Ein Remake ist nur dann sinnvoll, wenn es gegenüber dem Original bedeutende Neuerungen einbringt, die die erzählte Geschichte besser zur Geltung bringen. Oftmals sind Fortschritte bei den Spezialeffekten der Auslöser für Neuauflagen. George Lucas personifiziert diese Maßnahme ja geradezu, indem er seine Star Wars-Trilogie wieder und wieder generalüberholte. Im Falle wirklicher Remakes läuft das nicht anders; mal mit mehr Erfolg ("Die Fliege", "Der Blob"), mal mit weniger ("Planet der Affen", "DNA").
"Freeze" bewegt sich abseits dieser Überlegungen. Sein eigentlicher Sinn besteht einfach nur darin, dem US-Publikum den überaus originellen dänischen Thriller "Nachtwache" von Ole Bornedal näherzubringen. Denn es dürfte ja bekannt sein, dass den Amerikanern der Blick über den Teich nach wie vor schwer fällt. Wenn Amerika also nicht nach Dänemark kommen kann, muss Dänemark eben nach Amerika kommen.
So verpflichtete man auch gleich den Regisseur des Originals, was sich - wie man sehen wird - aus rein cineastischer Sicht als Fehler herausstellen sollte. Denn "Freeze" gleicht "Nachtwache" wie ein Ei dem anderen, und genau deswegen verspielt das Remake seine Daseinsberechtigung.
Dabei ist es nicht so, dass es das Original nicht wert wäre, beachtet zu werden. Im Gegenteil, Bornedal schuf eine derart klinische und morbide Atmosphäre, dass man geradezu die Luft mit der Schere zerteilen konnte. Das eigentliche Thrillergerüst, welches zwar solide, aber doch recht simpel wirkte, wurde daneben fast schon zweitrangig - obwohl Atmosphäre und Story geschickt miteinander kombiniert wurden.
Wer "Nachtwache" noch nicht sehen konnte, wird dementsprechend auch bei "Freeze" von oben genannten Qualitäten berichten können. Die Hauptrolle ist mit Ewan McGregor optimal besetzt, da auch er eine gewisse Morbidität ausstrahlt, obwohl er im Film ja das eigentliche Opfer ist. Die sich ihm eröffnende Welt beim Antritt seines Jobs als Nachtwächter in einer Leichenhalle wirkt bedrohlich und unheimlich, was Martin (McGregor) mit schwarzem Humor herunterzuspielen versucht. Doch kann er sich auf lange Sicht nicht gegen die dunklen Ecken, die Vorhänge, die von weißen Laken bedeckten Körper und die mit weißen Fliesen ausgelegten Gänge wehren. Viel wird mit Schatten und Licht experimentiert. Ebenso mit Assoziationen von Geräuschen.
Die Charaktere geben sich ebenso zwielichtig wie die Schauplätze. Martins Vorgänger ist ein skurriler alter Kauz, der jegliches Taktgefühl verloren hat. Der für die Vorfälle zuständige Polizist (Nick Nolte) schützt Martin vor Beschuldigungen, um ihn gleich darauf in ein Kreuzverhör zu nehmen. Der Arzt (Brad Dourif) hält Martin für einen Psycho und begegnet ihm nur mit giftigem Sarkasmus. Und Martins bester Kumpel (Josh Brolin) scheint irgendetwas im Schilde zu führen. Nur seine Freundin (Patricia Arquette) scheint genauso ein Opfer der Geschehnisse zu sein wie er selbst.
Handwerklich ist dem Film kein Vorwurf zu machen. Es ist nicht so, dass keine Spannung aufkäme. Im Gegenteil, das Düstere, Dreckige wurde weitgehend übernommen und entfaltet nach wie vor seine Wirkung.
Aber genau das ist das Problem: es scheint, als würden wir den gleichen Film nochmal sehen - aus einer leicht begradigten Perspektive. Alleine die Titelsequenz ist für das ungeschulte Auge kaum von der des Originals zu unterscheiden. Auch im weiteren Verlauf bewegt man sich zu keiner Zeit außerhalb der "Nachtwache"-Silhouette. Es scheint fast, als habe Bornedal absichtlich sein eigenes Werk kopiert, um bloß nicht die Magie entweichen zu lassen. Das Skurrile daran ist: irgendwie ist ihm das durch seine sklavische Regiearbeit auch gelungen, und doch wird der Film die ganze Zeit über von einem faden Beigeschmack begleitet.
Aus eigener Erfahrung muss ich hinzufügen, dass sich dieser fade Beigeschmack selbst dann entfaltet, wenn man die 1994er Vorlage noch nicht gesehen hat. Es wird einem implizit bewusst, dass die Originalität auf der Strecke bleibt. In etwa so, wie man nur anhand der Stimmlage erkennt, ob jemand einen Text abliest oder frei spricht.
Der genannte Beigeschmack ist dann auch der größte Kritikpunkt. Es ist bedauerlich, dass er nicht näher definiert werden kann, aber das lässt sich nicht ändern. Er schwebt über dem Film wie eine graue Dunstschicht.
Aber auch in filmisch greifbaren Dimensionen fällt "Freeze" gegenüber "Nachtwache" ab, und zwar immer da, wo sich das Remake vom Original zu lösen versucht. Solche Versuche resultieren stets daraus, dass notwendigerweise für den US-Markt nicht alles tauglich ist, was man in Filmen von Übersee zu sehen bekommt. Das betrifft gerade in diesem Fall die sexuelle Dimension. Die nackte Front des Hauptdarstellers zu zeigen wäre ebenso undenkbar wie den Sex in der Leichenhalle. Bei aller Atmosphäre fehlt letztendlich der letzte Radikalismus.
Darüberhinaus fallen die US-Schauspieler gegenüber ihren dänischen Gegenstücken (mit Ausnahme von McGregor und Brad Dourif) etwas zurück, was zwar alles noch in annehmbaren Dimensionen bleibt, sich aber doch bemerkbar macht.
Letztendlich unterscheidet sich "Freeze" vom dänischen Original nur in Details. Einerseits ist gerade dies ein Kritikpunkt, denn die einzige Daseinsberechtigung für ein Remake, nämlich gegenüber dem Original einen Mehrwert zu bieten, fällt hier komplett weg. Das 1998er Remake ist schlichtweg überflüssig und hat lediglich die Aufgabe, die Thematik dem amerikanischen Publikum näherzubringen. Aber nicht einmal das ist ihm gelungen, weil man an den Kinokassen nicht unbedingt Erfolge verbuchen konnte.
Andererseits machen sich gerade die Details qualitativ erheblich bemerkbar, was das Remake auch bei absolut isolierter Betrachtung gegenüber dem Original abfallen lässt. Meine Bewertung bezieht sich daher lediglich auf die Qualität des Filmes an sich. Ginge es um einen Vergleich oder um die Frage nach dem Sinn der Neuverfilmung, so bliebe mir nichts anderes übrig, als nur den einen notwendigen Punkt zu vergeben. So werden es durch die vielen spannenden Momente und die nach wie vor morbide Atmosphäre doch noch
6/10