"Death Proof", Tarantinos Hälfte des Grindhouse Features, das er zusammen mit seinem Bruder im Geiste Robert Rodriguez umsetzte, ist sein vielleicht radikalster Film in seinem bisherigen Schaffensfundus.
Die schon wohlbekannten Anleihen beim Kino vergangener Tage werden hier auf die Spitze getrieben, ohne viel Rücksicht auf die Sehgewohnheiten des heutigen Publikums zu nehmen. Das führte auch zu einer ungewohnten Kritik am Regisseur. Rezensionen in der Presse sahen Anzeichen einer festgefahrenen Kreativität, das Ende von genialen und überraschenden Coups auf der Leinwand, den Verlust der Fähigkeit reiner aber intelligenter Unterhaltung und den Zugewinn unübersehbarer Selbstherrlichkeit usw...
Meiner Ansicht nach hat Tarantino hier jedoch genau das umgesetzt, was nun halt die Grundidee war: Ein Grindhouse-Feature in konkreter Anlehnung an das Kino der 70er-Jahre. Sieht man sich die Filme an, die "Death Proof" zugrunde liegen, dann trifft man kaum auf dichte und spannende Unterhaltungsgranaten. Ob "Vanishing Point" oder der originale "Gone in 60 Seconds", diese Filme sind fern von modernen Blockbustern gebaut. Ihren Reiz ziehen sie aber gerade aus ihrer gradlinigen Art des Erzählens, die vom Zuschauer mehr erwartet, als es bei heutigen Actionfilmen der Fall ist. Man kämpft sich auch mal durch ein paar müdere Szenen, die aber keinesfalls ohne Reiz sind.
Dieses Konzept setzt "Death Proof" ohne Kompromisse um. Eingebautes Knistern, Verschmutzungen auf dem Bildmaterial, Schnittfehler etc. sind ganz bewusst eingebaut, um dieses urige Kinogefühl aufkommen zu lassen. Das funktioniert sogar vorm heimischen Fernseher.
Dass die Welt sich inzwischen weitergedreht hat, scheint gänzlich egal zu sein. Auch wenn mit Handys kommuniziert wird, das Frauenbild in der Handlung zeitgemäß ist und man sich zu keiner Zeit im Amerika der 70er wähnt, könnte dieser Film in eben dieser Zeit gedreht worden sein. Die Details sind von geringer Bedeutung.
Jenseits der Presserezensionen heißt es oftmals, die Dialoge seien hier, untypisch für Tarantino, Lückenfüller und würden nich so in den Bann ziehen, wie es bei "Reservoir Dogs" oder "Pulp Fiction" der Fall war. Aber genau das scheint hier der Ansatz zu sein. Der Film will in keiner Einstellung so wirken, als hätte hier jemand jeden Satz mehrfach überdacht, umgeändert, perfektioniert.
Der Film möchte aussagen: Wir machen halt, Hauptsache ist, die Wagen sind cool, die Verfolgungsjagden spektakulär und der Film bietet Schauwerte, die man aus dem Kino mit nach Hause nimmt.
Die Filme, auf die Bezug genommen wird, sind eben genauso entstanden. Der Aspekt der Leidenschaft für einen Kern des Films (Autos) wird hier noch durch die Leidenschaft Tarantinos für diese Filme ergänzt. Warum soll er also vielschichtige Charaktere einbauen, die Story durcheinanderwirbeln, mit Überrschungen einschmeicheln. Der Diskurs steht eindeutig im Vordergrund...lang lebe der Diskurs.
Kritiker dürfte der Großmeister mit seinen Folgewerken "Inglourious Basterds" und "Django Unchained" beruhigt haben. Was für mich aber den Reiz von Tarantinos Arbeit ausmacht, kommt in "Death Proof" am deutlichsten zum Vorschein. Eine Wertschätzung für Filme, die Ideen umsetzen ohne dabei das Ziel vor Augen zu haben, in jedem Moment und in jeder Hinsicht groß zu sein. Hauptsache, es passiert was wirklich Geiles!!!