Review
von Con Trai
Das Dreieck als Symbol der unbedingten Dreieinigkeit, das Zusammenspiel dreier autarker, jeweils in ihrem Metier erfolgreich bewährter und entsprechend namhafter Regisseure. Die, obzwar zuweilen auch der Überschneidung identischer Kernpunkte und Quintessenz, der Materie eine ungleiche und auch unvereinbar erscheinende Empfindung verleihen. Die Arbeitsmethode komplett heterogen, ja wesensfremd gehalten, das Pensum, die Vielfalt im Ausdruck und auch die Mentalität. Ein Dreierlei an Persönlichkeiten, die sich im Triangle nicht nur einer Prämisse unterwerfen, sondern sich auch in die Hände der beiden anderen Filmemacher begeben, ohne zu wissen, was diese mit dem ein und denselben Projekt anstellen.
Das alte Gesellschaftsspiel "Consequences".
Das exquisite corpse Verfahren. Ein Experiment.
Hektisch gehetzt beginnt der Film, etwas dünn, vieles auf einmal im Bild, Widersprüchlichkeiten und Paradoxien, gleichzeitig, parallel, ohne Zeit für Akzentuierung oder Überblendung. Drei Personen sind im ewig beschränkten Raum, immer nur Zwei scheinen sich besser zu kennen, jeweils steht Einer im Gespräch außen vor. Nur die Interessen sind dieselben: Geld.
Eine möglichst konstruktive Atmosphäre.
Die Charaktere grundweg unterschiedlich, mit anderer Geschichte und anderen Zügen, wie zufällig zusammengeschweißt durch das gleiche Motiv, die gleiche Gier und die externe Realität:
Taxifahrer Fai [ Louis Koo ] bietet seinem schwer verschuldeten, kurz vor der Insolvenz und dem Verlust des Hauses stehenden Freund Lee Bo - sam [ Simon Yam ] den Job eines Fahrers bei einem geplanten Juwelenraub an. Ihr gemeinsamer Bekannter, Antiquitätenhändler Mok chung - yuan [ Sun Honglei ], mischt sich warnend ein; in dem Moment bekommen die Drei von einem das Gespräch belauschenden Zaungast eine wertvolle Goldene Münze zugesteckt, mit dem Versprechen auf Mehr. Als sie ihn Tags darauf zu erreichen versuchen, erfahren sie durch die Nachrichten, dass der Mysteriöse Bauunternehmer und schwer krank war und über Nacht gestorben ist. Dennoch gelangen sie an die Information über den Ort des restlichen Geheimverstecks, einer unter dem städtischen Gerichtsgebäude befindlichen Vertiefung. Erschwerend kommt hinzu, dass Fai unter den Druck von Triadengangstern gerät und Sam von seiner Frau Ling [ Kelly Lin ] mit dem nicht ganz koscheren Polizisten Wong Jin - wen [ Gordon Lam ] betrogen wird und die jeweils auch ihren Teil von der Beute haben wollen.
Regisseur Tsui Hark zeigt viel in seinem, dem ersten Segment, entwickelt eine komplette Handlung, die auch gut und gerne, wenn sie denn bereits einen Abschluss haben würde, schon einen kompletten Film ergeben würde. So aber bleiben nur die losen Fäden einer tragischen Perspektive über, der für ein vorübergehendes Verständnis durchaus ausreichende Anschein von Figurenzeichnung, eine fast vollständig entwickelte Konstellation von Problematiken mit etwaigen möglichen Lösungen oder gar weiteren Stolpersteinen sowie die äußerliche Bestimmtheit des Ideals. Der Beginn einer verzwickten Kettenreaktion mit zusätzlichen Gegenparteien, die den Spielraum der Deutungsmöglichkeiten sichtbar machen. Viel Tempo, Ansturm, Aufprall, Entladung von Gewalt. Ein Spannungsverhältnis zwischen dem Auftrag, die Einleitung herzustellen, der gezwungenermaßen Unfähigkeit, diese über Ankündigung und Fühlungnahme hinaus weiter oder gar gänzlich in die Tiefe zu entwickeln und der Notwendigkeit, für den Nachfolger noch genug Unsicherheit in der Definition des Kommenden und Undurchsichtigkeit der künftigen Anbahnung über zu lassen. Ein Handeln, dass bereits Schatten wirft, aber noch Manipulierbarkeit und Modifikation zulassen muss und gar keine Bearbeitungszeit für gegenwärtige prosaische Zustände hat.
Entscheidend Augenmerk gelegt wird auf die bestimmte Situation in ihrer Gefährlichkeit:
"Perhaps when it's over, we'll know each other better."
Eine verallgemeinernde Reflexion, die hierbei in klassischer Struktur alle Bereiche der Phantasie präpariert, mögliche Sinnbetonung organisiert und die Vorfreude auf Herannahendes verstärkt.
Der Nutzen des objektiven Blicks, der den Vorteil hat, dass man nicht schon zu sehr fokussiert auf ein bestimmtes Detail ist und alles Andere abseits der persönlichen Scheuklappe außer Acht lässt.
Der Mittelteil hat sicherlich allein lokalbedingt und zweckbestimmt die Funktion des Kommentars, der Zwischenpräsentation nach dem Präludium und vor den Fußnoten.
Noch offen für neue Erkenntnis- und Betrachtungsweisen muss die allgemeine Entwicklungslinie von der oberflächlichen, so auch etwas primitiver erscheinenden dramaturgischen Technik in eine spezifischere Intention und die Vervollständigung geleitet werden. Der übernehmende Regisseur Ringo Lam versucht das Aufgreifen der Mehrdeutigkeit erst mit Wiederholungsgesten, einem schnellen Reagieren auf das Vorgefundene, der partikulären Bestimmtheit durch die Übernahme der äußeren Erscheinung. Einer Fortführung der bisherigen Ereignisse und dem, was er am Besten kann: Einer groß angelegten Autojagd durch die Rush Hour Hongkongs, die unweigerlich Erinnerung an seine bisherigen Abschlussarbeiten Victim und vor allem Full Alert erweckt, im Nachhinein aber nur wie spendiert wirkt.
Denn dann wandelt man sich in eine Abbiegung um, die ihm oder zumindest von Ihm bisher unbekannt erschien und leider sehr zu seinem nunmehr anachronistischen Zustand passt. Lam hat seit 1998 Nichts mit eigener Handschrift auf den Markt gebracht, sondern sich kurz als Auftragsregisseur versucht und dann die Auszeit gegönnt. Auch hier macht sich eine wohlwollende Eingängigkeit breit, eine Art inkonsequente Reue, das Stellen unter die Anschauungen und Blickwinkel einer sowohl vorherigen als auch späteren Einkesselung. Mehr ein Nacharbeiten von Tsui Hark und ein Zuarbeiten für Johnnie To, eingeschränkt durch den Kodex des Zulässigem statt dem Ausleben des gewohnten rohen Naturalismus oder einer spürbar intuitiven Vorgangsweise.
Die Handlung geht ins Tiefe, ins menschliche Fühlen und Denken, kommt dadurch aber auch ins Halten, ins Stocken, mehr in die Beeinträchtigung als die Vervollständigung und die Disintegration statt die Ausweitung. Lam versucht hinzuzufügen, nimmt aber weg. Die Form der Inszenierung selber hat sich gar nicht einmal entscheidend geändert, wirft aber andere persönlichkeitskonstante Schwerpunkte ins Geschehen und legt sich, gerade weil man nun auch einige Fragen beantworten möchte und auch muss, konkretisierend kennzeichnender und mit dem Hauch von Diskrepanz und Dissonanz an.
Schon die Weiterführung der etablierten thematischen Linien, aber eine unglückliche Wandlung von der rein formellen Aussageintention in das vermeintlich vielschichtige Innere der Figuren hinein. Mitsamt dem Rückzug auf den privaten Bereich, einem metaphysischem Hintergrund, sogar einem Geschichtspanorama und der seelischen Auseinandersetzung zwischen mehreren Individuen, von denen der Großteil – Ling und Wen – eigentlich nur wichtige Randerscheinungen außerhalb des Dreiecks darstellten.
Die Studie einer längst vergangenen, so niemals wiederholbaren und dadurch erneut scheiternden Liebe besitzt zwar viel poetische Substanz, wechselt aber die schon heraus kristallisierten Relationen aus und setzt dafür einen riskanten, da zuweilen grotesk-bizarren Balanceakt aus Melancholie, Einsamkeit und verfehlter innerszenischer Mitteilung ein.
Bruchstück Nummer Drei trifft das Prinzip der Erbschuld. Zahlreiche Abweichungen vom eigentlichen Quellenmaterial und gewisse serial-Verwässerungen haben den einstmals kraftvollen Stil und ein komplexeres Ineinandergreifen entfixiert und die seinerzeitige Ökonomie und Organisation vernachlässigt. Johnnie To, der Initiator des Projektes, versichert sich zwar der Mithilfe seiner Stammautoren Yau Nai-Hoi, Yip Tin-Shing und Au Kin-Yee und kredenzt mit deren routinierten Geistesfülle eine Abhandlung voller Kunstregeln, die in Reinform sehr an den ersten, für sich alleinstehend ja reichlich banalen Election erinnert. Die Substanz wird vom Gattungstypischen zurück auf die Totalität gelenkt, von der abgespaltenen Einheit erneut auf das Ganze der Ausgangsidee, auch wenn man die anfängliche Triebfeder diesmal nur noch als Spielball benutzt.
Das geraubte Gut nicht einmal mehr als Metapher oder voll rhetorischem Gepränge, sondern nur noch als Gimmick für eine eifrige Bäumchen-Wechsel-Dich Veranstaltung in mondbeglänzter Dorflandschaft, die subtilere Erkenntnisse wie die versuchte Charakterisierung oder Wertungsakzente in einem Hickhack um den richtigen Moment am richtigen Ort vergisst. Neue Mitspieler wie ein überaus pflichtbewusster Streifenpolizist, mehrere Waffenhändler und einem ländlichen Conman werden ins Geschehen geworfen; ein Universum von Schicksalen, die bisweilen nur noch als Karikaturen auftauchen und die eh schon übermütig gehaltene Korpulenz des Filmes letztlich nur noch in Getümmel und Gedränge erschöpfen. Ein schieres Ausmaß von irrwitziger Unausgewogenheit, dass mit den zu Beginn noch assoziationsreichen und auch suggestiven Stichwörtern nicht mehr viel zu tun hat und auch im finalen Abschluss durch mehr Polemik als Enthusiasmus kein Nachdenken über Ursachen und Wirkungen und so auch keine befreiende oder gar befriedigende Entspannung bzw. Klärung mehr zulässt.
Die drei Personen kennen sich nicht gut untereinander, wissen nur die Grundzüge vom Anderen, teilweise nur die Fakten der Vita. Oder den Beruf. Oder dass und was er gerne trinkt. Jeder hat Geheimnisse vor dem Anderen; nicht einmal Dinge, die man aus Scham oder Intimität verschweigt, sondern Sachen, die man ganz einfach einem Fremden nicht zu erzählen gedenkt. Weil man daran gar nicht denkt. Weil es keinen Sinn hat, sich dem Anderen anzuvertrauen, wenn man von Ihm kein Verständnis oder gar Unterstützung erwartet. Auf die Regisseure scheint dies ebenso zuzutreffen. Man nimmt zwar Rücksicht aufeinander, stellt sich selber zurück, allerdings in geschäftlich trockener Weise, aus Respekt und Achtung. Nicht aus Freundschaft und Verbundenheit.