“Brutal Recall - Die brutale Erinnerung”
Jason Bourne is back. „Aller guten Dinge sind drei“, denkt sich der Amnesie geplagte Ex-CIA Killer und macht sich ein (vermeintlich) letztes Mal auf, der eigenen Identität auf die Spur zu kommen. Auf seinem rasanten Selbstfindungstrip war er bereits am Ende des zweiten Films (Die Bourne Verschwörung, 2004) relativ weit gediehen.
Entdeckte er im ersten Teil (Die Bourne Identität, 2002) erst nach und nach seine überdurchschnittlichen Fertigkeiten in diversen Nahkampftechniken, seinen Expertenstatus im Umgang mit Schusswaffen aller Art sowie die ebenfalls nicht gerade alltägliche Fähigkeit, eine Horde von Verfolgern bei einer Hatz durch halb Europa zum Narren zu halten, so setzte er im zweiten Teil diese (quasi neu erworbenen) Stärken bereits gezielt ein und mutiert streckenweise vom Gejagten zum Jäger. Am Ende wird er mit der bitteren Erkenntnis konfrontiert, als Teil einer möglicherweise illegalen Sondereinheit der CIA mehrere brutale Auftragsmorde begangen zu haben. Der dritte Teil nun zeigt Bourne bei dem Versuch, die Hintergründe und Hintermänner dieses Geheimprojekts aufzuspüren und damit endgültig die für ihn elementaren Fragen zu beantworten: Wer bin ich? Wer war ich vor meiner Rekrutierung? Wie wurde ich zu dem, was ich jetzt bin?
Wie die beiden Vorgänger, lebt auch Das Bourne Ultimatum von einer perfekt ausbalancierten Mischung aus knisternder Spannung, düster-brutalem Realismus und schweißtreibender Rasanz. Regisseur Paul Greengrass benutzt dazu exakt die gleichen Techniken wie beim ebenfalls von ihm inszenierten zweiten Teil. Ein zentrales Element ist dabei der fast ausschließliche Einsatz einer Handkamera, was den Zuschauer unmittelbar am Geschehen teilhaben läst. So rennt und hetzt man mit Jason Bourne über mehrere Kontinente und hat dabei wie der Protagonist kaum Zeit zum Luft holen. Vor allem in den zahlreichen Kampfszenen sowie einer irrwitzigen Autoverfolgungsjagd wird man direkt in das chaotische Geschehen katapultiert und erlebt die Action gewissermaßen hautnah mit. Stakkatoartige Schnitte, die bereits aus den ersten Filmen bekannte, treibende Musik sowie durchweg düstere Bilder komplettieren schließlich die bekannt gehetzt-bedrohliche Atmosphäre.
Die (meist unsichtbare) Bedrohung ist dabei stets allgegenwärtig. So kämpft Bourne nicht nur mit realen Gegnern, sondern muss sich auch eines hochtechnischen Überwachungsapparats erwehren. Im Zeitalter des gläsernen Bürgers und immer raffinierteren Spionagetechnologien ein durchaus beunruhigend-realitätsbezogenes und politisch brisantes Szenario.
Obwohl der dritte Film nicht nur in formaler Hinsicht sondern auch storytechnisch fast eine exakte Kopie des zweiten Teils ist, geht die Rechnung voll auf. The Bourne Ultimatum (so der englische Originaltitel) ist ein ungeheuer spannender, rasant inszenierter Agententhriller, bei dem zu keinem Zeitpunkt auch nur der Anflug von Langeweile aufkommt. Erneut fiebert man mit dem eigentlich unsympathisch angelegten Charakter mit und hofft, dass der geplagte Geist endlich zur Ruhe kommt.
Dass die Bourne-Filme gerade auch auf der Empathie-Ebene so gut funktionieren, ist vor allem Hauptdarsteller Matt Damon zu verdanken. Obgleich eine von Robert Ludlum geschaffene Romanfigur, scheint Damon die Rolle des unter Gedächtnisverlust leidenden Spezialagenten auf den Leib geschrieben. Bei Bourne geht alles blitzschnell: Entschlüsse, Reaktionen, Faustkämpfe. Obwohl Damon auf den ersten Blick wenig Virilität ausstrahlt, kann er von einer Sekunde auf die andere explodieren. Dass er Langsamkeit und Bedächtigkeit weit weniger gut darzustellen vermag, belegt sein schwacher Auftritt in Robert De Niros völlig uninspiriertem CIA-Gähner Der gute Hirte (ebenfalls 2007), bei der Damon gewissermaßen die Seiten wechselt und einen Schreibtischagenten spielt.
Ganz anders seine Verkörperung von Jason Bourne. Auch wenn es abgedroschen klingt: Damon ist Bourne. Zumindest optisch selbst ein Durchschnittstyp, verleiht er der Figur Authentizität, Glaubwürdigkeit und schafft damit Identifikationspotential. Bourne ist kein Superheld mit übermenschlichen Fähigkeiten. Er hat Albträume, ist unsicher und wirkt häufig etwas verloren. Kein strahlender Actionheld, der seine Gegner zuerst mit lockeren Sprüchen und dann erst mit Kugeln eindeckt. Bei Bourne sieht alles nach harter, körperlicher Arbeit aus. Er entkommt häufig nur mit allerletzter Mühe und mit zahlreichen Blessuren.
Dieser neue, gewissermaßen geerdete Typus des Actionhelden kommt beim Publikum bestens an. In den USA ist Bournes dritter Streich fulminant gestartet und hat die ersten beiden Teile inzwischen überflügelt. Kiefer Sutherland feiert mit einer ähnlich angelegten Rolle als CTU-Agent Jack Bauer in der Echtzeitserie 24 alljährlich phänomenale Erfolge (bereits 6 Staffeln sind abgedreht). Selbst der berühmteste „Initialen-Vetter“ Bournes - Edelagent James Bond - konnte mit der Rückbesinnung auf Realismus, Härte und Kompromisslosigkeit das Ruder herumreißen und neue Fanscharen erschließen (Casino Royale, 2006). Keine Frage, JB ist derzeit das Maß aller Dinge im Agententhriller.
Neben den inszenatorischen Qualitäten und der publikumwirksamen Hauptfigur wartet der dritte Bourne Film mit einem für das Genre unüblich erlesenen Cast auf. Charaktermimen wie Joan Allen, Jason Strathairn (Oscar-nominiert für Good Night and Good Luck 2005), Scott Glen und Albert Finney geben sich gewissermaßen die Klinke in die Hand und veredeln den Actionthriller mit ihren zwar teilweise kurzen, aber durchaus einprägsamen Auftritten. Vor allem Strathairn und Finney überzeugen als Bournes skrupellos-diabolische Gegenspieler. Joan Allen spielt erneut die mit Bourne sympathisierende CIA-Abteilungsleiterin Pamela Landy und knüpft nahtlos an ihre Leistung aus dem Vorgängerfilm an. In einer Minirolle ist der deutsche Jungstar Daniel Brühl als Bruder von Bournes in Teil 2 ermordeter Freundin Marie (Franka Potente) zu sehen.
Fazit:
Das Bourne Ultimatum ist der mit Abstand beste Beitrag im „Threequel-Summer 2007“. Während der grüne Oger und Jack Sparrow auf ganzer Linie enttäuschten und Peter Parker auf der Ziellinie zumindest schwächelte, rollt Jason Bourne das Feld von hinten auf und geht als klarer Sieger aus dem Rennen hervor.
Regisseur Paul Greengrass und Hauptdarsteller Matt Damon knallen dem Zuschauer ein kompromissloses Stück Actionkino um die Ohren, welches bestens zu unterhalten weiß. Ungemein spannend und reißerisch inszeniert, zudem mit einer gehörigen Portion düsterem Realismus ausgestattet, ist der dritte Bourne-Film völlig zu recht der erfolgreichste der Franchise. Das Bourne Ultimatum ist damit nach Shooter und Stirb langsam 4.0 bereits der dritte überzeugende Genrebeitrag des Jahres. 2007 ist offensichtlich ein ausgezeichneter Jahrgang für überdurchschnittliche Actionthriller.
(9/ 10 Punkten)