Mit seinem neuen Film "Ai no yokan" (= Vorahnung der Liebe) macht es einem Regisseur, "Drehbuch"autor und Hauptdarsteller Masahiro Kobayashi nicht leicht.
Der Film ist dermaßen radikal in seiner wortlosen und extrem repetitiven Darstellung von alltäglichen Standardabläufen wie arbeiten, nachhausefahren, nachhausekommen und essen, etc, dass Kobayashi selbst bei Vorführung des Films augenzwinkernd meinte, wenn der Sitznachbar im Kino einschläft, solle man ihn doch schlafen lassen.
Die Geschichte, die der Film erzählt, ist es jedoch allemal wert, sich auf dieses, formal von Stummfilmen und ideologisch von dem Mizoguchi Werk "The Crucified Lovers" beeinflußten, im wahrsten Sinne des Wortes langwierige und eintönige Experiment einzulassen:
Im Prolog (die einzigen Szenen des Films, in denen gesprochen wird) werden die beiden Protagonisten in Interviews vorgestellt: die Mutter eines Mädchens, die eine Klassenkollegin ermordet hat und der Vater des Opfers.
Hier bekommt man bereits eine Ahnung von dem, was danach, ein Jahr später deutlich wird: die beiden sind mittlerweile völlige emotionale Wracks, leben nur noch in Apathie vor sich hin, das Leben hat jeglichen Sinn verloren, besteht nur noch aus der absoluten emotionslosen Befriedigung der Grundbedürfnisse wie essen oder schlafen (man erfährt zu Beginn noch, dass der Vater kurz vor seiner Tochter auch seine Frau nach langem Kampf an den Krebs verloren hat).
Der Vater will von der Mutter der Täterin nichts wissen, keine Entschuldigung akzeptieren, ihr Gesicht nie wieder sehen.
Und doch treffen sie sich ein Jahr nach der Tat zufällig Abend für Abend wieder: in dem Heim(?), in das der Mann nach getaner, monotoner Fabriksarbeit kommt, arbeitet die Frau als Küchengehilfin.
So verändern sich durch die sanfte Wiederbegegnung der beiden, die Annäherung, die gegen Ende des Films immer mehr voranschreitet, die alltäglichen, wie schon erwähnt radikal repetitiv, naturalistisch und ausführlich abgefilmten Rituale von Tag zu Tag minimal...
Kobayashi hat einen sehr persönlichen, minimalistischen, alles andere als leicht zu konsumierenden Film gedreht, dessen Rhythmus dennoch (vor allem im Nachhinein betrachtet, denn während des Sehens ist die Chose selbst für Fans des "langsamen Kinos" doch stark stapaziös und ermüdend) genau passt.
Die Motive der Trauer oder vielmehr der unfassbaren Leere, die aus dem unwiderruflichen Verlust geliebter Menschen entsteht, werden auf diese Weise perfekt vermittelt, genauso wie Raum bleibt für eine Veränderung, einen Neuanfang, der schlicht viel, sehr viel Zeit braucht. Somit ist diese Vorgehensweise vor allem ehrlich und dem Thema gegenüber angemessen respektvoll.
"The Rebirth" (so der alternative, für den internationalen Markt gewählte Titel; das Original ist wohl eher aus Marketinggründen für den japanischen Markt gewählt worden), ein Film also, der rückblickend fast mehr durch seine Aussage, seine Nachwirkung lebt als durch sein unmittelbares, richtiggehend ermüdendes Seherlebnis.
Ai no yokan ist ein einzigartiges Werk, das den Zuschauer nicht nur fordert, sondern ihm tatsächlich einiges zumutet (wobei hier nicht von unangenehmen Dingen die Rede ist!), aber am Ende auch etwas zurückgibt und damit deutlich mehr als ein formales, möglicherweise als "publikumsfeindlich" interpretierbares Experiment ist.
(eine nette Anekdote am Rande: Kobayashi, der den Hauptcharakter großartig verkörpert, wollte die Hauptrolle ursprünglich gar nicht spielen, jedoch sagte ihm ein "bekannter japanischer Darsteller" nach einem Jahr Vorbereitungszeit, dass er noch ein weiteres Jahr brauche, um die Rolle vernünftig spielen zu können, woraufhin der Filmemacher die Sache lieber gleich selbst in die Hand nahm. Ob diese angesichts der minimalistisch angelegten Spielweise eher verwundernde Aussage der Wahrheit entspricht oder nur ein schelmischer Kommentar Kobayashis auf die "warum spielen Sie zum ersten Mal selbst"-Frage war, sei dahingestellt)