Anthologiefilme sind ja leider ein wenig aus der Mode gekommen, da hatte man es früher besser: viel Abwechslung in drei, vier oder fünf kurzen, aber knackigen Geschichten, kostengünstiger zu produzieren und gleichzeitig eine nette Starparade von bekannten Gesichtern. Nach dem Niedergang des britischen Horrorkinos der 60er während der späten 70er ging auch diese Tradition zugunsten des TV flöten, allein Romero belebte die Idee mit "Creepshow" noch einmal neu, doch alles was danach auf diesem Sektor kam, war entweder unter dem Durchschnitt, erlitt das Direct-to-DVD-Schicksal oder überkreuzte Erzählstränge lieber in einem Film auf möglichst verschachtelte, aber klugscheisserische Weise zum Aha-Erlebnis.
Um so trauriger, daß auch "Trick'r Treat" es schlußendlich nicht ins Kino geschafft hat, obwohl dafür konzipiert und in der Darreichung sogar eine Mischform aus unterschiedlichen Episoden, die sich an bestimmten Punkten zumindest touchieren, wenn nicht überschneiden.
Michael Dougherty, seines Zeichens Autor des Trilogiehöhepunkts "X-Men 2", durfte mit dem Halloweenfilm erstmals einen Langfilm inszenieren, konnte jedoch nicht ahnen, daß der 2005 gedrehte Film erst aus der Programmplanung und dann sogar aus der Vorschau genommen wurde, schließlich eingelagert wurde, um dann diverse Jahre später halb verschüchtert als Silberscheibe auf den Markt geworfen zu werden, noch dazu in einer gekürzten Fassung zum schnelleren Snackverzehr (wer auf der DVD mal rechnen möchte: der Film dauert 75 Minuten, dazu gibt es 15 Minuten geschnittene Szenen, allesamt Handlung).
Das ist schade, denn so mancher stattdessen gestartete Horrorfilm rund um Allerseelen herum erwies sich als qualitativ größerer Rohrkrepierer als dieser mit ungeheuerer Liebe und Aufmerksamkeit gemachte Streifen um Schrecken und Schmunzeln, der erstmals seit Carpenters "Halloween" wirklich mal wieder das Halloween-Feeling dieses Festes atmet.
Aufgeteilt und wiederverwoben in vier (man könnte auch viereinhalb sagen) Episoden, haben die Geschichten alle den Ort (eine typisch amerikanische Kleinstadt) und ein seltsames, kleinwüchsiges Etwas namens Sam, das mit einem Sack über dem runden Kopf wie ein laufender Vogelscheuchenkürbis anmutet, gemein. Sam ist ein nächtlicher Beobachter, der gleich zu Beginn mit seinem in einem Candy-Riegel versteckten Teppichmesser zur Tat schreitet, zumeist aber nur beobachtet, was die verschiedenen Personen denn alles so anrichten, um sich von einer in die nächste Welt zu befödern.
Neben zahlreichen Schnittstellen, an denen sich die Figuren verschiedener Episoden kurz begegnen (oder über den Weg laufen), haben zwei Episoden eine übergreifende Verbindung, die sich aber erst in den letzten Minuten herausstellt und auch für den Genuß nicht unbedingt wichtig ist.
Wichtiger ist vielmehr, daß Dougherty es versteht, Grauen und Spaß mit Atmosphäre zu verbinden, sowohl eine farbenfrohe und abwechslungsreichen Maskenparade auf dem Stadtfest wie auch märchenhaft-gruselige Locations in der Umgebung zu bieten (Seeufer, Wald, altes dunkles Haus). Dazu kommt eine solide Portion grimmiger Humor und die (bis vielleicht auf eine früh durchschaubare Story mit dem Kinderstreich) notwendige Wendung auf den letzten Metern, die meistens eine böse Pointe folgen läßt.
In warmen Farben und prachtvollen Sets voller schauriger Kürbisse, verfallener Häuser, nebelumflorter Vegetation fühlt man sich schon bald zu Hause und wenn ein Film Lust macht, so eine top ausgestattete Party mitzumachen, dann dürfte es dieser sein.
Die Qualität der Geschichten ist dabei unterschiedlich: der mörderische Rektor wirkt anziehend witzig, doch die Story ist unterentwickelt und viel zu schnell vorbei; dafür ist die Kinderepisode mit dem Streich ein wenig vorhersehbar. Wesentlich besser die märchenhafte Story vom Warten auf den Verlust der Unschuld (hier am Start: Anna Paquin, eben aus dem "X-Men"-Film), die ein Mädchen in einem Rotkäppchenkostüm in den Wald schickt, wo sie dem "Wolf im Manne" begegnet - oder eben nicht.
Die finale Episode, rund um einen alten, grimmigen Mann, der sich Halloween verweigert und "Sam" damit zur Aktion zwingt, ist dann bestes Duellgebiet und hat viele schöne Bilder und den nötigen Drive, ohne (wie der ganze Film übrigens) in Blut waten zu müssen - schaurig bleibts trotzdem.
Die Kürzung um eine Viertelstunde hat dem Film - vermutlich - sogar gut getan, der Drive hat sich erhöht und die Stories schleppen sich nicht zu seicht dahin, das Tempo wirkt so verspielter und sorgt für mehr Spaß an der Sache, wenn auch nichts wirklich Bedeutsames dabei herauskommt, es ist einfach der Film zum Fest, den man (die Comic-Wurzeln zeigen sich im wunderbar animierten Vor- bzw. Nachspann) gern hätte fortsetzen können, wenn jemand den Mut dazu gehabt hätte, ihn überhaupt mal rauszubringen.
Natürlich ist es kein ultraharter Meilenstein, kein Blutfest und kein Tabubruch, "Trick'r Treat" ist in seiner erzählerischen Spritzigkeit trotzdem geradezu retro, beschwingt und harmonisch, sich selbst genügend - und damit eher ein Gruselfilm für Erwachsene, denn für sensationslüsterne Teenager. Verspielt läuft das Geschehen ab und niemand in der großen Runde ist dabei sicher vor dem Schicksal - es sei denn, man gibt sich den Regeln des Tages hin und folgt ihnen, während man gleichzeitig auf sich aufpaßt, weil ja alles möglich ist. Aber das erfahren die Beteiligten meistens zuletzt, wobei Dougherty, und das zeichnet den Film als relative Ausnahme aus, vor nichts halt macht, schon gar nicht davor, Kinder zu Opfern zu machen. Ein gutes Dutzend von ihnen muß dran glauben und das teilweise auf recht heftige Art und Weise.
Wer sich also zu Halloween in die nötige morbid-lustige Stimmung bringen will, ist hier für eine kleine Weile aufgehoben wie in Samhaims Schoß, auch wenn das eine äußerst schmerzhafte Wiegerei werden könnte. Es waren einmal 7/10.