Anime trifft auf Schwarze Serie
Wenn man sich auf einem Festival bzw. im Kino oder auf DVD einen Film mit dem bedeutungsschwangeren Titel „Film Noir“ ansieht, sollte man sich höchstwahrscheinlich nicht darüber beschweren, dass der Streifen keinerlei eigene Ideen bietet, ziemlich vorhersehbar ist und lediglich eine Abwandlung der, seit den 50ern üblichen stereotypen Handlungsmuster der so genannten Schwarzen Serie (melancholische und düstere Detektivgeschichten) darstellt.
Ich mache es trotzdem.
Der einzige Unterschied zwischen „Film Noir“ und dutzenden Noir (in den 40ern und 50ern) und Neo Noir Filmen (seit den 80ern) besteht nämlich darin, dass sich die beiden Regisseure Jud Jones und Risto Topaloski gegen reale Darsteller und für eine digitale Aufbereitung entschieden haben. Doch auch diese Neuerung ist nicht wirklich jungfräulich, da, vor nicht all zu langer Zeit, Christian Volckman mit dem französischen Sci/Fi Animationshit „Renaissance“ bereits die stereotypische dunkle Detektivhandlung höchst innovativ und erfolgreich ins animierte Genre übertragen hat.
Des Weiteren haben Filme wie „Memento“, „Brick“, „The Lookout“ (ebenfalls Fantasy Film Fest 07) und im Endeffekt auch „Sin City“ in den letzten Jahren bewiesen, dass man das Noirschema durchaus vernünftig abwandeln, verändern und erweitern kann und sich nicht strikt an die Genrevorgaben halten muss, um erfolgreich zu sein.
„Film Noir“ hält sich jedoch rigoros an die Regeln:
· Es gibt den (Anti-)Helden; in diesem Fall ohne Gedächtnis
· Dieser besucht mehrere Femme Fatales (die ihm alle, trotz Prügel, zu Füßen liegen)
· Ständig düsteres (gerne auch regnerisches) Wetter herrscht vor
· Hinweise auf einen (oder mehrere) dunkle Flecken auf der Weste des Helden, sollen die Spannung steigern
· Stereotypische Jazzmusik vor dunkler Stadtkulisse prägt den Film
· Alle wichtigen Handlungen finden in der Nacht statt
· Der Held hält sich prinzipiell nur an Orten wie Strip Clubs oder muffigen Polizeistationen auf
· Die Auflösung hat immer etwas mit korrupten Polizisten und/oder Politikern und der Unschuld des Helden zu tun
· Detektivarbeit ist die einzige Möglichkeit an Informationen zu kommen
· Der Held darf ordentlich Prügel kassieren und muss sich immer vor der Polizei verstecken
· Nahezu jeder Charakter im Einzugsbereich des Helden ist böse, verschlagen und lügt
· Den Helden könnte man auch als Paradebeispiel für Depression und Lethargie verwenden
Alles in allem haben Jud Jones und Risto Topaloski sich mit der Umsetzung des Streifens jedoch sichtlich Mühe gegeben und diesen trotz ihrer offensichtlichen Angst vor eigenen Ideen sehenswert inszeniert. Das liegt einerseits daran, dass die beiden Regisseure die stereotypischen Handlungsmuster des Film Noir zu einem durchaus homogenen und ansprechenden Ganzen verknüpft haben und andererseits daran, dass es nie seinen Reiz verliert sich eine gut durchdachte Detektivgeschichte, auf der großen Leinwand, anzusehen.
Trotzdem hätten dem Film etwas mehr Spannung und Innovativität (im Bezug auf die Story) sicherlich nicht geschadet.
Ich persönlich habe nämlich mit der Zeit merklich das Interesse an der Geschichte verloren und mich immer öfter dabei ertappt, mit den Gedanken bereits beim nächsten Film des Festivals oder dank der einschläfernden Jazzmusik schon im Land der Träume zu sein.
Ich möchte nicht behaupten, dass der Film ein langweiliges Fiasko wäre, denn er hat auch einige interessante und gute Momente zu bieten. Aber im Großen und Ganzen ist „Film Noir“ etwas zu langatmig, durchschaubar, ruhig und spannungsarm geraten, um viel mehr als ein etwas überdurchschnittlicher Samstagnachmittagfilm zu werden.
Einen kurzen Überblick über die Story von „Film Noir“ will ich natürlich auch niemandem vorenthalten:
Ohne Gedächtnis und mit einer Waffe in der Hand zu erwachen wäre für sich genommen schon schlimm genug. Wenn man vor seinen Füßen jedoch auch noch einen toten Bullen liegen hat, macht das die gesamte Angelegenheit noch um einige Nuancen komplizierter. Vor selbigem Problem steht Sam Ruben, der Held unserer Geschichte.
Wie Brotkrümel liest er im Zuge der folgenden knapp 100 Minuten Filmhandlung einen Hinweis nach dem anderen auf und setzt langsam das Puzzle in seinem Kopf zusammen. Der Weg führt ihn über (im wahrsten Sinne des Wortes) einige Frauen, in Schießereien und zu einer überraschenden (ehrlicherweise: lediglich beinahe überraschenden) Auflösung.
Die Animationen von „Film Noir“ sind passabel, aber auch recht gewöhnungsbedürftig und weit entfernt von der revolutionären Optik die ich mir erwartet hatte.
Die Körper sich Liebender verschmelzen in eigenartigen Einstellungen mehr oder weniger kunstvoll, die Bewegungen der Figuren erinnern an die gute alte Stop-Motion Zeit und die Gesichter der Hauptfiguren sehen extrem plastisch, emotionslos und unfertig aus. Das wiederum hat mir sofort Zwischensequenzen aus diversen 90er Jahre Ego Shootervideos in Erinnerung gerufen und mich spontan schmunzeln lassen (Was sicherlich nicht der Sinn der Sache ist).
Die gelegentlichen Farbtupfer, in dem ansonsten düsteren Film erinnern weiters ebenso stark an „Sin City“ wie „Eragon“ an „Herr der Ringe“ und „Star Wars“ und stellen somit auch nicht wirklich eine neue Idee dar.
Fazit:
Im Endeffekt ist „Film Noir“ eine gute Mischung aus Anime, Thriller und Film Noir, die versucht auf der schwarzen Gischt von „L.A. Confidential“, „Sin City“, „Renaissance“ und Konsorten mit zu reiten. Dies gelingt dem Animationsfilm zwar partiell ziemlich gut, reicht aber nicht aus, um 100 Minuten lang für Spannung zu sorgen.
„Film Noir“ ist somit perfekt für einen DVD Abend, empfiehlt sich, meiner Meinung nach, jedoch nicht zwingend für den Big Screen.
Nachsatz:
„Renaissance“, um bei diesem Beispiel zu bleiben, hat mir sowohl was die Animationen als auch Geschichte und das Ende betrifft doch deutlich besser gefallen.