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Weihnachten, Ostern, Geburtstag, das „Erste Mal" ... dass alles auf einmal, klang genauso schön wie die Ankündigung des van Damme Films „The Shepherd". Niemand geringeres als Isaac Florentine sollte dabei den Regiestuhl übernehmen. Und weil man ein gutes Team nicht auseinanderreißt, brachte er gleich noch Scott Adkins als van Damme´schen Prügelknaben, J.J. „Loco" Perry als Fight Choreographer und seine Cutterin Irit Ratz mit an Bord. Das Florentine in der Lage ist, aus quasi nicht vorhanden Budgets tolle B-Actioner zu inszenieren, hat er schon des öfteren bewiesen. Sein letztes Werk „Undisputed 2" war dann auch nichts geringeres als das beste US-Martial-Arts Filmchen seit über einem Jahrzehnt.

Die Vorzeichen waren gut. Eine tolle Besetzung vor und hinter der Kamera, ein Budget von 11 Millionen Dollar und Außendrehs in Kalifornien und Mexiko. Im Februar 2007 ging es dann los. Drehbeginn in Bulgarien. Na gut ... why not, die Innenaufnahmen kann man auch dort machen ... ist halt billiger. Dumm nur, dass sämtliche Außendrehs in Kalifornien und Mexiko auch gleich mal gestrichen wurden. Zwischendurch hatte Moshe Diamant auch noch die Idee das Drehbuch ohne Wissen der Autoren umzuschreiben. Florentine hatte da auch nichts weiter zu melden, sondern gefälligst seinen Job zu machen. Nach Ende der Dreharbeiten fertigte Florentine mit Ratz seinen Rohschnitt an und von da an war er raus aus der Postproduktion. Daraufhin machte sich van Damme himself an die Arbeit und schnibbelte seine Version zusammen. Auch die fiel durch, sodass am Ende Sony das Ding selbst zusammenwerkelte.

Schlussendlich sollte es ein ganzes Jahr dauern, bis The Shepherd seinen Weg in die DVD-Regale fand. Und soviel sei zu sagen ... der erwartete Genre-Kracher ist es nicht geworden.

Über Ostblocklocations mag sich der geneigte B-Action-Fan ja nicht mehr aufregen, aber dass man uns das winterliche Bulgarien als Grenzregion zwischen den USA und Mexiko verkaufen will, ist schon eine lustige (oder auch traurige) Sache. In einer Szene ist dann auch etwas Schnee am Grenzzaun zu sehen. Das muss beim Dreh auch van Damme komisch vorgekommen sein, aber wenn man Sheldon Lettich glauben schenken darf, dann schaffte es Moshe Diamant tatsächlich van Damme davon zu überzeugen, dass es in der mexikanischen Grenzregion häufiger schneit *gg*. Einige der Außenaufnahmen hätten man als die besagte Region durchaus durchgehen lassen können, wenn man in der Postproduktion mit ein paar Farbfiltern etwas nachgeholfen hätte. Die Kleinstadt an sich kommt halbwegs vernünftig rüber und ist einer amerikanischen Kleinstadt nicht ganz unähnlich. Auch die Innensets sind okay, wobei mir die Bar verdächtig nach dem Diner aus „Until Death" aussah. Die Set-Designer haben aus den wenigen Möglichkeiten schon viel rausgeholt. Aber die europäische Villa (erinnert mich an die Bude in dem Lundgren sein „The Defender" gedreht hat) sieht nicht mal annähernd wie ein mexikanische Hacienda aus. Und die abgewrackten Vororte in Bulgarien haben mit mexikanischen Kaffs soviel gemeinsam, wie Berlin und eine saubere Stadt.

Interessant und ärgerlich zu gleich ist, dass im ganzen Film nicht ein einziger Mexikaner mitspielt. Man schaut der ganzen Zeit den üblichen (und schon oft gesehenen) Statisten und Kleindarstellern aus dem Ostblock beim „Mexikaner-Imitieren" zu. Und wenn sie nicht aus dem Ostblock stammen, dann sind sie wie Natalie J. Robb, Schauspieler aus Schottland. Dunkle Haare und dunkle Augenbrauen machen nunmal nicht aus jedermann einen Mexikaner, möchte man meinen ... sahen die Produzenten wohl anders.

Wie bereits erwähnt haben sich drei verschiedene Personen/Teams am Schnitt beteiligt. Herausgekommen ist ein belangloses Stück Schneidekunst, dass nur in wenigen Szenen als typischer Florentine/Ratz daherkommt. Hätte ich es nicht besser gewusst, dann würde sich mir der Gedanke aufdrängen, dass hier ein Nachwuchsregisseur am Werk wäre, der hier und da ein wenig den Isaac kopiert.

Mark Sayfritz, wie schon bei „Until Death" für den Score verantwortlich, hat sich hier auch nicht gerade für höheres empfohlen. Zwar schafft er es mit einigen Melodien und Sounds für ein wenig Mexiko-Flair zu sorgen, doch bleibt der Score, vor allem in den Actionszenen meist ziemlich blass. Wer den Promoclip des Fights im Knast vom Alpha Stunt Team auf Youtube gesehen hat, der wird bemerken, dass der Kampf mit ´nem guten Score mehr Dynamik als im fertigen Film besitzt.

Das klingt alles ziemlich vernichtend und lässt den Film schlechter dastehen als er eigentlich ist. Denn langweilig war mir zu keinem Zeitpunkt. Van Damme spielt seinen Part solide runter ohne zu glänzen. Dasselbe gilt für Adkins, Lord, Robb und McDonald. Die Story ist halbwegs straight aber nur mäßig spannend. Hier und da gibt's ein paar Gags, die sogar funktionieren und somit etwas Auflockerung bringen.

Die, stellenweise sehr blutigen, Shoot-Outs sind im Großen und Ganzen nichts weltbewegendes und somit solide Actionkost. Dasselbe gilt für die eine Verfolgungsjagd mit dem, in bester A-Team-Manier umgebauten, Bus. Wie gesagt, nix außergewöhnliches, aber dennoch gut anzuschauen.

Das Essenzielle in einem Florentine waren und sind immer noch die Fights. Van Damme machte sich in den letzten Jahren sehr rar mit seinen Kampfkünsten. Zwar schöpft er auch hier nicht aus den vollen, aber seine Highkicks sehen immer noch toll aus und auch sonst präsentiert sich der mittlerweile 48-jährige in bestechender Form. Spielereien aus früheren Jahren, wie seine, liebevoll von seinen Fans als „Split-Kicks" und „Helicopter-Kicks" getaufte Markenzeichen, gibt's auch hier leider nicht zu sehen. Dennoch, JCvD hat 3 Kampfszenen im ganzen Film, wobei alle 3 einen guten Eindruck hinterlassen und er ein wenig den Knochenbrecher spielen darf. Wenigstens hier ist der Florentine noch eindeutig zu erkennen. Dennoch habe auch ich das Gefühl, dass etwas der Schere zum Opfer viel, denn vor allem der Endkampf gegen Adkins wirkt doch etwas kurz.

Apropos Adkins ... man konnte ja befürchten dass er hier nix zeigen darf, um dem Star van Damme nicht die Schau zu stehlen. Die Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet, wobei erwähnt werden sollte, dass Adkins nur auf Drängen von Florentine den Part bekam (wenigstens etwas wo Florentine sein Ding durchdrücken konnte). Scott darf ganz ordentlich austeilen und hat die spektaluräreren Moves als JC, der aber wie immer mit seiner Eleganz punktet.

Alles in allem ist „The Shepherd" ein solides, knapp über dem Durchschnitt anzusiedelndes, B-Movie. Die Enttäuschung beruht in erster Linie auf den, bei den Vorzeichen zu recht, sehr hoch gestellten Erwartungen an den Film.

Der Actionanteil ist okay, mit schwankender Qualität bei den Shoot-Outs, gewohnt guten, wenn auch zu kurzen, Fights. Alles in allem immer noch besser als dass Zeugs, mit dem uns Seagal und Snipes seit Jahren belästigen.

Florentine, Adkins und van Damme haben einen dicken Fels bei mir im Brett, sodass ich keine 100%-ige Neutralität an den Tag legen kann und vergebe deshalb solide 7 von 10 Punkten. Jeder andere kann gut und gerne 1-2 Punkte von meiner Wertung abziehen.

BTW: Mir kann da einer erzählen was er will, ich denke die 11 Mio $ hatte „The Shepherd" nie wirklich zur Verfügung. Vielmehr hatte ich das Gefühl, dass Moshe Diamant das versprochene Budget dermaßen zusammengekürzt hat (Streichung der Außendrehs in Mexiko und USA, umschreiben des Scripts etc) um seine Millionenverluste der letzten Jahre (er war ja u.a. an Perlen wie „A Sound of Thunder" und „The Black Dahlia" beteiligt) mit dem Namen van Damme und möglichst billigst produzierter Actionware etwas wettzumachen.


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