Wenn man Robert Rodriguez den Hühnerstall anvertraut, frisst er alle Hühner auf. Das täte irgendwann ein jeder Hühnerstallbesitzer. Bis es soweit ist, würde ein Quentin Tarantino aber seinen Hühnern samtweiches Stroh unter den Hintern legen, sie mit gedämmtem Wohlfühllicht bestrahlen und tagein, tagaus mit George Bakers "Little Green Bag" bespielen, auf dass es eine prächtige Eierernte gäbe. Auf das "Grindhouse"-Projekt gemünzt ist es so: Tarantino hantiert (selbst)verliebt mit dem Sujet, Rodriguez schlachtet es aus. Auch dies ist kein verfehlter Ansatz, denn Rodriguez beutet ein Genre aus, das mitunter von Ausbeutung lebte.
Der Grindhouse-Begriff setzt die Rahmenbedingungen der Veranstaltung, in der die Exploitation ein wesentlicher Gegenstand der Vorführung war. Die Prämisse dieses Kinos ist geprägt von dem Zerwürfnis der Filmemacher, kein Geld zu haben, aber welches machen zu müssen - ohne ihnen dabei die Passion absprechen zu wollen. Dies bedeutet vor allem monetäre Defizite mit Kreativität auszugleichen, mit Sex, mit Gewalt oder allem zusammen; kurz: Sensation vor Substanz. Ein Motto wie prädestiniert für Robert Rodriguez. Darum lässt ein haarsträubender Biogas-Plot sich am grindigen Barbecue erfreuende Texaner in menschenfleischfresssüchtige Infizierte verwandeln. Darum gibt es auf die Immunität der Helden keine Antwort; wahrscheinlich tragen die saftigen und räudig gebratenen Steaks aus J.T.s "Bar B Q" ihren Teil dazu bei - nur eine Vermutung. Darum das Stilmittel der fehlenden Filmrolle innerhalb der Sexszene; dient nicht nur der Wahrung von Auflagen und hollywoodesken Benimmregeln, erspart zugleich natürlich lästige Handlung, die anschließend mitten im Gefecht wieder einzusteigen pflegt.
Darum gibt es gefüllte Beutel zu sehen mit aus Hodensäcken gepellten Eiern. Darum fault Tarantino seine Männlichkeit ab. Darum müssen die "Black Eyed Peas" nun Ausschau nach einer neuen Sängerin halten - jedenfalls nach einer mit Hirn (Fergies Kopf wurde ausgelutscht). Tom Savini sucht bereits - seinen Finger -, alldieweil Bruce Willis verkündet, Bin Laden getötet zu haben. Wie auch bei der Anweisung einer Mutter zu ihrem Sohn: "Mach es wie in deinen Computerspielen: Immer auf die Köpfe schießen!", die politisch unkorrekt flugs nach hinten losgeht, wie auch bei dieser Anweisung eben liegt es Rodriguez allerdings fern, den gesellschaftskritischen Kontext zu suchen, als dass es vielmehr ums Groteske geht, um dessentwillen jedwedes spleenige Geschütz aufgefahren wird. Für eine besondere Ekelnummer hemmungslos auch schon einmal auf Kosten von Irak-Verwundungen.
"Planet Terror" besitzt den Grindhouse-Charme und unterspült zugleich die eigentlichen Qualitäten oder sagen wir auch: Nicht-Qualitäten dieses Kinos. Er ist launig, doch die Unfreiwilligkeit im Humor fehlt. Dieselbe Spiegelverkehrtheit beim Erotikfaktor: Für Barbusigkeit ist der Film sich zu prüde, choreographiert beim Bücken, Tanzen, Schießen, Bücken, Sprechen aber vortrefflich die Hintern und Ausschnitte seiner Damen in den Fokus der Kamera, wie es ein Videoclipregisseur geiler nicht zuwege bringen könnte. Von dieser Ästhetik war das Exploitations-Kino weit entfernt. Nicht zuletzt in dieser paradoxen Beziehung steht die Kunst der Effekte. Infizierte sauen mächtig rum und diejenigen, die den Rumsauenden zuleibe rücken, tun es auch, und alles darf bluten in technisch weihevoller Manier. Die Summe ergibt einen überspritzten Splatter-Kaventsmann aller erster Güte, der Rodriguez' "From Dusk Till Dawn" in seiner Effektqualität gewiss reichlich überflügelt.
Augenscheinlich lässt kein anderer Aspekt wie die Budgetfrage Huldigenden und Gehuldigten sich so voneinander weg bewegen. Vielleicht aber hat Robert Rodriguez, hypothetisch gesagt, hier etwas weiterentwickelt und vollendet, vielleicht hat er den Film gedreht, der gedreht worden wäre, hätte jenen finanziell beengten Regisseuren mehr Geld zur Verfügung gestanden. "Planet Terror" würdigt das Grindhouse-Kino jedenfalls, ohne selbiges zu sein. Was er mit bisweilen vergilbten Filmrollen und knackendem Ton betreibt, ist Mimikry. Er sieht damit aus, wie es sich im Genre geziemte, doch ist ein Nachahmer nie Original. Der Knackpunkt allerdings ist, dass Retro seit jeher nur die Reanimation des Ausgewählten bedeutet, dessen, was mit dem zeitgenössischen Geschmack in Einklang zu bringen ist. Das Gros des Vergangenen wirkt, wenn man es ausbuddelt, noch immer antiquiert.
Wer eine Ostalgie-Party feiert, erinnert sich gerne zurück an gesicherte Kinderbetreuung und Arbeit in der DDR und vergisst schnell die damaligen Verletzungen von grundsätzlichen Freiheiten. Für Bananen haben wir Schlange gestanden. Ach, ist das heute lustig. Aber möchte irgendwer sich jetzt noch dafür anstellen? Möchte irgendwer heutzutage in muffigen Lichtspielhäusern sitzen? Freilich, diese Klientel ist klein, zu klein. Zusammen mit Quentin Tarantinos "Death Proof" ist "Planet Terror" die Hommage an ein Kino, in dem es aus den Wänden eiterte. Beschleimt zu werden entspricht nicht dem aktuellen Komfort, nur zu zusehen, wie jemand beschleimt wird. Indem vor allem Tarantino inhaltlich und Rodriguez handwerklich und schwarzhumoristisch für Grindhouse viel zu gut, viel zu anders sind, ist das "Grindhouse"-Projekt natürlich auch ein Verbrämen des Genres. Es ist Nostalgie, die den Müll auslässt. Denn der Müll hätte keine Chance gehabt, in die heutigen Multiplexe gefahren zu werden. Andere Zeiten, andere Sehgewohnheiten. So war es unvermeintlich, dass sich für all diejenigen, die sich echtes Grindhouse erhofft haben, diese Hoffnung nur als Utopie herausstellen konnte. Robert Rodriguez schließlich hat geklotzt und gekeult und nur das gedreht, was er am besten kann: einen schwer unterhaltsamen Männerfilm.