In Der Schmale Grat wird, nachdem erfolgreich ein Dorf auf einer Pazifikinsel erobert wurde und die amerikanischen Soldaten zurückkehren ins Lager, aus dem Off wie folgt kommentiert: „Durch den Krieg werden die Menschen nicht edler. Er macht sie zu Hunden. Vergiftet die Seele.". Paul Haggis, Drehbuchautor und Regisseur von Im Tal von Elah scheint sich diese kurze Passage in selbigen Film immer wieder angeschaut zu haben.
Wir sehen Tommy Lee Jones als alternden Vietnamveteran Hank Deerfield, der nach seinem verlorenen Sohn Michael, einem Soldaten im Irakkrieg, der schon seit 2 Tagen zu Hause hätte sein müssen, sucht. Hank glaubt noch an die Rechtschaffenheit beim Militär, findet jedoch bei seinen Nachforschungen heraus, dass etwas nicht stimmt. Ein paar Tage später wird die völlig zerstückelte und verbrannte Leiche seines Sohnes gefunden und zusammen mit der zunächst abweisenden, aber dann umso pflichtversesseneren Polizistin Emily Sanders (diesmal glanzlos: Charlize Theron) beginnt der ehemalige Militärpolizist zu ermitteln. Die Spur führt ihn direkt zur Army und Michaels Kameraden...
Bei Filmen, die implizit oder explizit vom Irakkrieg handeln, lohnt stets ein Blick auf den ihnen inhärenten politischen Kommentar. Im Tal von Elah liefert einen durchaus kritischen Blick auf den Krieg, auch wenn er bei militärischen Tugenden zuweilen nah an der Verherrlichung selbiger vorbeischrammt. Tommy Lee Jones, der eine differenzierte und subtile Vorstellung liefert, allerdings für mich deswegen seine Oscarnominierung nicht unbedingt verdient hätte, ist als Hank Deerfield ein Mensch, der glaubt: Er ist Christ, liest regelmäßig die Bibel, spricht das Tischgebet und glaubt an das Militär und seine Rechtschaffenheit, seine ordnenden Tugenden, die aus dem Durchschnittsbürger bessere Menschen machen.
Dass er in letztem Punkt irren wird, kritisiert zwar den Menschen beim Militär, den Soldaten an sich, aber nicht die Fähigkeiten, die ihnen anerzogen werden. Hank löst den Fall praktisch durch seinen Spürsinn und die ihn von der Army antrainierten Kombinationsfähigkeiten. Die traditionellen Vorstellungen von Zucht und Ordnung beim Militär bleiben bestehen, denn Verstöße und moralische-strafrechtliche Fehltritte gegen Prinzipien bestätigen die an sich funktionierende Regel und das repressive System. Ideologisch ist offensichtlich, worauf Im Tal von Elah hinaus will, was der Film kritisieren will, allerdings findet er dafür nicht die Mittel, sich eindeutig zu distanzieren. So kommt die Pointe um das Hissen der auf den Kopf gestellten US-Flagge, eine zutiefst militärisch und patriotisch konnotierte Tätigkeit, am Ende einem Verrat der eigenen Ideale des Films gleich.
Sicherlich: Man weiß, worauf der eher bieder und etwas behäbig erzählte Film mit zahlreichen Blau-Grau-Blenden, die so etwas wie Alltag oder Tristesse symbolisieren sollen, hinaus will, doch eine biblische David-gegen-Goliath-Metapher reicht da nicht aus. Im Tal von Elah stehen sich der Riese Goliath und David, ein kleiner Hirtenjunge gegenüber und David soll mit der Macht seines Verstandes obsiegen. David steht für den Sohn (Michael), der in den Krieg geschickt wurde und sich der in Form von Goliath personifizierten Infragestellung seines Weltbildes von Moralität und Rechtschaffenheit erwehren muss, ohne menschlich vor die Hunde zu gehen. Der Irakkrieg ist eine Prüfung und Michael bekommt seinen Spitznamen „Doc", weil er einen verwundeten Iraker in dessen blutender Wunde herumstochterte. Zudem überfuhr er einen unschuldigen Jungen mit einem riesigen Militärfahrzeug wie einen Hund. Wobei wir wieder beim eingangs erwähnten Zitat wären: Der Krieg verroht die Soldaten, stumpft sie ab, macht sie gleichgültig - eine Schutzreaktion, damit sie mit dem Grauen, der Angst und der moralischen Verkommenheit seelisch umgehen und leben können. Dies kommt bedrückend und lapidar, weil lakonisch daher, als ein Kamerad von Michael dessen Ermordung gleichgültig schildert. Michael hat seine Prüfung nicht gemeistert und ob Hank sie bestehen wird, ist nicht sicher, weil sie alles, woran er im Leben glaubte, infrage stellt.
Es ist diese Tendenz zur Überemotionalität in einigen psychologisch intensiven Szenen im Kontrast zu diesem stellenweise knochentrockenen Humor des alten Haudegens Hank, der Im Tal von Elah so schwer verdaulich macht. Dazu narrativ völlig überflüssig ein zweiter Erzählstrang, der plötzlich Polizistin Emily, ebenfalls mit ihrem Pflichtbewusstsein hadernd, ins Zentrum stellt, ohne dass ein unmittelbarer Bezug zur eigentlichen Handlung um die Ermittlung des Verschwundenseins von Michael, Hanks Sohn, gegeben wäre. Musste man neben Tommy Lee Jones noch einen zweiten starken Part in den Film implementieren? Traute ihm es Haggis nicht zu, dieses bedächtig und subtil inszenierte Charakterdrama allein zu tragen?
Im Tal von Elah ist ein Film, der mit starken Darstellerleistungen aufrütteln und unglaubliche Wahrheiten über die Verrohung des Menschen beim Militär aufzeigen will. Ein Film, der um Realismus und Intensität bemüht ist und die Missstände beim Militär anprangern will. Leider ist es dabei an einigen Stellen beim schlichten Wollen geblieben. Dem starken Ensemble ist es zu verdanken, dass Im Tal von Elah als missverständliches, manchmal rührseliges, hin und wieder unfreiwillig komisches Statement gegen das Militär und seine Tugenden phasenweise eine sogartige Intensität aufbauen kann und gerade dann offenbart, welches Potenzial in ihm steckt. Dass die lobenswerte Intention und der Zweck jedoch nicht alle Mittel heiligt, dürfte dabei bekannt sein. Ein lohnender, zuweilen bedrückend intensiver Film, wenn auch nicht frei von Schwächen (6/10).