Review

„Drogen, Prostitution, Kleider!“

Der österreichische „Kottan ermittelt“-Regisseur Peter Patzak drehte 1987 in deutscher Produktion den in Hamburg spielenden Krimi/Thriller „Der Joker“ mit Schlagerrocker Peter Maffay in der Hauptrolle.

Das Hamburger Drogen- und Rotlichtmilieu wird von einer Mordserie erschüttert. Allen gemein ist, dass der Täter stets eine Ass-Spielkarte am Tatort zurücklässt. Jan Bogdan (Peter Maffay) und sein Kollege Toni (Massimo Ghini, „Sie sind unter uns!“), der eine heimliche Affäre zu Bogdans Freundin Daniela (Tahnee Welch, „Cocoon“) unterhält, leiten die Ermittlungen der Hamburger Mordkommission. Als sich der Vater Danielas und Betreiber des italienischen Restaurants „Santini“ weigert, auf die unverschämten Forderungen von Schutzgelderpressern einzugehen, explodiert dort eine Bombe, die Bogdan schwer verletzt und seine Beine lähmt. An den Rollstuhl gefesselt sinnt Bogdan auf Rache. Überraschende Unterstützung bekommt er dabei von der Unterwelt-Größe Dr. Proper (Michael York, „Austin Powers - Das Schärfste, was ihre Majestät zu bieten hat“), der ihn als Joker im perfiden Spiel der organisierten Kriminalität einsetzt…

„Bring mir ein Paar neue Beine!“

Patzak beginnt seinen Film mit Fahrten durch den Hamburger Kiez und die Hafenstraße zu Hausbesetzer-Zeiten. Kurz darauf laufen die ersten ‘80er-Jogginanzüge durchs Bild, doch mit seiner Sexszene mit einer rückentätowierten Dame findet man schnell zur Ästhetik zurück. Begleitet von einem Pop-Rock-Soundtrack von Tony Carey schmeichelt sich „Der Joker“ mit einigen wirklich gelungenen Bildkompositionen beim Publikum ein und macht den Film schmackhaft. Dieser wurde sehr auf US-amerikanisch gebürstet und man kann nur rätseln, weshalb man internationalen Schauspielern wie Michael York, Tahnee Welch oder Elliott Gould („American History X“) und verdienten Einheimischen wie Armin Mueller-Stahl („Fünf Patronenhülsen“) oder Monica Bleibtreu („Lola rennt“) nun ausgerechnet den schauspielunerfahrenen Maffay als Hauptrolle vorsetzte. Dieser gibt den knurrigen, coolen, letztlich aber vom Großstadt-Moloch desillusionierten Polizisten in einer Mischung aus „Tatort“-Schimanski und US-Kino-Antihelden, wurde als das Gegenteil eines Sonnyboys mimisch vermutlich nicht vor allzu große Herausforderungen gestellt und macht in den actionlastigeren Szenen gar keine so schlechte Figur. In den betont auf cool, lässig und abgeklärt getrimmten Dialogen jedoch spricht er fast keine Zeile am Stück, sondern erlaubt sich auffallend lange Sprechpausen, die vermutlich bedeutungsschwanger ausfallen sollen, in ihrem inflationären Gebrauch aber nicht nur häufig das Verständnis erschweren, sondern auch unfreiwillig komisch wirken.

Dabei ist die Geschichte durchaus interessant konstruiert worden und benutzt das Hamburger Milieu zielführend für einen Neo-noir-Krimi mit viel wohligem ‘80er-Flair mit seinen zigarettendunstblau-kalten Ausleuchtungen vieler Szenen, schönem Hamburger Lokalkolorit mit tollen, inzwischen historischen Bildern und einigen bizarren Einfällen (Stichworte „Pfeffer“, „Salz“ und Hundesalon). „Der Joker“ kommt ohne ausufernde Schießereien und Prügeleien aus, setzt stattdessen hier und da auf ein paar Explosionen und Blechschäden. Ansonsten dominiert die düstere Stimmung, unterbrochen von einem großen Hoffnungsschimmer für Bogdan, der jedoch gerade einmal bis zum pessimistischen und ernüchternden Ende reicht. Patzaks Film stellt die Polizei als letztlich ohnmächtige Marionetten des organisierten Verbrechens dar, die faule Kompromisse eingeht, sich benutzen lässt, regelmäßig in Lebensgefahr gerät und darüber im Privatleben zerbricht. Die dann und wann durchschimmernde Romantik wirkt wie ein zartes Pflänzchen, das sich durch den Asphalt bricht und in einem Umfeld des verzweifelten Gossen-Hedonismus zu überleben versucht (beides geht mit einem gewissen Erotik-Faktor einher). Dem Anspruch an seine Ernsthaftigkeit kann „Der Joker“ jedoch wie bereits angedeutet nicht durchgehend gerecht werden, immer wieder wirkt er zu gewollt und erzwungen und schrammt mit Maffays Aussprache sowie der einen oder anderen weithergeholten Idee auch gern mal nur knapp am Trash vorbei – ach, was sag ich, watet mindestens knöcheltief durch, amüsiert damit nicht zu knapp. Für Freunde des etwas abseitigen deutschen Genrefilms oder des speziellen ‘80er-Noir könnte „Der Joker“ aber ein unterhaltsames und charmantes Zeitdokument sein, das sich meines Erachtens aufgrund der vermittelten Stimmung besonders gut an einem verkaterten Sonntagabend macht und bitte als Peter-Patzak-, nicht Peter-Maffay-Film betrachtet werden sollte.

P.S.: Als geradezu visionär ist der Plan des Obergangsters zu begreifen, vom Drogen- ins Immobiliengeschäft umzusatteln… Ein schöner Seitenhieb, insbesondere vor dem Hintergrund des damaligen Häuserkampfes und der seit Jahren grassierenden Gentrifizierung innerhalb Hamburgs.

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