So, da ist er nun endlich, der neueste Tarantino, „Death Proof“, der Teil der Grindhouse-Double-Feature, das der Pulp-Meister zusammen mit Robert Rodriguez als Hommage an die schmuddeligen kleinen B-Movies der 70er Jahre samt einiger gefälschter Trailer zusammen produziert hat.
In Amerika gefloppt, weil weit über drei Stunden Film und die Kopplung zweier Filme aneinander die geistigen Kapazitäten eines Großteils des US-Publikums überforderte, bringt Senator die Filme jetzt separat heraus, ohne Trailer, mit einem Monat Zeitdifferenz.
Tarantinos Werk macht also den Anfang, obwohl er eigentlich zweiter Teil der Doppelvorstellung war – der Name macht einfach mehr her...
...und für den Weltmarkt mußte auch noch eine spezielle und längere Fassung her, denn während der Film in den USA auf gut 90 Minuten beschränkt war, müssen für Europa 113 Minuten echtes Quentin-Feeling her – und ich kann nicht gerade sagen, das das dem Film wirklich gut getan hat.
Immerhin: es ist ein sehr unterhaltsames Werk geworden – wenn man Tarantino mag.
Geben wir das mal als gesetzt voraus.
Dann haben wir hier einen Film, der irgendwo zwischen dem recht authentischen 70‘s-Feeling und einem selbstreferentiellen Werk des Regisseurs etwas unentschlossen hin- und herschwankt.
Für die Tarantinofans gibt es genug Fingerzeige und Augenzwinkern in alle möglichen Richtungen, kennt man seine bisherigen Filme, von den Red Apple-Zigaretten bis zum Twisted-Nerve-Handyton und wie selbstverständlich ergeht sich der Meister auch wieder seinem Fußfetisch fast bis zum Exzess.
Das bedeutet auch: endlose Gruppendialoge, diesmal ausnehmend vorgetragen von Mädels über Jungs und das ewige Thema „~“. Dabei zitiert der Regisseur mit einer Coffeeshoprunde und entsprechend kreisender Kamera gleich sein eigenes Debut „Reservoir Dogs“ – doch wie schon bei dem endlos zerlaberten „Jackie Brown“, einem bewußt anti-pulp-gedrehten Film, sind auch hier die Dialoge Geschmackssache, ein Markenzeichen, aber immer nur dann gut, wenn sie entsprechend pointiert rüberkommen. Manches wirkt allerdings reichlich zäh und gewollt (wie auch im zweiten Teil von „Kill Bill“) und wird oft nach langen Durststrecken durch gelungene Gags erst wieder aufgefangen. Atmosphäre und Style sind jedoch wie immer top, allerdings muß man diese „style-over-substance“-Art des Filmemachens mögen.
Die Action, die der Film, der sich an die Autoverfolgungsjagdfilme von vor 30-40 Jahren dranhängt, gehört jedoch nicht zum bisherigen Oeuvre QT’s und dieser Teil des Films setzt sich ganz deutlich vom typischen Tarantino-Teil ab, die einzelnen Hälften passen nicht immer geschickt ineinander.
Dennoch wird der leicht sleazige, dreckige Ton, der beabsichtigt wurde, ganz gut getroffen, auch wenn man fast bis zur Halbzeit warten muß, ehe es zur Action kommt – die ist dann aber äußerst erinnerungswert – kurz und brutal.
Überhaupt ist es ein interessanter Dreh, eine Gruppe von handelnden Figuren erst aufzubauen, um sie dann in der Mitte des Films gnadenlos wegzuhäckseln, woraufhin sich die Handlung praktisch noch einmal von vorn wiederholt, wenn auch dann mit unterschiedlichen Vorzeichen.
Im letzten Drittel, wenn eine Gruppe von drei Frauen aus dem Filmgeschäft (davon zwei Stuntwomen) sich den Attacken des mörderischen Stuntman Mike (Kurt Russell in absoluter augenzwinkernder Höchstform) erwehren müssen, dreht der Film dann endlich auf die nötige hohe Oktanzahl, wobei die (auch im realen Leben) Stuntfrau Zoe Bell auf der Motorhaube eines Autos eine wahrhaft unvergessliche Fahrt unternimmt – Hut ab davor.
Für Actionfreunde entwickelt der Film leider erst gegen Ende hin den nötigen Drive und driftet mit schonungsloser Gewalt fast schon in die abstrusen Bereiche einiger Russ-Meyer-Filme ab, wenn die Frauen den Spieß umdrehen, um den Killer selbst zu meucheln. Für Frauenpower ist also zu jeder Filmminute gesorgt, da können die Damen jubeln und die Männer leise mitlechzen – so war das eben, wenn man im Auto- oder Bahnhofskino die Kids vom Fummeln abhalten wollte.
Letztendlich stellt sich aber die Frage nach dem Sinn des Films in der hier dargebotenen Form – ohne den erklärenden inhaltlichen Rahmen des Double Features, das hier in Deutschland noch unbekannter sein dürfte als in den Staaten, kommt der Film, der noch dazu historisch genau mit Filmrissen, Rollensprüngen, schlechter Bildqualität und temporärem Farbausfall geschmückt wurde, ziemlich sinnfrei daher und setzt für das entsprechende Vergnügen einen entsprechenden Informationsstand (wie das Lesen von Filmprogrammen etc) für das Publikum voraus, was leider äußerst unwahrscheinlich ist.
So wird der Film die Tarantinofans sicherlich abgreifen, der eigentliche Sinn des Projektes „Grindhouse“ wird damit aber total entstellt (und wohl erst bei Sondervorstellungen und auf DVD wieder zusammengefügt). Es bleibt ein, für Freaks und QT-Fans noch recht amüsanter Bastard von einem Film, der den beabsichtigen Ton zeitweise, wenn auch nicht immer trifft und bestenfalls den einen oder anderen animiert, sich mal wieder nach alten Filmen umzusehen.
Bei all den Jugendlichen im Kino, die von den 70ern allenfalls noch wissen, daß da „Star Wars“ rausgekommen ist, würde ich die jedoch besser nicht suchen. Take the money and run, Senator – die Teilung war ein nötiges Übel für einen Erfolg, aber auch ein sehr riskantes.
Für meinen Teil hab ich mit Tarantinos Arbeit hier ausreichend Spaß gehabt, die Darreichungsform kann mich natürlich nicht befriedigen. (7,5/10)