafür sollte sich Michael Haneke schämen. Oder ich hab einfach das Essentielle nicht verstanden, kann ja auch sein, schließlich sind Hanekes Filme nichts für ungebildete, amerikanisierte Gore-Kiddies wie mich. Ich zieh’ mir jetzt nen Troma-Film an oder vielleicht auch einen schön blutigen Fulci-Streifen rein – ist doch viel geiler als der ganze Remake-Kram.
01 / 10