Die sechste Folge von "Kottan ermittelt" bedeutet eine Zäsur in dem Gesamtwerk, wenn auch noch keinen Neuanfang. Äußerlich setzten Regisseur Patzak und Autor Zenker noch auf eine ähnliche Inszenierungsform als neunzigminütiger Spielfilm und führten die Storyline von Kottans Privatleben mit seiner Tochter Sissi und deren Freund Bösmüller nahtlos weiter, aber der Charakter der "Wiener Geschichten" hatte sich verändert und zeigte schon die zukünftige Entwicklung.
Festzumachen ist das an Lukas Resetarits, der ab dieser Folge den Kottan übernahm und bis zur letzten Folge nicht mehr abgeben sollte. Allein schon der Blick in das glatte, rundliche Gesicht des im Vergleich zu seinen Vorgängern erheblich jüngeren Kabarettisten, verdeutlicht den Wandel - hier ist keine Desillusionierung oder Melancholie mehr zu erkennen, sondern die pure Lust am provokanten, ironischen Spiel.
Aus heutiger Sicht ergibt sich ein gänzlich anderer Eindruck aus dieser Veränderung als zum Zeitpunkt der Erstsendung der Serie. Trotz der Brüche und Absurditäten der ersten fünf Folgen, entsprach "Kottan ermittelt" der üblichen Ernsthaftigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Seine Provokation für den damaligen Zuschauer lag in der deutlich konsequenteren Gesellschaftskritik, die sich in der genauen Beschreibung von damaligen Tabuthemen wie Ausländerfeindlichkeit, Rechtsradikalismus, Drogendelikten oder Homophobie zeigte. Die Polizei war hier kein Freund und Helfer, sondern wirkte teilweise hilflos und unfähig. Die ironischen Seitenhiebe waren zwar offensichtlich, aber nie so abgehoben, als dass man nicht die Realität dahinter erkennen konnte.
Mit Lukas Resetarits ging die Serie einen neuen Weg, der damals ein völlig neues Format im Fernsehen bedeutete, was erst zum Publikumserfolg führen sollte. Gut ist dieser neue Charakter an der letzten Einstellung dieser Folge zu erkennen, die minutenlang Kottan mit Schrammel und Schremser zeigt, wie sie mit dem verhafteten Täter einen Berg oberhalb Wiens herunterlaufen. Dazu erklingt Queens "We are the Champions". An Hand der vorherigen Schilderung des Geschehens ist die Ironie dieser Szene offensichtlich, aber es handelt sich um keine kritische Demaskierung mehr, sondern belustigt sich über die eingebildeten Gesellen. Resetarits legt den Kottan als coolen Kerl mit Motorrad und Cowboy-Allüren an, dem natürlich des öfteren die Grenzen aufgezeigt werden, der aber schlussendlich - wenn auch meist mit der Hilfe Anderer - erfolgreich ist.
Der Weg, den "Kottan ermittelt" mit dieser Folge nahm, führt direkt zu den heutigen Comedy-Serien. Die Serie arbeitete immer mehr mit Brüchen und der Umkehrung der normalen Erwartungshaltung des damaligen Fernsehzuschauers. Viele Gags wirken deshalb aus heutiger Sicht zumindest bekannt und man kann sich kaum noch vorstellen, dass "Kottan ermittelt" gerade deshalb im deutschsprachigen Fernsehen provozierte und es bis zu seinem heutigen Bekanntheitsgrad brachte. Die frühen Folgen wirken in ihrem Anachronismus zu heutigen Sehgewohnheiten wesentlich eigenständiger, hatten damals aber die genau umgekehrte Wirkung, weshalb "Kottan" viele Jahre eher unbemerkt im Fernsehen lief.
Die Stories setzten in der Folge auch weniger auf genaue Milieu Beschreibungen, sondern persiflierten gängige Krimimuster. So erhöhte sich die Anzahl der Morde teilweise erheblich, obwohl die Laufzeit ab der achten Folge um 30 Minuten reduziert wurde, denn die Macher setzten auf ein wesentlich schnelleres Tempo und die langen, ruhigen Einstellungen der ersten Folgen gehörten der Vergangenheit an. Doch soweit war "Räuber und Gendarm" noch nicht, dem man seinen Übergangscharakter deutlich anmerkt.
Resetarits schlüpft noch direkt in die Rolle seiner Vorgänger und nimmt auch den Freund seiner Tochter Gerhard Bösmüller zu seinen Ermittlungen mit. "Räuber und Gendarm" ist die letzte Folge, in der seine Tochter und deren Freund auftritt, denn Zenker und Patzak passen im weiteren auch das Privatleben ihres Protagonisten an dessen neuen Charakter an. Zwar fehlen in "Räuber und Gendarm" schon die genauen Schilderungen aus dem bürgerlichen Wiener Milieu, da man sich hier hauptsächlich auf die Kriminellen und die Polizei konzentriert, aber die Szenen mit dem Verbrecherkönig Horrak und Maria Bill als seine Geliebte "Rotkäppchen" sowie dem Auftragskiller alias "Osterhase", der immer nur englisch spricht, sind in ihrer Wiener Eigenart einfach köstlich. Auch Michael Schottenberg, der in "Der Geburtstag" den kranken Voyeur gab, kann hier als verunsicherter Einbrecher wieder überzeugen.
"Räuber und Gendarm" deutet mit seinem neuen Hauptdarsteller Lukas Resetarits in eine neue Richtung, verfügt aber noch über viele Ingredenzien des frühen Konzepts. Insgesamt lustiger und ironischer ohne die bösartigen Seitenhiebe auf das "goldene Wiener Herz" als die frühen Folgen, aber noch mit viel dokumentarischem Wiener Lokalkolorit (8/10).