Review

Der gute Quentin ist ein Schlitzohr. Da will er uns weismachen, einen launigen Trashstreifen ganz im Stile billig geschriebener und gedrehter 70er-Flicks zu zeigen und jubelt uns dann doch was ganz anderes unter.

Besonders gut erkennen lässt sich dies nun, da der Film ja zwecks "Plan B"-Vermarktung aus dem gewollt trashigen Grindhouse-Konzept gerissen wurde und sich hier selbstständig in ausgewachsener Form präsentieren darf. Somit ist man viel eher geneigt, nicht nur die Hommage an die alten, geradlinigen Schundfilme oder gar deren zwanghafte Kopie zu suchen, sondern sich auf Tarantinos Spielereien einzustellen. Dies ist auch nötig, um einer Enttäuschung vorzubeugen, denn Death Proof hat einen doppelten Boden.
Dabei sieht's doch erst so schön schmuddelig und retro aus: Teils ausgebleichte Farben bis hin zum kompletten Farbausfall, Projektorspuren en masse und ganze (vermeintlich) dilettantisch gekittete Filmrisse bekommt der HD-verwöhnte Zuschauer hier um die Ohren, pardon, Augen geschlagen. Dass das nicht einfach nur witzige Stilmittel, sondern dadurch, dass sie den Zuschauer teils kurz aus dem Film reißen und ihn reflektieren lassen, auch Hinweise auf weitere Unwägbarkeiten sind, darf nicht übersehen werden.
Da geht die Anlehnung an die 70er bis in den Plot, wenn nämlich die ganzen heißen Szenen, auf die der Zuschauer nach langer Einführung wartet, wieder vorbei sind, bevor man sie richtig mitbekommen hat. Dann sind die heißen Mädels tot, die coolen Szenen, die damals immer im Trailer landeten und über den mauen Rest des Schundstreifens hinwegtäuschen sollten, scheinbar verschossen und der Film landet im Leerlauf. Toll, Herr Tarantino, was für ein Witz! Nicht nur optische Mängel, die ja noch irgendwie schick sind und wenig stören, haben Sie aus den 70ern übernommen, nein, auch die unzähligen verkorksten Drehbücher haben Sie aufgenommen. "Wenn schon, denn schon", wie? Nicht nur adaptieren, was cool und retro ist, sondern auch alles, was man gerne verdrängt hätte? Lustige Hommage!
Halt.
Irgendwas stimmt da nicht.

Lassen wir noch einmal die erste Filmhälfte Revue passieren. Worum ging's? Schicke Mädels (Tarantino muss natürlich seinen Fußfetisch wieder raushängen lassen), ein heißes Auto und den bösen Wolf. Dazu Party, Sex und Drogen. Oder so ähnlich, denn über Sex wird nur gesprochen und ja, der Alk wird zwar konsumiert, aber eigentlich wird auch darüber hauptsächlich gesprochen, und - ja, eigentlich wird die ganze Zeit geredet. Gut, zwischendruch gibt's richtig nette Szenen für's Auge wie einen Lapdance oder einen äußerst brutalen Carcrash, aber an Handlung springt wenig 'rum bei der ersten Hälfte. Insofern ja eine originalgereue Hommage an die Inhaltsleere des Grindhouse-Kinos, aber der Herr Regisseur hat natürlich bemerkt, dass das nicht ganz ausreicht für seinen Film und deshalb auch ein ganz anderes Ziel, als es zunächst scheint.
Erstens: Die Dialoge zählen, denn sie passen einerseits in die gewollte Plotleere, andererseits in Quentins Schreibbegeisterung und -talent, und damit ihm besonders gut in den Kram. Deshalb machen die typisch belanglosen, aber auch sehr unterhaltsamen Gespräche einen Großteil des Films aus.
Zweitens: Das Storykonstrukt wird in der zweiten Hälfte von Death Proof ins Gegenteil verkehrt. Nicht der böse Wolf jagt mehr die leckeren, hilflosen Mädels, sondern die bösen Katzen jagen den feigen Köter.
Das ist ein Schlag unter die Gürtellinie, dieser Twist, ein Bruch mit der Genrekonvention, der schon damit einsetzt, dass uns als zweite weibliche Besetzung (nachdem die erste dahingerafft wurde) nicht wie vorher Mädels Marke Männertraum, sondern teils sich fast männlich benehmende, durch und durch selbstständige und erwachsene Frauen präsentiert werden (ein leicht dümmliches Schönchen, das hier etwas herausfällt, wird dann ganz konsequent durch einen Storykniff ins Abseits gestellt). Eine besonders geschickt gemachte Szene sei ebenfalls kurz erwähnt. Eines der Mädchen kauft eine Modezeitschrift, da in dieser ihre gerade erwähnte, hübsche Freudin abgebildet ist. Da fragt sie der etwas schmierige Kassierer, ob sie nicht einmal seine ganz besonderen Modemagazine hinter der Theke sehen wolle. Alarm! Hier lacht der Fan, denn er ahnt, dass die Magazine etwas ganz anderes sein müssen und der seltsame Kerl den Sicko raushängen lassen wird, um es dann richtig böse krachen zu lassen. Aber - nö. Die besondere Zeitschrift ist nur die italienische Vogue, die die Mädchen dann auch gleuch zum Sonderpreis kaufen.
Wie man ja an diversen enttäuschten Kritiken verfolgen kann, geht es hiermit bergab für die erwartete Männeraction mit harten Kerlen und willigen Weibern, bis sich am krassen Ende das Blatt völlig gewendet hat und der Film zeigt, wie ganz und gar modern er in Wirklichkeit ist. Besonders zu sehen ist dies an Stuntman Mike, dem Bösewicht des Streifens, fantastisch verkörpert von Kurt Russell. Zuerst scheint er ganz der coole, geheimnisvolle, harte Kerl zu sein, der über den Dingen steht und alles so lenkt, wie er es haben möchte. Wie gewohnt also. Doch schon in der ersten Hälfte des Films, die uns noch am ehesten gibt, was wir erwarten würden, bekommt dieses Bild Schnitzer durch kleine Unsicherheiten in Mikes Auftreten. Am bemerkenswertesten ist hier wohl der auf halbem Weg verreckte Nieser, der die Coolness Mikes mitten in einer Anmache plötzlich völlig zerstört. Und auch wenn er sie wiedererlangen kann, bleibt sie nicht für immer. Denn die zweite Gruppe Frauen weiß sich bestens zu wehren. Dadurch, dass auch dieses feministische Moment wieder völlig überzeichnet wird, wird einerseits die trashige Form des Films gewahrt und andererseits die Umkehr des Schema F unterstrichen.

Somit gelingt Tarantino der Kunstgriff, innerhalb der konsequent durchgezogenen äußerlichen Gestalt eines billigen Schundstreifens sowohl Klischees genüsslich auszuschlachten (schließlich ist Exploitation das Stichwort im Grindhouse-Kino) und andererseits ebenso süffisant zu untergraben und seine ganz eigene Version zu drehen. Dieses Manöver vollzieht er noch konsequenter (die Übertreibung gehört ja zum vereinbarten Rahmen) als in seinen vorherigen "Pulp"-Filmen und stößt deshalb dem ein oder anderen vor den Kopf. Tatsächlich scheinen auch einige Dialoge etwas überlang geraten, nichtsdestotrotz aber baut Tarantino eine großartige Atmosphäre auf, die er mit grandiosen Verfolgungsjagden und natürlich Crashs wunderbar garniert.

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