Review

Gut 28 Jahre ist es her. 28 Jahre, indem einer der größten Horrortrilogien endlich abgeschlossen wurde. Diese Rede ist natürlich von Dario Argentos Mütter-Trilogie. Suspiria und Horror Infernal waren schon lange Klassiker des Horrorgenres, doch der dritte, abschließende Teil, wollte und wollte einfach nicht kommen. 28 Jahre nach Horror Infernal kam er dann doch, der dritte Teil der Reihe, „La terzma madre“. Und selbst ich als Ober-Argentofan sage: Hätte er es mal gelassen.



In Rom wird auf einem alten Friedhof eine Art Urne entdeckt. Der örtliche Gemeindepriester hat keine gute Vorahnung bei dieser Urne, da allein schon der Name auf den Sarg einige ungute Gefühle dem Priester entlockt. So entschließt er sich, die Urne zu einem berühmten Professor zu schicken. Die Urne landet u.a. bei Sarah Mandy (Asia Argento), die zusammen mit ihrer Kollegin die Urne öffnet. Als Sarah kurz verschwindet, hört ihre Kollegin merkwürdige Stimmen, eine Art Erdbeben durchzuckt den Raum. Komische Gestalten erscheinen und töten Sarahs Kollegin auf brutalste Art und Weise. Sarah scheint auch Gefangen, ein kleiner Affe verfolgt sie, um die Kreaturen auf ihre Spur zu locken. Doch eine unbekannte Stimme hilft Sarah.

Die Polizei glaubt Sarah natürlich kein Wort, es geht eher schon in die Richtung, dass Sarah die Mörderin ist und sich diese phantastische Geschichte nur ausdenkt. Nur Prof. Pierce, mit der Sarah auch eine Beziehung hat, versucht ihr, in Ansätzen zu glauben.

Wie Recht Sarah hat, zeigt sich in den kommenden Tagen. Menschen töten sich gegenseitig, Mütter bringen ihre Kinder um und Hexen aus aller Welt kommen nach Rom. Ihr Ziel ist eindeutig: Die dritte Mutter, Mater Lachrimarum, ist zurück auf der Erde und plant, diese in Angst und Terror zu stürzen. Nur Sarah scheint den Schlüssel zu besitzen, die dritte und letzte Mutter aufzuhalten. Hilfe findet Sarah in ihrer Vergangenheit und bei Pater Johannes (Udo Kier). Doch die Geschöpfe der Mater Lachrimarum sind überall...



Am Anfang war nur Freude. Dario Argento, Regisseur der Meisterwerke „Suspiria“ und „Horror Infernal“, drehte nach gut 28 Jahren seinen finalen Teil der Mütter-Trilogie. Schon jetzt war die Stimmung gespalten, hatte doch Argento in letzter Zeit, außer vielleicht „Non ho sonno“, nicht gerade Filme abgeliefert, die von der Allgemeinheit gefeiert wurden, wenn man nicht gerade der absolute Argentofan war. Dabei las sich die Cast und Crew gut. Asia Argento spielte die Hauptrolle, und selbst Udo Kier hatte wieder eine Hauptrolle in einem Argentofilm, wie damals in „Suspiria“.


Als die ersten Reviews auftauchten, war Skepsis angesagt. Angeblich war nichts mehr, oder zumindest nicht mehr viel von Argentos Handschrift zu erkennen. Auch hier gab es wieder viele Meinungen zum Thema.

Nun habe ich den Film gesehen, auf den ich ziemlich lange gewartet habe, dem ich entgegengefiebert habe. Ich bin ein absoluter Fan von „Suspiria“ und „Horror Infernal“, so musste ich natürlich auch „La terza madre“ schauen. Kurz und knapp, ich bin noch nie so enttäuscht worden von Dario Argento wie bei diesem Film. Selbst „Card Player“ und „Do you like Hitchcock“ konnte ich was abgewinnen, hatte man bei diesen Filmen doch gar keine Erwartungen. Doch bei „La terza madre“ ist dies anders, dies ist kein 08/15-Film, den sich Argento einfach so aus dem Ärmel schleudern darf. Doch genau das hat er gemacht.

Was immer sich Argento bei diesem Film gedacht hat, es geht mir nicht in den Kopf. Seine vorherigen Teile waren brillante Meisterwerke. Nicht mal von der Story her, aber der Aufbau der Szenen, diese unglaubliche Farbdramaturgie, der Einsatz von Musik, all dies machte diese Filme zu Kunstwerke, die man sich immer wiederund wieder anschauen kann. Und genau all das, genau all das bietet „La terza madre“ nicht. „La terza madre“ wirkt wie ein billig heruntergekurbelter Horrorfilm, der im Strom der Zeit schwingt. „La terza madre“ erreicht nie die Stimmung der alten Filme. Dies mag an der Zeit und am Ort liegen, aber vor allem daran, dass der Film gar keine Stimmung oder Atmosphäre besitzt. Die Story plätschert langweilig vor sich hin. Besonders die ersten 45 Minuten sind an Langeweile kaum zu überbieten, dies wird sich am Ende noch rächen. Es gibt keine stringente Handlung, Logiklöcher der schlimmsten Sorte und einfach nur schlechte Schauspieler. Die Hexen, die aus aller Welt nach Rom kommen, stellen den Bodensatz der Hexenkunst dar. Nie wirkten die Hexen billiger, nie unbedrohlicher. Hatte man bei „Suspiria“ und „Horror Infernal“ immer ein ungutes Gefühl, diese Unsicherheit, wer oder was diese Hexe ist, bis sie sich in einem furiosen Finale zu erkennen gab, so wird dies in „La terza madre“ zum billigen Hui-Buh-Charakter hochstilisiert. Die Hexen sehen aus wie aus der Gruft-Szene und dann kommt Mater Lachrimarum. Gut, die Hexe soll eine Schönheit sein, dies ist sicherlich Moran Atias auch, die die dritte Mutter darstellt, keine Frage. Aber das kann es doch nicht gewesen sein. Und genau hier bedient sich Dario Argento der Richtung der Horrorfilme der heutigen Zeit. Die Story ist egal, die Stimmung ist egal, die Hexe ist egal. Es reicht, blanke Busen und Hintern zu zeigen, insbesondere bei der Mater Lachrimarum. Sie wirkt weder bedrohlich, noch beängstigend. Der absolute KO für diese Rolle ist aber, würde sie im Film nicht auftauchen, man würde sie nicht mal vermissen, so unspektakulär und langweilig ist die Rolle geworden. Sie taucht viel zu früh auf, gibt viel zu früh ihr Geheimnis preis. All dies steht im vollkommenen Gegensatz zu den anderen Filmen. Sorry Dario, eine schöne Frau nackt zu präsentieren, reicht einfach nicht für so einen Film.


Wenn gar nichts mehr geht, packt man die Gore-Effekte aus, wie es Argento zum Leidwesen schon in den Master of Horror Teilen gemacht hat. Natürlich waren die Argento-Filme nie unblutig, doch keiner konnte so stilvoll Morden wie Dario Argento in seinen Filmen. Selbst die Morde waren kleine Kunstwerke, dabei nie übertrieben blutig, aber mit einer gewissen Härte. Auch dies ist nun Geschichte. Argento reicht sich ein in die Gruppe von Regisseuren, die ihre Filme um Goreffekte aufbauen. Immerhin kann man sagen, dass dies zumindest funktioniert. Lässt man die CGI-Effekte mal wieder außen vor (einfach grauenhaft, nicht nur hier, sondern in fast allen neuen Horrorfilmen), so packt Sergio Stivaletti wieder mal seine ganze Gorekunst aus. Der Mann mag kein guter Regisseur sein für die meisten (siehe Wax Mask und Il tre volti del terrore), aber in Sachen F/X macht diesem Mann keiner was vor. Doch auch hier geht Argento einen Schritt zu weit. Die Morde sind nicht mehr kunstvoll inszeniert, sie sind einfach nur noch sinnlos brutal. Der erste Mord stellt zugleich die absolute Krönung dar. Zwar lächerlich bis zum Anschlag, aber dennoch effektiv und einfach nur gut gemacht. Aber sowas will man in Wrong Turn 3, The Hills have Eyes 3 oder was auch immer sehen, aber bitte nicht in einen Argento-Film. Zwar gibt es nicht so viele Goreszenen, wie man in vielen Reviews lesen kann (laut deren Meinung wird ja im Minutentakt geschlachtet), aber wenn was passiert, dann geht es richtig rund. Eine Szene erreicht fast das perverse Ausmaß eines „Patrick vive ancora“ von Mario Landi. Spätestens jetzt wissen Kenner, auf was sie sich „freuen“ dürfen. Auch die Gewalt an Babys scheint etwas fragwürdig.

Auch schauspielerisch liegt hier einiges im Argen. Udo Kier nehme ich da mal raus, der Mann ist unantastbar und versucht auch hier alles. Der Rest aber ist einfach nur schlecht. Selbst Asia Argento ist nur Durchschnitt in ihrer Rolle. Zu komisch, zu unglaubwürdig ist ihre Rolle, getragen von einem schlechten Skript. Bezeichnend dafür die Rolle im Kloster. Pater Johannes hat eigentlich gar keine Zeit, da zig Besessene vor seiner Tür stehen. Aber ein simples „Ich muss ihn aber sprechen“ reicht sofort aus, um die Frau an der Tür doch zu überzeugen, „Ach so, na dann kommen sie mal rein, wenn es so wichtig ist, dass sie zweimal fragen“. Ganz schwach.


Gut, jetzt das Finale. Auch hier blankes Entsetzen. Wie sagte ich schon, der Film dümpelt 45 Minuten, bis auf die Obergoreszene, vor sich hin. Genau diese 10-15 Minuten, die man hier hätte straffen können, fehlen im Finale. Mein Gott, was waren die Finale von „Suspiria“ und „Horror Infernal“ technisch hervorragend gemacht, inhaltlich sowieso. Und hier? Man erinnert sich an die relativ kuriosen, aber nicht schlecht aussehenden Orgienbilder. Die Orgie macht hier gefühlte 5 Sekunden aus. Schaut man sich den Timer an, so fragt man sich, wie Argento in 8 Minuten ein Finale zelebrieren will, auf das wir alle gewartet haben. Und der Abspann ist da schon mit drin! Na dann, mit Lichtgeschwindigkeit durch ein Finale, welches die Krönung der absoluten Enttäuschung ist. Genau hier wären 10 Minuten mehr angebracht, wie bei „Suspiria“, wie bei „Horror Infernal“. Aber nein, warum einen guten Film machen. Ein billiges 08/15 Finale der schlimmsten Sorte präsentiert Argento. Ein wenig Hintern hier, viele Busen da. Es folgt eine Aktion a là Rambo von Asia, der Film ist zu Ende. Man lacht sich noch eins, und dann ist einer der Filme, auf die ich am meisten gewartet habe, zu Ende. Man starrt nur ungläubig in seinen Fernseher. Kommt da noch was? Das soll es gewesen sein? Nein, darauf habe ich sicherlich nicht zig Jahre gewartet, um mich mit einem 08/15-Film abspeisen zu lassen. Doch man muss die Zeichen der Zeit erkennen. Dario Argento mag die Qualität haben, belanglose TV-Filme zu drehen, die mich unterhalten. Doch er scheint nicht mehr in der Lage zu sein, seine Kraft zu sammeln und einen Abschussfilm zu inszenieren. Bei besagtem „Card Player“ und „Do you like Hitchcock“ darf man keine Ansprüche haben. Auch die MoH-Teile lasse ich mir gefallen (wahrscheinlich auch die Goregemeinde), aber bei „La terza madre“ hört der Spaß auf.



Fazit: Die Chance war da, die Erwartungen hoch, das Ergebnis ist ernüchternd, sogar schon ärgerlich. Was Dario Argento hier als Abschluss der Mütter-Trilogie abliefert, erwarte ich von einem x-beliebigen Horror-Regisseur, der keine Ahnung von solchen Filmen hat und der seine Stimmung über Gore und Busen reinholt. Aber nicht von Dario Argento. Da muss man mehr erwarten und genau das konnte Argento nicht erfüllen. Keine Story, keine Atmosphäre, keine Musik, ein komplettes Nichts. Die Goregemeinde wird sich teilweise freuen, der Fan dieser Reihe nur noch unglaubwürdig den Kopf schütteln. Man kann kaum fassen, dass der Mann, der uns „Suspiria“, „Horror Infernal“, „Profondo Rosso“ usw. usw. gebracht hat, für diesen Film verantwortlich ist. Nach zwei Tagen Abstand bin ich nicht mal mehr sauer, sondern einfach nur enttäuscht. In der finalen Bewertung steckt auch schon ein gewisser Argento-Bonus. Aber sonst einfach nur schwach. Mach Feierabend, Dario.

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