Daniel Bernhardt hatte sich mit seinen Hauptrollen in B-Actionfilmen wie „Perfect Target“ und Nebenrollen in Hollywoodproduktionen wie „Matrix Reloaded“ nicht nur eine gewisse Reputation erarbeitet, sondern auch diverse Stuntleute und Nebendarsteller kennengelernt, auf deren Kooperation er zählen konnte, als er 2007 den Kurzfilm „Fetch“ stemmte, den er schrieb und bei dem er Regie führte.
Die Hauptrolle ging an den erfahrenen Stuntman, Stunt Coordinator und Fight Choreographer David Leitch, mit dem Bernhardt unter anderem bei „Matrix Reloaded“ und „Sledge“ zusammengearbeitet hatte, und der ihn wiederum später in „John Wick“ besetzte. Leitchs „John Wick“-Co-Regisseur und langjähriger Kollege Chad Stahelski schaut auch für einen Kurzauftritt inklusive Stunt vorbei. Leitchs Rolle ist die des titelgebenden Privatdetektivs John ‘Fetch‘ Fetcher, der so ziemlich alle Hard-Boiled-Klischees erfüllt: Im Trenchcoat rennt er umher, wirkt immer etwas abgewrackt und hat Stress mit der Ex-Frau, der er noch diverse Unterhaltszahlungen schuldet.
Der Auftrag wirkt dann auch wie aus dem Lehrbuch, wenn Fetch an der Tür einer schicken Villa klingelt und hineingeführt wird wie dereinst Philip Marlowe beim Besuch des Sternwood-Anwesens in „The Big Sleep“. Fetch soll in einem Entführungsfall ermitteln, wird von dem wohlhabenden Ehepaar mit fürstlicher Belohnung gelockt und macht sich prompt daran fieselige Elemente der örtlichen Unterwelt auf der Suche nach dem Opfer aufzumischen…
Bernhardts rund zwanzigminütiger Kurzfilm ist kein intellektuelles oder extrem cleveres Spiel mit Film-Noir- und Hard-Boiled-Klischees wie etwa „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ oder „Kiss Kiss, Bang Bang“, aber doch eine mit Kenntnis, Witz und Augenzwinkern geschriebene Hommage mit gleichzeitiger Übersteigerung gewisser Klischees. So ist Fetchs nur am Telefon zu hörende Ex-Frau eine derartige Meckerziege, dass selbst mancher Gegner mit Fetch Mitleid hat, während andere Klischees so lustvoll aufbereitet werden, dass man nur auf ihre Erfüllung wartet. Den kleinen, ironischen Schlusstwist sieht man vielleicht schon kommen, wenn man die eine oder andere Parodie gesehen hat, aber es ist schon vergnüglich wie sich Bernhardt als Drehbuchautor und Regisseur mit der Materie auseinandergesetzt. Auch amüsant sind manche Seitenhiebe, etwa wenn Fetch einen sonnenbebrillten Pseudo-Gangster-Checker-Informanten mitsamt dessen Gang aufmischt und dabei anmerkt, dass der Informant sich für einen Rapstar hält und deshalb an einem Regentag die Sonnenbrille trägt.
Derartige Einwürfe werden natürlich in stilechtem Voice-Over vorgetragen, ehe es dann zur Klopperei geht. Denn davon gibt es einige in „Fetch“, der natürlich auch als Showcase für alle Beteiligten gedacht ist. Ganz zur ironischen Ausrichtung passend wird von einem Kampf nur eine Kurzzusammenfassung geliefert, ein anderer ganz ausgeblendet und nur das Ergebnis gezeigt. Bei den sonstigen Wemmsereien gibt es dafür stark choreographierte Fights zu sehen, bei denen alle Beteiligten zeigen was sie drauf haben. Ein Highlight ist sicherlich jener Kampf in einer Autowerkstatt, bei der sich Fetch gegen zwei aufeinander abgestimmte Mechaniker-Fighter behaupten muss.
In besagter Szene tritt dann auch Rodney Roland auf, ein immer wieder verlässliches, vor allem in TV-Serien zu sehendes Schurkengesicht, der hier mal toll aufspielen kann. Die restlichen Darsteller, einschließlich David Leitch, sind dann doch eher zur Präsentation ihrer Körperbeherrschung dar (darunter auch Chad Stahelski und der später erfolgreiche Fight Choreographer Jonathan Eusebio), stellen sich aber auch als Schauspieler mehr als brauchbar an, während Daniel Bernhardt selbst zwar einen Gastauftritt hat, bei diesem dann aber ausnahmsweise mal nicht zulangt.
Inszenatorisch kann sich das alles trotz sichtlich knapper pekuniärer Mittel sehen lassen und verströmt genug Hard-Boiled-Stimmung, auch wenn für großartige Bildbearbeitung oder -verfremdung keine Knete am Start war. Die kleinen Witze des komödiantischen Actionkurzfilms sitzen und in rund 20 Minuten spult „Fetch“ eine kondensierte Hard-Boiled-Story mit allen Standards ab, die dazugehören. Dementsprechend bereitet Bernhardt Bekanntes neu auf und kommt bei der Kürze seines Films nie in die Verlegenheit echte Substanz bieten zu müssen, aber das Gebotene hat Charme und Witz.
Mehr also nur als ein bloßes Showreel für alle Beteiligten, die mit Elan bei der Sache sind, für reichlich gute Fights und ironische Hard-Boiled-Noir-Stimmung sorgen. Weiteres als Regisseur oder Drehbuchautor kam danach von Daniel Bernhardt nicht mehr; dabei lässt „Fetch“ durchaus Talent erkennen.