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Im Prinzip macht Christopher Hawley (Chris Sharp) nur zwei Fehler. Einen kleinen und einen großen. Doch die reichen aus, um sein langweiliges, eintöniges, festgefahrenes Leben für immer zu verändern. Der kleine Fehler ist, daß er zu Halloween eine Einladung, die ihm der Wind vor die Füße weht, aufhebt und liest. Der große Fehler ist dann, daß er sich entscheidet, zur angekündigten "Murder Party" auch hinzugehen. Aus Pappkartons und mit Klebeband bastelt er sich auf die Schnelle ein Ritterkostüm... selten hat man einen Ritter von traurigerer Gestalt gesehen. Bald betritt er die Lagerhalle, wo die Party steigen soll, und seine Gastgeber starren ihn verdutzt an. Sie hatten nicht wirklich damit gerechnet, daß tatsächlich jemand so blöd sein könnte und erscheint. Jetzt, da das Opfer hier ist, völlig freiwillig, machen sich "Wolfsmensch" Macon (Macon Blair), "Vampirgraf" Paul (Paul Goldblatt), "Warrior" Bill (William Lacey), "Cheerleader" Sky (Skei Saulnier) und sexy Lexi (Stacy Rock), verkleidet als "Pris" aus Blade Runner, ans Werk, schließlich verspricht die Einladung eine "Murder Party", und dieses Versprechen gedenken sie auch zu halten. Im Nu ist Christopher überwältigt und an einen Stuhl gefesselt, seinen Peinigern hilflos ausgeliefert. Als dann der Förderer bzw. Initiator des Abends, Alexander (Sandy Barnett) mit seinem drogendealenden Assistenten Zycho (Bill Tangradi), auftaucht, dämmert es dem Tölpel endlich, daß er in die Fänge einer durchgeknallten Künstlergruppe geraten ist und daß sein spektakuläres Ableben ihr Halloween-Kunstprojekt ist.

Bevor der US-Indie-Filmemacher Jeremy Saulnier, Jahrgang 1976, mit Blue Ruin (2013) und Green Room (2015) - letzterer mit Anton Yelchin, Imogen Poots und Patrick Stewart erstklassig besetzt - Erfolge feierte, drehte er die aberwitzige No-Budget-Perle Murder Party, gemeinsam mit Freunden und Kollegen, die sich zum Kollektiv "The Lab of Madness" zusammengeschlossen hatten. Murder Party ist eine kleine, jedoch ungemein erfrischende Horrorkomödie, so bissig, bitterböse und subversiv, daß man sich glatt wundert, wieso es dieses funkelnde, mit viel Herzblut angereicherte Kleinod nicht zum anerkannten Kultklassiker geschafft hat. Es ist schon erstaunlich, was Saulnier und seine Mitstreiter aus dieser ausgelutschten Grundidee herausholen, wie es ihnen gelingt, dem altbekannten Szenario neue Seiten abzugewinnen und das Publikum einige Male zu überraschen. Daß der famose Billigstreifen so gut funktioniert, ist sowohl auf den gut durchdachten Handlungsverlauf als auch auf die interessante Figurenkonstellation zurückzuführen, wobei die Antagonisten ganz köstlich zum schillernden Leinwandleben erweckt werden. Diese blasiert-prätentiöse Psychopathen-Truppe ist so schmerzhaft nah an der Realität, daß so mancher hippe Künstler-Snob bestimmt denkt, er würde gerade in einen Spiegel schauen. Die Schnösel feiern sich selbst, ziehen hinter dem Rücken über Kollegen her und sind sich auch nicht zu schade, situationselastisch zu agieren, wenn plötzlich die große Kohle winkt. Das ist verdammt gut beobachtet und messerscharf umgesetzt.

Daß sich der wochenlang vorbereitete Abend bei so vielen unterschiedlichen Egos dann nicht wie geplant entwickelt und alles gehörig aus dem Ruder läuft, bis einer der irren Kunstschaffenden mit seiner Axt den Bodycount in die Höhe treibt, "Every... body... dies...!" murmelnd, ist dann nur folgerichtig. Weit verwunderlicher sind da schon die originellen und galligen Details, mit denen der Amoklauf gespickt ist, sowie die grotesken Geschehnisse unmittelbar vor der Eskalation. Murder Party ist gewiß kein Gorefest, dennoch ist der Streifen an einigen Stellen sehr blutig. Und in Anbetracht des kaum existenten Budgets muß man dem für die Spezialeffekte zuständigen Paul Goldblatt attestieren, daß er richtig gute Arbeit geleistet hat. Ist das verbrannte, mit einer Maske verschmolzene Gesicht schon ein echter Hingucker, so hat er sich - unterstützt von Chris Connollys visuellen Effekten - mit der Sequenz, in der sich eine laufende Motorsäge blutig in ein Gesicht fräst, selbst übertroffen. Das ist schlicht und ergreifend einer der besten Splatter-Effekte, die ich je in einem solch minibudgetierten B-Movie gesehen habe. Saulniers Spielfilmdebut ist rauh an den Seiten, ungeschliffen an den Ecken, und generell alles andere als perfekt, was trotz eines recht langen Hängers im Mittelteil (der Extreme-Truth-or-Dare-Part) kaum ins Gewicht fällt. Tatsächlich ist dieser krude, schrullig-herbe Stil eine der großen Stärken des in Brooklyn gedrehten Indie-Streifens, der dann auch noch in ein perfektes Ende mündet, so auf den Punkt, man möchte aufstehen und applaudieren.

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