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"Jackie Brown" war ein Schock für viele. Nämlich für diejenigen, die die Ironie und die Botschaften hinter den cool-gestylten Gangstern aus "Pulp Fiction" nicht erkannten. Und für die Unwissenden, die den Film nur cool fanden, weil es "in" war, auf Tarantino zu stehen. "Jackie Brown" ist nämlich nicht nur Tarantinos bisher wichtigster Film, sondern auch sein inhaltreichster.

Seine Story basiert auf einem Roman von Elmore Leonard (und dass dessen abgefahrenen Gangster-Stories "pure cool" sind, zeigen "Schnappt Shorty" und "Out of Sight"). Es geht hauptsächlich um Menschen mittleren Alters. Es geht um Jackie Brown (Pam Grier, die Blaxploitation-Ikone der 70er), die Geld für den Waffenhändler Ordell Robbie (Samuel L. Jackson, der einzige Darsteller, der sich aus "Pulp Fiction" hinüberretten durfte) schmuggelt. Die Stewardess hat das Geld immer bequem im Handgepäck. Als die Polizei (Michael Keaton, Michael Bowen) das Geld findet, soll Ordell auffliegen. Jackie erklärt sich einverstanden, Ordell über's Ohr zu hauen, wenn sie dadurch dem Gefängnis entgehen kann. Doch sie führt nicht nur Ordell an der Nase herum: Auch die beiden FBI-Cops ahnen nicht, dass Jackie gemeinsame Sache mit dem Kautionssteller Max Cherry (Robert Forster) macht. Und Ordell ahnt nicht, dass sein Partner und Freund Louis Gara (Robert De Niro) nicht nur scharf auf Ordells Freundin Melanie (Bridget Fonda) ist, sondern auch auf das Geld...

Viele Wendungen und Wirrungen später, wird klar, dass es hier nicht um irgendwelche inszenatorische Kniffe geht. Kein unchronologisches Herumspringen. Tarantino hält sich diesmal selber zurück. Lediglich den finalen Coup inszeniert er aus drei verschiedenen Blickweisen, nacheinander. Aber eine solche Vorgehensweise ist legitim, hilft bei einer korrekten Geschichtenerzählung und Wahrheitsfindung. Tarantino erzählt diesmal eine Geschichte. Bei "Pulp Fiction" erzählte er mehr oder weniger gehaltreiche Episoden, und ordenete sie besonders "cool" und "hip" an. Doch diesmal ist es ihm ernst. Diesmal wirkt er erwachsener und konzentrierter.

Auch hält er sich bei plastischen Gewaltdarstellungen zurück. Blut fließt hier eigentlich kaum bis wenig. Nur die Ermordung des De Niro-Charakters wird blutig dargestellt. Ansonsten liegt hier das Augenmerk komplett auf die Figuren, auf ihr Innenleben, auf ihre Sehnsüchte und Wünsche.

Aber obwohl Tarantino wohl zum ersten Mal wirklich eine Geschichte im klassischen Sinne erzählt, vergißt er nicht "cool" zu sein. Jackson und Grier agieren eh überlegen gut, besonders letztere läuft zur Höchstform auf.

"Jackie Brown" ist für mich einer der Klassiker der 90er Jahre. Er besitzt weitaus mehr Tiefe und Substanz als "Pulp Fiction", der natürlich auch genial ist. Aber "Jackie Brown" ist wohl der unterschätzteste Gangsterkrimi überhaupt. Unbedingt angucken!

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