Review

„Why are you doing this to us?“
„Because you were home.“

„the Strangers“, das verheißungsvolle Regiedebüt des jungen Filmemachers Bryan Bertino, mit dem es ihm auf Anhieb gelang, eines der besten Genre-Werke 2008 vorzulegen, ist eine dieser Produktionen, die im Rahmen ihres Einstiegs auf die Präsentation der relativ zweischneidigen, weil von Hollywood in jüngster Zeit viel zu oft und frei verwendeten Verlautbarung „Inspired by true Events“ zurückgreifen. Die Gründe dafür, diese in so manch einem Kontext unheilschwanger anmutende zusätzliche Information (bzw ähnlich formulierte Abwandlungen) immer wieder gern zu gebrauchen, also meist am Anfang (z.B. in Gestalt von Texttafeln) auf einen mehr oder minder faktischen Hintergrund hinzuweisen, selbst wenn letzten Endes kaum noch eine konkrete Verbindung zwischen dem cineastischen Produkt und den betreffenden (sofern überhaupt klar benannten) wahren Begebenheiten auszumachen ist, liegen auf der Hand: Die dargebotenen inhaltlichen Elemente erhalten auf diesem Wege eine gewisse Legitimation, des weiteren wird den Ereignissen so eine Art über ihren bloßen Unterhaltungscharakter hinausreichende Bedeutung zugesprochen – doch in erster Linie geht es um die ungemütlichen Empfindungen, welche das Wissen, dass sich das Gesehene tatsächlich mal irgendwann irgendwo in einer vergleichbaren Form zugetragen hat, beim Betrachter auslöst. Dieser gedankliche Transfer lässt die Grenzen zwischen der fiktiven (filmischen) und der allgemein viel intensiver erlebten realen Gewalt verschwimmen. Könnte einem so etwas wohlmöglich ebenfalls passieren? Es wäre dann ja schließlich nicht das erste Mal. Ein unbehaglicher Gedanke. Ziel erreicht.

Als Quellen der Inspiration für die Konzeption und Umsetzung seines Erstlingswerks, für das Bertino übrigens auch das Drehbuch verfasste, nennt der im Oktober 1977 geborene Regisseur in erster Linie das Buch „Helter Skelter“ (ein „True Crime“-Roman über die Morde der „Manson Family“), die generelle Struktur einiger prägnanter 70er-Jahre Genre-Vertreter (á la John Carpenter´s „Halloween“) sowie ein Verbrechen, das sich 1981 im Norden Kaliforniens ereignete. Diverse Zuschauer werden sich zudem an Michael Haneke´s „Funny Games“ erinnert fühlen, egal ob nun ans 1997er Original oder an die 2008er US-Version – allerdings kommt man speziell in diesem Zusammenhang bzw dieser Hinsicht auf keinen Fall umher, die hervorragende 2006er Veröffentlichung „Ils“ (aka „Them“) anzuführen: Zwar teilen sich beide Thriller eine Reihe Gemeinsamkeiten inhaltlicher wie inszenatorischer Natur, das ist weder zu bestreiten noch zu übersehen, doch handelt es sich bei „the Strangers“ definitiv um kein Remake des leider noch immer recht unbekannten französischen Streifens – und zum Glück vermag man, (u.a.) aufgrund der hohen Qualität und etlicher durchaus evidenter Unterschiede, ebenso nicht von einem Plagiat zu sprechen. Vielmehr verband Bertino all diese Einflüsse, Erfahrungen, Ansätze und Nachbetrachtungen zu einem bewusst minimalistisch und gradlinig gehaltenen Plot-Konstrukt, welches es ihm ohne Ablenkungen ermöglichte, ungehindert sein eigentliches Ziel anzugehen – nämlich das Publikum von Anfang an zu packen und bis zum Einsetzen des Abspanns nicht mehr loszulassen…

Ein im Morgengrauen angesiedelter kurzer Prolog, welcher unverkennbar an jene der „Texas Chainsaw Massacre“-Reimaginings aus dem Hause „Platinum Dunes“ angelehnt wurde, eröffnet den Film und nimmt das Ende quasi gleich schon in groben Zügen vorweg. Obwohl mir persönlich ein Verzicht darauf lieber gewesen wäre, wird so unmittelbar eine unheilvoll-düstere Stimmung etabliert, die im Anschluss auch keinerlei Auflockerung mehr findet bzw erfährt. Der zentrale Storyverlauf setzt nun wenige Stunden zuvor ein (mitten in der Nacht) und präsentiert uns die beiden Hauptprotagonisten des Geschehens, das Pärchen James Hoyt (Scott Speedman) und Kristen McKay (Liv Tyler), wie diese wortlos in ihrem Wagen sitzen und auf das Umschalten einer roten Ampel warten, vor der sie an einer Kreuzung in einer menschenleeren Nachbarschaft stehen, die vornehmlich aus in der jetzigen Saison unbewohnten Sommerhäusern besteht. Augenblicklich ist klar, dass etwas zwischen ihnen vorgefallen ist – ihre Blicke sind starr und traurig, Kristen´s Tränen nicht zu übersehen. Erst später, nachdem sie das abgelegene Haus erreicht haben, das seinem Vater gehörte und nun bei ihrem Eintreffen verschiedene „romantische Vorbereitungen“ preisgibt (Rosenblätter und Kerzen überall verteilt, der Tisch edel gedeckt, ein teuerer Tropfen kaltgestellt etc), erfahren wir, dass ihr James zuvor auf einer Feier einen einfühlsamen Heiratsantrag gemacht hatte, auf welchen sie aber nicht eingehen konnte oder wollte, da sie, wie sie sagt, aktuell „für diesen entscheidenden Schritt einfach noch nicht bereit“ sei. Entsprechend schwer fällt es ihnen, die liebevoll hergerichteten Räumlichkeiten zu betreten und sich auf eine Übernachtung einzustellen – ihre vertraute Nähe schmerzt und verunsichert, die Zukunft ihrer Beziehung ist ungewiss. Diese intimen Umstände und Emotionen arrangierte Bertino präzise und rückte sie inspiriert ins Bilde: Obgleich wir diese zwei Personen im Grunde genommen überhaupt nicht kennen, fühlen wir unweigerlich mit ihnen – eine perfekte Ausgangsbasis für die effektive Wirkung all jener Dinge, die noch folgen sollen…

An Schlaf ist, angesichts der Situation sowie ihrer aufgewühlten Seelenleben, kaum mehr ernsthaft zu denken, weshalb sich James der eigentlich zum Anstoßen gedachten Flasche prickelnden Alkohols zuwendet und zudem seinen Kumpel Mike (Glenn Howerton) per Nachricht auf dessen Mailbox darum bittet, nach Möglichkeit vorbeizukommen und ihn abzuholen, während sich die über ihre Entscheidung permanent Gedanken machende Kristen verunsichert bettfertig macht – es hat ja schließlich nicht direkt etwas mit ihren Empfindungen zutun, dass ihr ein derart konkreter Schritt gen Ehe momentan schlichtweg noch zu früh erscheint. Plötzlich, es ist inzwischen knapp vier Uhr, hämmert es laut an der Tür – vor welcher ihnen nach dem Öffnen eine verwirrt wirkende junge Frau (Gemma Ward) gegenübersteht und sich danach erkundigt, ob denn „Tamara“ daheim sei. Als man ihr erklärt, dass die Gesuchte hier nicht wohnen würde, zieht jene wieder von dannen, worauf James und Kristen die Sache schnell als einen „unbedeutenden Vorfall“ abtun – das Mädel hatte sich vermutlich nur auf einer Party berauscht und im Anschluss dann verlaufen, nehmen sie an, und so bricht James wenig später auch unbesorgt zum nächsten 24h-Lädchen hin auf, um Zigaretten zu holen, die Zeit bis Mike´s Ankunft zu überbrücken und ein bisschen für sich allein zu sein. Kurz nach seiner Abfahrt klopft es jedoch erneut an der Vordertür: Dieses Mal von Kristen verschlossen gehalten, weiß sie allerdings nicht, dass sich bereits eine andere Person als jene Dame mit ihr im Haus befindet – bloß schenkt ihr James bei seiner Rückkehr keinen rechten Glauben, als sie genau das zu ahnen und äußern anfängt. Fortan nimmt eine Serie beängstigender, sich vorerst hauptsächlich auf der psychologischen Ebene entfaltender Ereignisse ihren Lauf, bevor die insgesamt drei sie terrorisierenden Individuen ihre ausgeübten Gewaltformen zunehmend um direkte physische Komponenten erweitern…

„the Strangers“ ist ein klassischer Suspense-Thriller der alten Schule – einzuordnen in der Unterkategorie der „Home Invasion Movies“. Unter anderem geht es um den Albtraum, dass etwas Fremdes, Bösartiges ins eigene Zuhause eindringt und dadurch die mit diesem privaten Ort stets verbundene Sicher-, Geborgen- und Unantastbarkeit quasi entweiht und zerstört. Das Haus an sich steht dabei (allgemein) relativ oft für abstrakte Dinge, wie z.B. die Grenze der Angst vor Elementen der umgebenden Gesellschaft – die Bedrohung von außen (bzw der „Erfolg“ dieser) verunsichert zugleich das geschaffene (innere) Selbstbild, welches vorliegend zu allem Überfluss außerdem noch frische und nicht unerheblich belastende Risse aufweist (vgl. „Vacancy“, 2007). Die Charakterzeichnungen sind zwar nicht ausnehmend reichhaltig ausgefallen, und ihre aktive Präsentation beschränkt sich fast ausschließlich auf die erste Hälfte des Films, bevor sie als „vollständig etabliert“ angesehen und im Zuge des nun einsetzenden Überlebenskampfs nicht weiter ergänzt werden – doch genügen einem die gebotenen Eindrücke und Informationen, um als Zuschauer mit ihnen zu fühlen und zu leiden. Kleine Details lassen sie ungemein „menschlich“ wirken, also unvollkommen in ihrem Wesen: Zum Beispiel als James sich die Schrotflinte seines Dads greift, er Kristen infolge dessen aber gestehen muss, sich in Wahrheit gar nicht damit auszukennen, da er die Geschichten vom Jagen in den Wäldern damals nur erfunden habe, um sie im Rahmen einer ihrer ersten Dates zu beeindrucken – schwerwiegende Worte, gerade in Anbetracht der Umstände, mit denen sie sich konfrontiert sehen. Der oftmals eher blasse Scott Speedman („Underworld“/„Dark Blue“) liefert endlich mal eine (nicht nur für seine Verhältnisse) starke Performance ab – allerdings ist es die äußerst attraktive Liv Tyler („Armageddon“/„Lord of the Rings“), welche restlos alle Facetten ihres Parts (inklusive der „Scream Queen“-Attribute) nahezu makellos meistert und in dieser Hinsicht große Anerkennung verdient. Gemeinsam füllen sie ihre Figuren (welche das, was ihnen hier widerfährt, in keiner Weise verdienen) mit Leben aus, so dass man hervorragend mit ihnen mitzufiebern vermag.

Ihnen gegenüber steht ein Trio maskierter Gestalten, das nicht nur mit dem ins Auge gefassten Pärchen ein unbarmherziges wie diabolisch-fieses Spielchen treibt – sondern simultan ebenso mit dem hilflos beiwohnenden Publikum. Unter der „Püppchen-Maske“ des Mädels an der Tür („Dollface“) steckt keine geringere als Model Gemma Ward („the Black Balloon“), ihr zur Seite steht Laura Margolis (TV´s „Dirty Sexy Money“) als brünettes „Pin-Up Girl“ (á la „Alice Sweet Alice“ (1976), plus Züge der unverkennbaren „Betty Boop“). Dritter im Bunde ist der einen schwarzen Anzug sowie grauen Sack oder Kissenbezug überm Kopf tragende „Man in the Mask“, welcher von Kip Weeks („Glory Road“) gespielt wird und dessen erster Auftritt schlichtweg brillant arrangiert wurde. Sie sprechen so gut wie nie, ihre „echten Gesichter“ werden an keiner Stelle direkt gezeigt – all das, in Addition zu ihrem unberechenbaren Vorgehen, nährt ihre furchteinflößende Präsenz und Ausstrahlung extrem nachhaltig. Sie sind ihren Opfern permanent und umfassend überlegen, kontrollieren stets die gesamte Lage – es wäre ein leichtes für sie, die Sache schnell zu einem Ende zu bringen, doch das wollen sie ja gar nicht. Mit kleinen Gesten (versetzte Gegenstände) und eindringlichen Geräuschen (wie das Betätigen einer Klaviertaste) agieren sie zuerst lange Zeit primär auf der psychologischen (Terror-) Ebene, bevor der Schritt hin zur körperlichen Gewalt vollzogen wird. Gelegentlich tauchen sie nur für Sekundenbruchteile irgendwo auf, manchmal sieht man sie bloß regungslos im Hintergrund verweilen – besonders faszinierend ist ihr Verschmelzen mit den vielen pechschwarzen Schatten anzusehen. Einfach klasse.

Zwar vermochte Bertino keine Erfahrungen als Regisseur oder Drehbuchautor vorzuweisen, als er „the Strangers“ an „Rogue Pictures“ pitchte (zuvor arbeitete er im Business bei kleineren Produktionen u.a. als „Grip“ und Nebendarsteller) – allerdings waren ihm die Mechanismen des anvisierten Genres bestens vertraut. Er näherte sich der Angelegenheit mit dem nötigen Ernst an, konzipierte seine Story fokussiert und gradlinig, ohne irgendwelche gesellschaftskritischen Botschaften transportieren zu wollen (vgl. „Funny Games“) oder sein klaustrophobisches Setting unnötig zu erweitern (siehe den finalen Akt von „Ils“), vergaß nicht, die Zuschauer genügend zu involvieren (Identifikationsansätze, Nachvollziehbarkeit, ein inspiriertes Händchen beim Preisgeben von Informationen etc), hielt die Einführung knapp (nichtsdestotrotz ausreichend gehaltvoll), die Abfolge der Ereignisse straff (kein Leerlauf, keine Verschnaufpausen) sowie den Spannungsbogen klar definiert. Die zur Schau gestellte Gewalt erfüllt nie einen Selbstzweck, Blut und brutale Sequenzen wurden wohl dosiert. Es ist Bertino bravourös gelungen, den Betrachter ins Geschehen hineinzuziehen, Gänsehaut hervorzurufen und eine zum Schneiden dichte ungemütliche Atmosphäre zu erzeugen. Man weiß zwar, wie der Morgen danach ausschauen wird (dieser verfluchte Prolog!) – aber das ist egal, denn in der Gegenwart der Handlung fiebert man unabhängig dessen uneingeschränkt mit. Zugegeben, der Suspense-Ausprägungsgrad erreicht seinen Höhepunkt im späten zweiten Drittel, da das letzte dem eingeschlagenen Pfad im Prinzip nur noch weiter folgt – doch lässt sich diese Gegebenheit, zumindest meiner Meinung nach, sowohl verschmerzen als auch vernachlässigen. Leider ist man (zudem) nicht umher gekommen, einige der „üblichen“ Genre-Klischees zu verwenden (wie sich in bestimmten Momenten unvorteilhaft zu trennen) – allerdings nehmen diese glücklicherweise nie Überhand und werden sporadisch gar nett abgeschwächt (z.B. indem ein Handy mit leerem Akku umgehend zum Aufladen ans Stromnetz angeschlossen wird). Das Ende an sich ist, vergleichbar mit dem Eindruck des Einstiegs, ebenfalls ein zweischneidiges Schwert: Speziell nach allem zuvor Gesehenen werden es viele sicherlich als antiklimaktisch einstufen – ich persönlich fand es, abgesehen vom angehängten Epilog, der beinahe wie eine Auflage des Studios anmutet, verhältnismäßig passend, angemessen und stimmig.

„the Strangers“ weist durch die Bank weg vertraute, dennoch zu einem äußerst schmackhaften Endprodukt kombinierte und angerichtete Komponenten auf – vielleicht vermag das unterm Strich nicht unbedingt in Sachen Kreativität oder Originalität zu begeistern, mutet aber gerade in den heutigen Zeiten, welche ja von enttäuschenden sowie auf kommerzielle Massentauglichkeit zugeschnittenen Genre-Veröffentlichungen á la „Prom Night“ oder „One Missed Call“ geprägt sind, trotzdem wie eine angenehm frische Alternative an. Auch auf einem technischen Level betrachtet, funktioniert das Werk vorzüglich: Cinematographer Peter Sowa („Wicker Park“) fing die Ereignisse in stimmigen Bildern ein und griff zudem immer wieder auf die Stärken eines Einsatzes der Handkamera zurück – frei von modernen schnellen Schnittfolgen und „flashy Visuals“, harmoniert die komplette Optik mit der grundsätzlichen „Old School“-Herangehensweise. Das Sound-Design ist gleichermaßen überzeugend ausgefallen: Etliche Szenen kommen völlig ohne Dialoge oder Musikuntermalung aus bzw daher, worauf man vor Anspannung förmlich die Luft anhält, bevor jeder Laut die Stille dann um ein Vielfaches verstärkt wirkend durchdringt und man teils unweigerlich zusammenzuckt. Schritte, Schreie, aufeinander treffende Gegenstände – dazu die Klänge kratziger Vinyl-Schallplatten sowie der spannungsfördernde Score des bereits an Streifen wie „the Mothman Prophecies“ und „the Hills have Eyes“ beteiligt gewesenen Gespanns Tom Hajdu und Andy Milburn: All diese Dinge verbinden sich zu einem eindringlichen, mit punktgenau sitzenden Schockmomenten angereicherten Gesamteindruck. Trotz kleinerer Schwächen hat mich Bryan Bertino´s Debüt überzeugt und dabei hervorragend unterhalten – und obgleich „Alone“, sein wohl nächstes Projekt, recht ähnlich klingt, bin ich sehr darauf gespannt, nicht nur weil jenes übernatürliche Elemente aufweisen wird. Vorliegend ist es ihm jedenfalls gelungen, aus limitierten Mitteln ein Maximum an Effekt zu generieren. Was mir nach dem Kinobesuch in erster Linie im Kopf verblieb, neben so manch einer Dialogzeile, Liv Tyler´s Gesichtsausdruck, einigen charmanten Ehrerbietungen (etwa gen „Halloween“) sowie diversen „highly creepy Images“, war das erfreuliche Gefühl, endlich mal wieder einen wahrhaft intensiven Suspense-Thriller gesehen zu haben … starke „8 von 10“

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