Review

Ähnlich wie in "Operation Kingdom" beschäftigt sich auch "Machtlos" mit den "Selbstmordattentätern" – hier am Beispiel von Ägypten - und bemüht sich dabei um eine komplexe Sichtweise auf die Hintergründe und Reaktionen der verschiedenen Seiten. Anders als "Operation Kingdom" setzt "Machtlos" auf einen Blick ins Private, verfolgt verschiedene Handlungsstränge und verzichtet fast vollständig auf Action.

Entsprechend beginnt der Film mit verschiedenen Paarkonstellationen, die alle etwas Außergewöhnliches an sich haben. Der CIA-Mitarbeiter Douglas Freeman (Jake Gyllenhaal) liebt eine junge Ägypterin, die in seinem Büro in Kairo arbeitet, der junge Khalid begehrt die jungfräuliche Fatima, die einem anderen Mann versprochen wurde und Tochter eines Polizeioffiziers ist, und Anwar El-Ibrahimi (Omar Metwally) telefoniert mit seiner amerikanischen Frau Isabella (Reese Witherspoon) und kündigt seine Heimkehr für den Abend an. Allen drei Paaren haftet der Ruch des Verbotenen an, denn sie bedeuten Grenzgänger aktueller moralischer Vorstellungen - ganz konkret verstößt Khalid gegen Gesetze des Korans, verletzt Douglas Freeman Vorgaben seines Arbeitgebers und auch die Ehe zwischen der blonden Amerikanerin und dem schon seit seiner Jugend in den USA lebenden Moslem, wirkt in den USA spätestens seit dem 11.September provokativ.

So gleichwertig diese Paare vorgestellt werden, so unterschiedlich ist ihre Bedeutung für den Film. Während Freemans Beziehung nur folkloristischen Charakter hat und Khalids Gefühle für Fatima seinem Charakter eine gewisse Tiefe geben sollen, so ist das Geschehen um Isabella, die sich in Washington für ihren verschwundenen Mann einsetzt, der am genauesten beobachtete und eindringlichste Teil des Films. Direkt nach dem Selbstmordattentat, bei dem 19 Menschen getötet (darunter ein CIA-Mitarbeiter) und sehr viele verletzt werden, wird Anwar El-Ibrahimi an seinem Heimat-Flughafen, wo ihn seine schwangere Frau und sein kleiner Sohn erwarten, von der CIA ohne Angabe von Gründen verhaftet und unmittelbar danach in ein Gefängnis nach Ägypten gebracht, wo er „verhört“ werden soll.

Dieser jedem Menschenrecht und Justizvorgaben widersprechende Vorgang, wird in den USA mit der besonderen Situation nach dem 11.September begründet, und als sich Isabella in ihrer Not an einen alten Freund, der in Washington Karriere gemacht hat, wendet, stößt sie auf eine Wand des Misstrauens und Schweigens. An diesen Szenen, die im Washingtoner Geflecht der Außendarstellung und interner Machtinteressen spielen, erkennt man, welche Chancen das Thema geboten hätte, denn hier verlässt sich Regisseur Gavin Hood auf seine ausgezeichneten Darsteller. Peter Sarsgaard, Alan Arkin und Meryl Streep bewirken mit ihrem nuancenreichen Spiel wesentlich stärker das Gefühl der Machtlosigkeit als die gesamten plakativen Vorgänge um Folter und Bombenattentat. Denn hier wird die amerikanische Geisteshaltung seziert, der weder mit Intelligenz noch emotionalen Beweggründen beizukommen ist – und das nicht nur in der hier geschilderten Situation um die schwangere Isabella, sondern ganz generell.

Dagegen wirken die gesamten Schilderungen in Ägypten unausgegoren und letztlich kontraproduktiv. Zwar wird der folternde Polizeioffizier Fawal (Yigal Naor), dem das Attentat galt, auch von seiner privaten Seite gezeigt, aber das ändert nichts an seiner Rolle als Erfüllungsgehilfe der amerikanischen Interessen. Im Gegensatz dazu spielt Gyllenhaal den sensiblen Agenten, der der Folter zusehen muss, und darunter leidet. Es braucht einige Zeit bis er gegen diese Sinnlosigkeit angeht und er wird auch selbst einmal handgreiflich, aber zuletzt gibt er den geläuterten Moralisten, dem seine Karriere egal ist und der sich gegen seine Vorgesetzten auflehnt.

Ähnlich ist die Wirkung hinsichtlich der Charakterisierung des Selbstmordattentäters Khalim. „Machtlos“ versucht zwar die Gewaltschraube darzustellen, in dem er den Foltertod seines Bruders als Auslöser beschreibt, aber die Wirkung der Rede, die einer der moslemischen Anführer vor den jungen Männern hält, ist in ihrer Kompromisslosigkeit wesentlich intensiver. Auch die Verwicklungen um Khalims Liebe ausgerechnet zu der Tochter des Anschlagziels und die sich daraus ergebenden tragischen Verwicklungen, verpuffen angesichts des Terrorakts, der rücksichtslos durch einen Schuss in Khalims Rücken ausgelöst wird, als unglaubwürdiger Angriff auf die Tränendrüsen des Zuschauers. Letztendlich werden auf diese Weise sogar die perfiden Verhaltensmuster der amerikanischen Gegenseite überdeckt, da solcher Aktionismus immer einen stärkeren Eindruck hinterlässt, als psychologische Spielchen.

Doch den schwersten Fehler begeht „Machtlos“ in seiner Art der Inszenierung, in dem er mit einem lange Zeit nicht bemerkbaren Zeitsprung zwischen den Handlungssträngen, künstlich Spannung erzeugen will und zum Schluss für einen Überraschungseffekt sorgt. Doch dieser bringt keine „Aha“-Wirkung hervor, sondern nur ungläubiges Staunen, denn zum Einen wurde in keiner Sequenz darauf hingewiesen, so dass zumindest ein kleines Gefühl des Ungewissen entstanden wäre, zum Anderen ist es nur schwer vorstellbar, dass die Polizei eine Woche nach dem Attentat noch nicht die Identität der Opfer festgestellt hatte.

Fazit: „Machtlos“ wirkt im Gegensatz zu „Operation Kingdom“ äußerlich sensibler, emotionaler und in seiner ruhigen, nur auf wenige Effekte zielenden Handlung scheinbar differenzierter. Aber trotz der sicherlich kritischen Sichtweise auf das us-amerikanische Vorgehen, erzeugt „Machtlos“ gerade in seinem Willen zur Objektivität und dem Versuch, Hintergründe darzustellen, eine deutlich grössere Einseitigkeit als das parallel entstandene „Operation Kingdom“, denn die ausführenden Täter sind hier auf beiden Seiten nur die Ägypter, während die USA die Fäden in der Hand hält.

Zudem kann „Machtlos“ durch die vielen Handlungsstränge keine Identifikation zu einer der handelnden Personen aufbauen, so dass das Gefühl der Machtlosigkeit, das der Film zu Recht anprangert, abstrakt bleibt und sich nicht wirklich vermittelt (4/10).

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