Der arabischstämmige US-Chemiker Anwar El-Ibrahimi betritt in Kapstadt ein Flugzeug, verlässt es aber in Washington nicht mehr. Offiziell war er nie auf diesem Flug, und die Südafrikaner haben einen Fehler gemacht. Das behaupten die amerikanischen Behörden steif und fest, doch El-Ibrahimis Frau Isabella kann hieb- und stichfest belegen, dass ihr Mann tatsächlich an Bord dieses Fluges war, aber die Frage ist natürlich: Wohin ist er verschwunden? Isabella stößt auf eine Mauer des Schweigens.
Sie kann sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, dass ihr Mann in einem US-amerikanischen Geheimgefängnis in Ägypten sitzt und verhört wird. „Verhört“, das bedeutet dass er gefoltert wird, um die Hintermänner eines vor ein paar Tagen erfolgten Selbstmordanschlags in Nordafrika zu verraten, von denen er selbstredend nicht die geringste Ahnung hat. Und niemand glaubt seinen Unschuldsbeteuerungen …
Nach den Ereignissen im September 2001 dauert es nicht mehr lange und die Nachricht ging durch die Medien der Welt, dass die USA in aller Herren Länder Geheimgefängnisse unterhalten. Dort werden Gefangene mit barbarischsten Methoden gefoltert um den „Kampf gegen den Terror“ weiterzuführen. Da aber diese Gefängnisse nicht auf amerikanischem Boden liegen, unterliegen sie auch nicht der amerikanischen Gerichtsbarkeit. Wer dort landet ist verloren. Bis heute sollen vor allem in einigen osteuropäischen Staaten diese Gefängnisse existieren. HOSTEL anyone …?
Diesen Zeitbezug muss man aber parat haben, um MACHTLOS richtig einsortieren zu können. MACHTLOS ist kein ewig gültiger Politthriller à la AUGENZEUGE EINER VERSCHWÖRUNG, sondern bezieht sich eben sehr stark auf damals aktuelle Nachrichten und Vorkommnisse, die zwar heute wahrscheinlich immer noch bestehen, aber eben nicht mehr in den Medien gehandelt werden. Durch diesen Zeitbezug kann es aber schnell passieren, dass man den Film als Flickwerk abhandelt, welches einige Löcher im Ablauf aufweist und vor allem gegen Ende hin unlogisch und krampfhaft mainstreamig wird.
Dabei wird aber gerne das Drama übersehen, um welches sich die eigentliche Erzählung rankt. Mehrere Ebenen werden hier parallel aufgefächert, und der deutsche Titel Machtlos passt zu jeder dieser Ebenen geradezu perfekt. Da ist einmal natürlich El-Ibrahimi, der in den Händen der Folterer ist, die ihm seine Unschuld nicht glauben wollen (und nicht glauben dürfen, weil ihnen dies untersagt wird), und denen er auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist bis es ihnen gefällt ihn irgendwann, in gefühlten 1000 Jahren, einmal endlich zu töten. Dann ist da der junge Analytiker und Schreibtischtäter Douglas Freeman, der diese Folterungen berufsmäßig beobachten muss, und daran zunehmend verzweifelt. So kalt wie er tut ist er nicht, und das, was er da sieht was „sein“ Land anderen Menschen antut, beginnt ihn aufzufressen. Diese Dinge wurden in der Agentenschule nicht gelehrt, und er beginnt immer mehr, den Sinn seines Jobs in Frage zu stellen. Aber auch Freeman (man beachte das Wortspiel des Namens) ist machtlos gegenüber den Anweisungen seiner Vorgesetzten einerseits, und den Ausführungen des Folterers andererseits, denn er darf in die „Verhöre“ nicht eingreifen.
Dann ist da El-Ibrahimis junge Frau Isabella, die in Washington versucht herauszubekommen was ihrem Mann zugestoßen ist, und die zunehmend gegen immer höher wachsende Mauern läuft. Zwischen dem Wunsch nach Wiederwahl und der Notwendigkeit des Schutzes der Nation (durch Folterung Verdächtiger in anderen Ländern! Aber die USA foltern nicht, das wird von der CIA-Verantwortlichen Corrine Whitman klar und deutlich festgestellt), zwischen diesen beiden Polen kann und darf es keine Aussage über das Schicksal eines armen Tropfes geben, der zwischen die Mühlsteine der großen Menschenvernichtungsmaschinerien gekommen ist. Auch Isabella ist hilflos, und die Menschverachtung die ihr entgegenschlägt, ist die gleiche, die ihrem Mann angetan wird. Alles im Namen des Schutzes von Menschen, wohlgemerkt …
Parallel dazu wird die Geschichte der jungen Fatima erzählt, die sich in Khalid verliebt hat, wo doch ihr Vater einen anderen Mann für sie ausgewählt hat. Ihr Vater, das ist der verantwortliche Folterer im Gefängnis, der seine Familie liebt, aber die Prinzipien seines Lebens und seines Glaubens sind für ihn wichtige Säulen und geben ihm Halt, und darum darf die Tochter keinen anderen Mann haben als denjenigen der er auswählt. Fatima flüchtet zu Khalid und kann nicht mehr nach Hause – Sie ist ebenfalls machtlos, und muss sich nun mit Khalid zusammen eine Zukunft aufbauen. Was nicht so ganz einfach ist, denn ebendieser Khalid ist ohne ihr Wissen Mitglied einer islamistischen Bruderschaft, die mit Selbstmordattentaten die Welt verändern will. Auch Khalid ist machtlos gegenüber den Einflüsterungen der falschen Propheten, die denken, dass Tod und Leid Heil bringen. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass auf der Seite der Ungläubigen die gleiche Meinung herrscht, nur dass Tod und Leid dort in einem anderen Maßstab verbreitet werden, nämlich durch die Folterung einzelner, anstatt durch möglichst grausam ausgeführte Sprengstoffanschläge auf viele Menschen. Aber Feuer und Schwert sind auf beiden Seiten auf jeden Fall die bevorzugten Mittel zum Bringen der gerade aktuellen Heilsnachricht …
Und das Entsetzlichste ist, dass die Argumentation Corrine Whitmans durchaus schlüssig ist. Wenn durch das Leid eines Einzigen das Leid von Tausenden vermieden werden kann, ist es das Leid dieses Einzigen wert? Diese Frage durchzieht den Film, und es ist eine hochgradig spannende Frage, die all den Unfug der letzten Viertelstunde locker überdauert und hinterher leuchtend im Raum steht: Wie kann man die Menschen, für deren Schutz man zuständig ist, am Besten schützen? Und es ist gleich, ob es um die Bürger eines Landes geht, oder um die eigene Familie. Und weil diese Frage so wunderbar gar nicht beantwortet wird, und weil die Personen, so plattitüdenhaft sie auch angelegt sein mögen, so realistisch wirken, weil zwar die amerikanische Produktion sich nicht einigen konnte ob der Anschlag jetzt in Tunis stattfand und die Folterungen von den Ägyptern ausgeführt werden (halt irgendwo in Nordafrika, das sind ja laut irgendeinem US-Präsidenten der letzten Jahre eh alles Dreckslöcher), die Atmosphäre in den Straßen und Gassen aber perfekt und vor allem realistisch getroffen wird, und weil so einige kleine und kleinste Dramen, die vielleicht auch nur angerissen werden, zum Nachdenken und Reflektieren anregen, deswegen ist MACHTLOS ein Film dem man ruhig eine Chance geben sollte. Er hat einige Fehler, aber er trifft eine (politische) Aussage und regt an zum Nachdenken und zum Diskutieren. Und solche Filme gibt es heutzutage nicht mehr so viele …