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Das wahre Leben des Carlton Leach, aufgeteilt in viele kleine Episoden. Carl beginnt als Schläger in einer Hooligantruppe, nach einer schweren Verletzung wird er Türsteher. Er macht seine Sache gut und wird Chef einer Türsteherfirma. Nebenaufträge wie Überwachungen von Drogenjobs kommen dazu, und Dealer in Clubs lassen sich nun mal am Besten kontrollieren, wenn man selber der Dealer ist. Über seinen Fitnessclub kommt er billig an Anabolika und Steroide sowie seinen Freund Tony Tucker. Dieser wiederum führt ihn in die Gesellschaft der größeren Dealer in Essex ein, die ein Leben zwischen dem letzten Knastaufenthalt und dem nächsten Deal mit vielen Gewaltausbrüchen leben. Irgendwann wird Carl müde …

Ein Film wie ein Schlag in den Magen. Oder, um im Jargon des Filmes zu bleiben, ein Knüppeln auf die Eier. Die Gewalt bricht sich roh und unverfälscht ihren Weg, und selbst wenn die Wackelkamera vor allem zu Beginn etwas nervt, die Gewalt als solche ist spürbar. Dafür muss man sie nicht sehen. In der weiteren Karriere Leachs wird die Kamera ruhiger, und die Gewaltdarstellung damit nur umso expliziter. Was zu Beginn nur ein sinnloser Rundumschlag in vorbeihuschende Schemen war, wird später ein gezieltes Schlagen in die Gesichter von Menschen. Die Ziele werden fassbarer, und die Gewalt (zumindest für Menschen wie mich) im Gegenzug immer unfassbarer. Wo die Gewalt eines zum Beispiel Maurizio Merli noch Comiccharakter hat, erzeugt die Gewalt eines Carlton Leach nur noch Schmerz. Bis dahin ist der Film also roh, hart, fühlbar, und vor allem beschäftigt er in sehr hohem Maße. Die Bilder dieses ersten Teils sind schwer aus dem Kopf zu bekommen.

Aber spätestens nach der Episode mit der Türkenmafia stellt sich die Frage, was Leach in der Szene gehalten hat. Die Gewohnheit? Die Freundschaft zu Tony Tucker? An dieser Stelle vermisse ich vielleicht ein wenig eine Art Psychogramm, eine Handreiche als Zugang zur Hauptperson, die dem Zuschauer weitgehend verschlossen bleibt. Stattdessen schwenkt an dieser Stelle, etwa nach der Hälfte der Laufzeit, der Film um auf Leach’s neue Freunde Tony Tucker, Pat Tate und Craig Rolfe, die dann später als die Essex Boys auch in anderen Filmen beleuchtet wurden. Der Amoklauf dieser Drei um immer neue Deals zu machen, immer wieder zu Geld zu kommen, und immer wieder grundlos auszuticken und ihre Gewalt und damit auch ihre Macht auszuleben, dieser Amoklauf wird gründlich dargestellt. Leach selber ist hier nur noch eine Randfigur, diese Geschäfte gehen ihn immer weniger an. Es scheint, als ob er ein wenig die Lust verliert an diesem Tanz auf dem Vulkan. Aber wie gesagt, das Drehbuch interessiert sich an dieser Stelle einfach mehr für die lauten und damit auch interessanteren Essex Boys.

Somit hat der Film 2 Hälften: Eine brutale und intensive erste Hälfte, die sich auf Carlton Leach konzentriert, und eine (wenn man so will) SNATCH-artige zweite Hälfte. Guy Ritchies SNATCH ist sicher ein etwas überzogener Vergleich, aber im Vergleich zum ersten Teil scheint er gar nicht so weit hergeholt. Die Komik aus SNATCH fehlt völlig, die schrägen Charaktere sind vorhanden, die überzeichnete(!) Gewalt ebenfalls. Pat Tate, gefühlte 10 Meter groß, und brutal bis zum Umfallen, kuscht vor 2 Geldeintreibern denen er Geld schuldet – eine merkwürdige Szene, die nicht zu dem Bild passt das sonst von diesem Mann gemacht wird, und die ich eher bei Guy Ritchie erwarten würde. Und die Gewalt wird hier deutlich überzeichnet, sie wirkt tatsächlich comichafter. Wenn Jimmy G zusammengeschlagen wird ist das im ersten Augenblick heftig, aber nach den wiederholten Knüppelschlägen auf die Beine kann Jimmy plötzlich wieder losrennen? Walisische Selbstheilungskräfte oder meine eigene Unkenntnis von nackter Angst?

Nach dem ersten Sehen vor einigen Jahren hatte ich dem Film 8/10 gegeben, diesmal waren es 9/10 Punkte. Die Bilder der ersten Hälfte bleiben definitiv im Gedächtnis haften, was auch daran liegen mag, dass Julian Gibley die jeweils zeitgenössische Musik im Hintergrund einsetzt. Und Punk bleibt als Soundtrack zu Gewalt einfach besser haften als Techno. In der zweiten Hälfte sind es die großartigen Darsteller die hängen bleiben. Überhaupt hatte ich knappe 120 Minuten lang nicht einmal das Gefühl einen Film mit Schauspielern zu sehen, sondern ich hatte immer den Eindruck echten Gangstern zuzuschauen. Ob nun die Steigerung der Punktzahl den mageren Filmen der letzten Wochen anzurechnen ist oder ich einfach lange keinen englischen Gangsterfilm mehr hatte kann ich nicht sagen. Ich habe einiges an britischen Gangsterfilmen gesehen, schwache, gute und sehr starke. Dieser hier ist einer der stärksten, weil er authentisch und überzeugend ist. Und wehtut. Wie ein Knüppeln auf die Eier …

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